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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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mit den Hofleuten dort zu trinken"). Als solches Herzog Barnim erfuhr, zog
er mit seinem ganzen Hofgesinde fort nach dem Kloster Cvlbitz, ließ nur das
fürstliche Frauenzimmer zurück. Der Liegnitzer kommt nach Stettin, auf dem
Schlosse wird ihm gesagt, daß weder der Herzog noch jemand von den Hof¬
junkern zur Stelle sei. und er wird nach der Stadt in ein Haus eingewiesen,
worin grade ein alter Mann zu nett im Todeskampfe lag, weil man ver¬
meinte, daß er deshalb um so eher von dannen rücken würde. Aber er blieb
nicht nur, sondern ging auch zu dem Kranken ans Bett und'sagte ihm etwas
aus Gottes Wort vor, so lange bis er verschied, und drückte nur die Augen
zu. Valentin, der mit der Armenbüchse umging, kam zu ihm ins Haus,,
dem steckte er etliche Thaler in die Büchse und ließ schwarzes Tuch holen,
sich und dem Valentin zu Mänteln, und wollte dem Todten mit Valentin
auch zum Begrübniß folgen. Das wollte doch die Herzogin nicht gestatten,
sondern ließ ihn aufs Schloß laden in das Gemach über der Kanzlei, da¬
mit sie miteinander reden könnten. Ich war damals auch zu Stettin auf
dem Hofe in der Küche und wollte über den Hof hinuntergehn, da stand
dieser Herzog an dem Fenster, stieß den Kopf zum Fenster hinaus, sperrte
mit beiden Händen den Mund gegen mich voneinander und schrie mich laut
an: "Bui!" Da ich zu Nürnberg gelernt hatte, wie mit ihm zu verhandeln
war, antwortete ich: "Bah!" Darauf sagte er: "El, das ist ein rechtschaf¬
fener Kerl! ich bitte euch um Gottes Willen, kommt zu mir herauf, wir wollen
einander gute Gesellschaft leisten, fröhlich und guter Dinge sein." Ich aber
sagte Sr. Fürstlichen Gnaden unterthänig Dank, und ging meine Straße.

Als er zuletzt auch von Stettin abzog, -- denn Herzog Barnims Heimkehr
verzögerte sich zu lange, -- gab ihm die Herzogin eine fürstliche Verehrung,
so daß er noch eine Weile unordentlich zehren konnte. Er blieb aber bei
seinem angenommenen tollen, wilden Leben, wodurch er sich um alles, Land
und Leute, Gesundheit und fürstlichen Wohlstand brachte. Er soff sich zu
Tode, so daß er seine Gemahlin, eine geborne Herzogin von Mecklenburg
und ihre beiderseitigen Kinder in äußerster Armuth verließ. Denn seine Ge¬
mahlin beklagte sich als Witwe, nicht allein bei ihren Standesgenossen, son¬
dern auch gegen den Rath mancher Städte, daß sie große Noth litte, sie
wüßte keinen Rath, wie sie ihre Söhnlein fürstlich erziehen sollte, sondern bat,
ihr dazu etwas zu Hilfe zu kommen und sie in solcher Armuth mit einem
Almosen zu trösten; wie denn auch der Rath zu Stcalsund ihr durch ihren
hierher geschickten laufenden Boten etliche Thaler sandte^). --




") Er war Schwager des Herzogs Barnim von Mecklenburg.
") Die Gemahlin Friedrichs von Liegnijz, Mutter Heinrichs XI. und Friedrichs IV. war
eines solchen Gatten und solcher Söhne nicht umwallt). Hans von Schiveinichen, Page bei

mit den Hofleuten dort zu trinken"). Als solches Herzog Barnim erfuhr, zog
er mit seinem ganzen Hofgesinde fort nach dem Kloster Cvlbitz, ließ nur das
fürstliche Frauenzimmer zurück. Der Liegnitzer kommt nach Stettin, auf dem
Schlosse wird ihm gesagt, daß weder der Herzog noch jemand von den Hof¬
junkern zur Stelle sei. und er wird nach der Stadt in ein Haus eingewiesen,
worin grade ein alter Mann zu nett im Todeskampfe lag, weil man ver¬
meinte, daß er deshalb um so eher von dannen rücken würde. Aber er blieb
nicht nur, sondern ging auch zu dem Kranken ans Bett und'sagte ihm etwas
aus Gottes Wort vor, so lange bis er verschied, und drückte nur die Augen
zu. Valentin, der mit der Armenbüchse umging, kam zu ihm ins Haus,,
dem steckte er etliche Thaler in die Büchse und ließ schwarzes Tuch holen,
sich und dem Valentin zu Mänteln, und wollte dem Todten mit Valentin
auch zum Begrübniß folgen. Das wollte doch die Herzogin nicht gestatten,
sondern ließ ihn aufs Schloß laden in das Gemach über der Kanzlei, da¬
mit sie miteinander reden könnten. Ich war damals auch zu Stettin auf
dem Hofe in der Küche und wollte über den Hof hinuntergehn, da stand
dieser Herzog an dem Fenster, stieß den Kopf zum Fenster hinaus, sperrte
mit beiden Händen den Mund gegen mich voneinander und schrie mich laut
an: „Bui!" Da ich zu Nürnberg gelernt hatte, wie mit ihm zu verhandeln
war, antwortete ich: „Bah!" Darauf sagte er: „El, das ist ein rechtschaf¬
fener Kerl! ich bitte euch um Gottes Willen, kommt zu mir herauf, wir wollen
einander gute Gesellschaft leisten, fröhlich und guter Dinge sein." Ich aber
sagte Sr. Fürstlichen Gnaden unterthänig Dank, und ging meine Straße.

