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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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werk neuprcußischcr Befestigungskunst, und als der stärkste Kricgsplatz der ost-
wärtigen Hälfte der preußischen Monarchie, was um so mehr bedeuten will,
wenn man in Rücksicht zieht, daß die Natur durch besondere Gunst verhält¬
nißmäßig äußerst wenig gethan hat. daß im Besondern große Stromverhältnisse
hier fehlen, daß es ebenfalls der Kunst anheim gegeben war, durch SchleußeN-
anlagen, mit den Mitteln, die ein kleiner Fluß dazu bot, eine fluviale Basis
herzustellen, und selbst die Beschaffung der Baustoffe -- Posen ist im Gegensatz
zu den rheinischen Festungen, die meistens aus Bruchsteinen aufgeführt wur¬
den, aus Ziegeln erbaut -- außerordentliche Schwierigkeiten machte. Es ist
hier nicht in Absicht, noch ist es zulässig, auf die Ausführung des Platzes in
fortificatorischer Hinsicht näher einzugehen. Zwei Namen, Brese und
Prittwitz, sind mit ihm untrennbar verbunden und werden fortleben, fo lange
die gewaltigen Mauern dauern. -- Die Ausgaben, welche der Bau von Po¬
sen veranlaßte, habe ich verschieden, einerseits aus sieben bis acht Millionen,
andrerseits auf zwölf Millionen Thaler angeben hören. Auch die größere
Summe ist für das, was man dadurch für die Monarchie gewonnen hat,
nicht zu hoch; für alle Zeiten ist damit eine förmliche Ueberraschung Preußens
durch einen plötzlichen Angriff Rußlands unmöglich gemacht; denn diese Festung
gebietet dem Marsch gegen den Herzpunkt der Monarchie Stand, er mag ge¬
schehen, aus welcher Richtung der gegebenen Grenze er immerhin wolle.

Der Bau von Posen nahm während der letzten zehn Regierungsjahre
des Königs Friedrich Wilhelm III. nahezu die volle Summe des Jngenieur-
budgcts des Staats in Anspruch. Bei den damals noch ungleich spärlicher
wie jetzt entwickelten finanziellen Hilfsmitteln des Staates konnte man nicht
füglich mehr thun. Aber Friedrich Wilhelm IV. hatte kaum den Thron be¬
stiegen, als es feststand, daß man in den entscheidenden Regionen den
Augenblick für gekommen erachtete, um eine neue Festung von mock größerem
Umfang wie Posen und unter zu Grundelegung derselben Bcfcstignngsmanier
in Angriff zu nehmen; es war dies Königsberg. Zugleich entschied man sich
für die Fortificirung von Lötzcn.

Die Umwandlung der Hauptstadt von Altpreußen in einen Platz ersten
Ranges will nach Maßgabe anderer Verhältnisse und Beziehungen gewürdigt
sein, wie der Bau von Posen. Wenn die Anlage der letzteren Festung ankün¬
digte, wie Preußen einer überraschenden Offensive entgegenzutreten gesonnen
sei, so kündete die Auswahl Königsbergs zum Hauptwaffenplatz an, daß man
dabei auf den Gedanken nicht verzichte, seinerseits eine angriffsweise Ver¬
theidigung zu führen und in keinem Falle geneigt sei, auch für den Fall
einer Ueberraschung, blos aus Grund derselben eine ganze Provinz zu räumen.
Insofern war Königsberg die kühnere strategische Anlage, entsprechend dem
kühnerem politischen Geist, der mit dem Regierungswechsel in der Monarchie


werk neuprcußischcr Befestigungskunst, und als der stärkste Kricgsplatz der ost-
wärtigen Hälfte der preußischen Monarchie, was um so mehr bedeuten will,
wenn man in Rücksicht zieht, daß die Natur durch besondere Gunst verhält¬
nißmäßig äußerst wenig gethan hat. daß im Besondern große Stromverhältnisse
hier fehlen, daß es ebenfalls der Kunst anheim gegeben war, durch SchleußeN-
anlagen, mit den Mitteln, die ein kleiner Fluß dazu bot, eine fluviale Basis
herzustellen, und selbst die Beschaffung der Baustoffe — Posen ist im Gegensatz
zu den rheinischen Festungen, die meistens aus Bruchsteinen aufgeführt wur¬
den, aus Ziegeln erbaut — außerordentliche Schwierigkeiten machte. Es ist
hier nicht in Absicht, noch ist es zulässig, auf die Ausführung des Platzes in
fortificatorischer Hinsicht näher einzugehen. Zwei Namen, Brese und
Prittwitz, sind mit ihm untrennbar verbunden und werden fortleben, fo lange
die gewaltigen Mauern dauern. — Die Ausgaben, welche der Bau von Po¬
sen veranlaßte, habe ich verschieden, einerseits aus sieben bis acht Millionen,
andrerseits auf zwölf Millionen Thaler angeben hören. Auch die größere
Summe ist für das, was man dadurch für die Monarchie gewonnen hat,
nicht zu hoch; für alle Zeiten ist damit eine förmliche Ueberraschung Preußens
durch einen plötzlichen Angriff Rußlands unmöglich gemacht; denn diese Festung
gebietet dem Marsch gegen den Herzpunkt der Monarchie Stand, er mag ge¬
schehen, aus welcher Richtung der gegebenen Grenze er immerhin wolle.

