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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Geld und Lebensart besitze sie und wisse einen Bessern zu finden. L!in
eg-nenöi-o! -- In einer Risposta auf die Vorwürfe MenneclM räumt die
Geschmähete ein, sie haben 100 Liebhaber, Sergeanten, Schneiderund andere
gute Leute, Mennech6 möge seiner Wege gehen. In einer dieser Canzonen
klagt ein Bräutigam, seine Braut esse zu viel, werde immer runder, spatziere,
und sei mit jedermann gut Freund, während alle Welt sage, eine Liebende
werde blaß, mager, melancholisch und verkehre nur noch mit den Sternen.
Auch hier klingts derb aus dem Walde zurück. Sie thue, was ihr anstehe,
werde essen, daß sie "rund und majestätisch bis zum Bersten" werde. Er sei
ein Naseweis, und sie sehe ihn mit dem Rücken an. -- Die Angst, abzuma¬
gern vor lauter Liebesleid, sprechen die meisten Liebesklagen aus. In dem
römischen Liede II Noretto versichert das Mädchen, wenn sie ihren Mohren
nicht heirathen dürfe, gehe ihre Gesundheit zu Grunde. Vergebens stellt ihr
die Mutter die Armuth des Mohren vor, und verspricht ihr zu nächstem Jahr
marke eine schöne Schürze, -- sie behauptet, die Gesundheit halte es nicht'
aus. -- Erbauliche Selbstschau auch stellt ?in Agostino Clementis Canzone
"(Zu6 ins, vvßlio c> marito" eine Florentinerin über die Ehelosigkeit an. "Ich
halte dies einsame Leben nicht länger aus. Ng.ma nig,! Laß mich heirathen!
Schon vor drei Jahren verliebte ich mich und verlor die Farbe. Jetzt fange
ich an, wie eine alte Jungfer. sauer zu werden. Haut und Knochen trocknen
zusammen. Die Leber macht mit Gewalt den Geist krank. Warum durften
Teresa und Luisella heirathen und ich nicht? Liegt doch die Aussteuer bereit
und Ringe und Kleider dazu. Dabei verstehe ich mich auf Handarbeiten und
Antoniello ist ein braver Bursch. Himmel, welches Glück, wenn er Abends
an mein Fenster kommt und ich, mit sauber gerollten Haarlöckchen um den
Kopf, dasitze und mit ihm schwatzen kann. Aber immer genügt das nicht.
Wahrhaftig, ich vertrockne wie eine überjührige Schaflaus?"

Die schöne Markincia gesteht ihre Liebe mit dem Zusatz, aus einer Mai¬
rose sei sie allmälig zu einer Tvdtenblume geworden.

Wir sagten schon, daß ein Liebeslied selten ohne Bezug auf Hochzeits¬
festlichkeiten bleibt. Während der Werdende von diesen Dingen mehr ober¬
flächlich redet und sie nur anführt, um seine Werbung ernstlich erscheinen zu
lassen, geht das Mädchen gern ins Detail. In der poetischen Risposta des
Baron Zezza auf Agostino Clementis ?runo amore ruft sie dem Jugend¬
geliebten die ersten Kinderspiele, dann die Stelldicheins ins Gedächtniß und
verbreitet sich endlich mit Behagen über ihre Hochzeitsvorbereitungen: der
Kuchen sei schon gebacken, die Aussteuer liege bereit, der Hochzeitsbitter sei
bestellt. Wo ein längerer Brautstand nicht schon über die ehrbaren Absichten
des Liebhabers Beruhigung gibt, da heißes: das Weitere nach der Hochzeit!
oder auch: sprecht mit Mama, fraget Papa. Meist wird der kürzeste Heiraths-