Als er zuletzt auch von Stettin abzog, — denn Herzog Barnims Heimkehr
verzögerte sich zu lange, — gab ihm die Herzogin eine fürstliche Verehrung,
so daß er noch eine Weile unordentlich zehren konnte. Er blieb aber bei
seinem angenommenen tollen, wilden Leben, wodurch er sich um alles, Land
und Leute, Gesundheit und fürstlichen Wohlstand brachte. Er soff sich zu
Tode, so daß er seine Gemahlin, eine geborne Herzogin von Mecklenburg
und ihre beiderseitigen Kinder in äußerster Armuth verließ. Denn seine Ge¬
mahlin beklagte sich als Witwe, nicht allein bei ihren Standesgenossen, son¬
dern auch gegen den Rath mancher Städte, daß sie große Noth litte, sie
wüßte keinen Rath, wie sie ihre Söhnlein fürstlich erziehen sollte, sondern bat,
ihr dazu etwas zu Hilfe zu kommen und sie in solcher Armuth mit einem
Almosen zu trösten; wie denn auch der Rath zu Stcalsund ihr durch ihren
hierher geschickten laufenden Boten etliche Thaler sandte^). —




") Er war Schwager des Herzogs Barnim von Mecklenburg.
") Die Gemahlin Friedrichs von Liegnijz, Mutter Heinrichs XI. und Friedrichs IV. war
eines solchen Gatten und solcher Söhne nicht umwallt). Hans von Schiveinichen, Page bei
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[0298] mit den Hofleuten dort zu trinken"). Als solches Herzog Barnim erfuhr, zog er mit seinem ganzen Hofgesinde fort nach dem Kloster Cvlbitz, ließ nur das fürstliche Frauenzimmer zurück. Der Liegnitzer kommt nach Stettin, auf dem Schlosse wird ihm gesagt, daß weder der Herzog noch jemand von den Hof¬ junkern zur Stelle sei. und er wird nach der Stadt in ein Haus eingewiesen, worin grade ein alter Mann zu nett im Todeskampfe lag, weil man ver¬ meinte, daß er deshalb um so eher von dannen rücken würde. Aber er blieb nicht nur, sondern ging auch zu dem Kranken ans Bett und'sagte ihm etwas aus Gottes Wort vor, so lange bis er verschied, und drückte nur die Augen zu. Valentin, der mit der Armenbüchse umging, kam zu ihm ins Haus,, dem steckte er etliche Thaler in die Büchse und ließ schwarzes Tuch holen, sich und dem Valentin zu Mänteln, und wollte dem Todten mit Valentin auch zum Begrübniß folgen. Das wollte doch die Herzogin nicht gestatten, sondern ließ ihn aufs Schloß laden in das Gemach über der Kanzlei, da¬ mit sie miteinander reden könnten. Ich war damals auch zu Stettin auf dem Hofe in der Küche und wollte über den Hof hinuntergehn, da stand dieser Herzog an dem Fenster, stieß den Kopf zum Fenster hinaus, sperrte mit beiden Händen den Mund gegen mich voneinander und schrie mich laut an: „Bui!" Da ich zu Nürnberg gelernt hatte, wie mit ihm zu verhandeln war, antwortete ich: „Bah!" Darauf sagte er: „El, das ist ein rechtschaf¬ fener Kerl! ich bitte euch um Gottes Willen, kommt zu mir herauf, wir wollen einander gute Gesellschaft leisten, fröhlich und guter Dinge sein." Ich aber sagte Sr. Fürstlichen Gnaden unterthänig Dank, und ging meine Straße. Als er zuletzt auch von Stettin abzog, — denn Herzog Barnims Heimkehr verzögerte sich zu lange, — gab ihm die Herzogin eine fürstliche Verehrung, so daß er noch eine Weile unordentlich zehren konnte. Er blieb aber bei seinem angenommenen tollen, wilden Leben, wodurch er sich um alles, Land und Leute, Gesundheit und fürstlichen Wohlstand brachte. Er soff sich zu Tode, so daß er seine Gemahlin, eine geborne Herzogin von Mecklenburg und ihre beiderseitigen Kinder in äußerster Armuth verließ. Denn seine Ge¬ mahlin beklagte sich als Witwe, nicht allein bei ihren Standesgenossen, son¬ dern auch gegen den Rath mancher Städte, daß sie große Noth litte, sie wüßte keinen Rath, wie sie ihre Söhnlein fürstlich erziehen sollte, sondern bat, ihr dazu etwas zu Hilfe zu kommen und sie in solcher Armuth mit einem Almosen zu trösten; wie denn auch der Rath zu Stcalsund ihr durch ihren hierher geschickten laufenden Boten etliche Thaler sandte^). — ") Er war Schwager des Herzogs Barnim von Mecklenburg. ") Die Gemahlin Friedrichs von Liegnijz, Mutter Heinrichs XI. und Friedrichs IV. war eines solchen Gatten und solcher Söhne nicht umwallt). Hans von Schiveinichen, Page bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/298>, abgerufen am 28.07.2024.