Der Bau von Posen nahm während der letzten zehn Regierungsjahre
des Königs Friedrich Wilhelm III. nahezu die volle Summe des Jngenieur-
budgcts des Staats in Anspruch. Bei den damals noch ungleich spärlicher
wie jetzt entwickelten finanziellen Hilfsmitteln des Staates konnte man nicht
füglich mehr thun. Aber Friedrich Wilhelm IV. hatte kaum den Thron be¬
stiegen, als es feststand, daß man in den entscheidenden Regionen den
Augenblick für gekommen erachtete, um eine neue Festung von mock größerem
Umfang wie Posen und unter zu Grundelegung derselben Bcfcstignngsmanier
in Angriff zu nehmen; es war dies Königsberg. Zugleich entschied man sich
für die Fortificirung von Lötzcn.

Die Umwandlung der Hauptstadt von Altpreußen in einen Platz ersten
Ranges will nach Maßgabe anderer Verhältnisse und Beziehungen gewürdigt
sein, wie der Bau von Posen. Wenn die Anlage der letzteren Festung ankün¬
digte, wie Preußen einer überraschenden Offensive entgegenzutreten gesonnen
sei, so kündete die Auswahl Königsbergs zum Hauptwaffenplatz an, daß man
dabei auf den Gedanken nicht verzichte, seinerseits eine angriffsweise Ver¬
theidigung zu führen und in keinem Falle geneigt sei, auch für den Fall
einer Ueberraschung, blos aus Grund derselben eine ganze Provinz zu räumen.
Insofern war Königsberg die kühnere strategische Anlage, entsprechend dem
kühnerem politischen Geist, der mit dem Regierungswechsel in der Monarchie


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[0271] werk neuprcußischcr Befestigungskunst, und als der stärkste Kricgsplatz der ost- wärtigen Hälfte der preußischen Monarchie, was um so mehr bedeuten will, wenn man in Rücksicht zieht, daß die Natur durch besondere Gunst verhält¬ nißmäßig äußerst wenig gethan hat. daß im Besondern große Stromverhältnisse hier fehlen, daß es ebenfalls der Kunst anheim gegeben war, durch SchleußeN- anlagen, mit den Mitteln, die ein kleiner Fluß dazu bot, eine fluviale Basis herzustellen, und selbst die Beschaffung der Baustoffe — Posen ist im Gegensatz zu den rheinischen Festungen, die meistens aus Bruchsteinen aufgeführt wur¬ den, aus Ziegeln erbaut — außerordentliche Schwierigkeiten machte. Es ist hier nicht in Absicht, noch ist es zulässig, auf die Ausführung des Platzes in fortificatorischer Hinsicht näher einzugehen. Zwei Namen, Brese und Prittwitz, sind mit ihm untrennbar verbunden und werden fortleben, fo lange die gewaltigen Mauern dauern. — Die Ausgaben, welche der Bau von Po¬ sen veranlaßte, habe ich verschieden, einerseits aus sieben bis acht Millionen, andrerseits auf zwölf Millionen Thaler angeben hören. Auch die größere Summe ist für das, was man dadurch für die Monarchie gewonnen hat, nicht zu hoch; für alle Zeiten ist damit eine förmliche Ueberraschung Preußens durch einen plötzlichen Angriff Rußlands unmöglich gemacht; denn diese Festung gebietet dem Marsch gegen den Herzpunkt der Monarchie Stand, er mag ge¬ schehen, aus welcher Richtung der gegebenen Grenze er immerhin wolle. Der Bau von Posen nahm während der letzten zehn Regierungsjahre des Königs Friedrich Wilhelm III. nahezu die volle Summe des Jngenieur- budgcts des Staats in Anspruch. Bei den damals noch ungleich spärlicher wie jetzt entwickelten finanziellen Hilfsmitteln des Staates konnte man nicht füglich mehr thun. Aber Friedrich Wilhelm IV. hatte kaum den Thron be¬ stiegen, als es feststand, daß man in den entscheidenden Regionen den Augenblick für gekommen erachtete, um eine neue Festung von mock größerem Umfang wie Posen und unter zu Grundelegung derselben Bcfcstignngsmanier in Angriff zu nehmen; es war dies Königsberg. Zugleich entschied man sich für die Fortificirung von Lötzcn. Die Umwandlung der Hauptstadt von Altpreußen in einen Platz ersten Ranges will nach Maßgabe anderer Verhältnisse und Beziehungen gewürdigt sein, wie der Bau von Posen. Wenn die Anlage der letzteren Festung ankün¬ digte, wie Preußen einer überraschenden Offensive entgegenzutreten gesonnen sei, so kündete die Auswahl Königsbergs zum Hauptwaffenplatz an, daß man dabei auf den Gedanken nicht verzichte, seinerseits eine angriffsweise Ver¬ theidigung zu führen und in keinem Falle geneigt sei, auch für den Fall einer Ueberraschung, blos aus Grund derselben eine ganze Provinz zu räumen. Insofern war Königsberg die kühnere strategische Anlage, entsprechend dem kühnerem politischen Geist, der mit dem Regierungswechsel in der Monarchie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/271>, abgerufen am 22.12.2024.