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Geld und Lebensart besitze sie und wisse einen Bessern zu finden. L!in
eg-nenöi-o! — In einer Risposta auf die Vorwürfe MenneclM räumt die
Geschmähete ein, sie haben 100 Liebhaber, Sergeanten, Schneiderund andere
gute Leute, Mennech6 möge seiner Wege gehen. In einer dieser Canzonen
klagt ein Bräutigam, seine Braut esse zu viel, werde immer runder, spatziere,
und sei mit jedermann gut Freund, während alle Welt sage, eine Liebende
werde blaß, mager, melancholisch und verkehre nur noch mit den Sternen.
Auch hier klingts derb aus dem Walde zurück. Sie thue, was ihr anstehe,
werde essen, daß sie „rund und majestätisch bis zum Bersten" werde. Er sei
ein Naseweis, und sie sehe ihn mit dem Rücken an. — Die Angst, abzuma¬
gern vor lauter Liebesleid, sprechen die meisten Liebesklagen aus. In dem
römischen Liede II Noretto versichert das Mädchen, wenn sie ihren Mohren
nicht heirathen dürfe, gehe ihre Gesundheit zu Grunde. Vergebens stellt ihr
die Mutter die Armuth des Mohren vor, und verspricht ihr zu nächstem Jahr
marke eine schöne Schürze, — sie behauptet, die Gesundheit halte es nicht'
aus. — Erbauliche Selbstschau auch stellt ?in Agostino Clementis Canzone
„(Zu6 ins, vvßlio c> marito" eine Florentinerin über die Ehelosigkeit an. „Ich
halte dies einsame Leben nicht länger aus. Ng.ma nig,! Laß mich heirathen!
Schon vor drei Jahren verliebte ich mich und verlor die Farbe. Jetzt fange
ich an, wie eine alte Jungfer. sauer zu werden. Haut und Knochen trocknen
zusammen. Die Leber macht mit Gewalt den Geist krank. Warum durften
Teresa und Luisella heirathen und ich nicht? Liegt doch die Aussteuer bereit
und Ringe und Kleider dazu. Dabei verstehe ich mich auf Handarbeiten und
Antoniello ist ein braver Bursch. Himmel, welches Glück, wenn er Abends
an mein Fenster kommt und ich, mit sauber gerollten Haarlöckchen um den
Kopf, dasitze und mit ihm schwatzen kann. Aber immer genügt das nicht.
Wahrhaftig, ich vertrockne wie eine überjührige Schaflaus?"

Die schöne Markincia gesteht ihre Liebe mit dem Zusatz, aus einer Mai¬
rose sei sie allmälig zu einer Tvdtenblume geworden.

Wir sagten schon, daß ein Liebeslied selten ohne Bezug auf Hochzeits¬
festlichkeiten bleibt. Während der Werdende von diesen Dingen mehr ober¬
flächlich redet und sie nur anführt, um seine Werbung ernstlich erscheinen zu
lassen, geht das Mädchen gern ins Detail. In der poetischen Risposta des
Baron Zezza auf Agostino Clementis ?runo amore ruft sie dem Jugend¬
geliebten die ersten Kinderspiele, dann die Stelldicheins ins Gedächtniß und
verbreitet sich endlich mit Behagen über ihre Hochzeitsvorbereitungen: der
Kuchen sei schon gebacken, die Aussteuer liege bereit, der Hochzeitsbitter sei
bestellt. Wo ein längerer Brautstand nicht schon über die ehrbaren Absichten
des Liebhabers Beruhigung gibt, da heißes: das Weitere nach der Hochzeit!
oder auch: sprecht mit Mama, fraget Papa. Meist wird der kürzeste Heiraths-


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[0235] Geld und Lebensart besitze sie und wisse einen Bessern zu finden. L!in eg-nenöi-o! — In einer Risposta auf die Vorwürfe MenneclM räumt die Geschmähete ein, sie haben 100 Liebhaber, Sergeanten, Schneiderund andere gute Leute, Mennech6 möge seiner Wege gehen. In einer dieser Canzonen klagt ein Bräutigam, seine Braut esse zu viel, werde immer runder, spatziere, und sei mit jedermann gut Freund, während alle Welt sage, eine Liebende werde blaß, mager, melancholisch und verkehre nur noch mit den Sternen. Auch hier klingts derb aus dem Walde zurück. Sie thue, was ihr anstehe, werde essen, daß sie „rund und majestätisch bis zum Bersten" werde. Er sei ein Naseweis, und sie sehe ihn mit dem Rücken an. — Die Angst, abzuma¬ gern vor lauter Liebesleid, sprechen die meisten Liebesklagen aus. In dem römischen Liede II Noretto versichert das Mädchen, wenn sie ihren Mohren nicht heirathen dürfe, gehe ihre Gesundheit zu Grunde. Vergebens stellt ihr die Mutter die Armuth des Mohren vor, und verspricht ihr zu nächstem Jahr marke eine schöne Schürze, — sie behauptet, die Gesundheit halte es nicht' aus. — Erbauliche Selbstschau auch stellt ?in Agostino Clementis Canzone „(Zu6 ins, vvßlio c> marito" eine Florentinerin über die Ehelosigkeit an. „Ich halte dies einsame Leben nicht länger aus. Ng.ma nig,! Laß mich heirathen! Schon vor drei Jahren verliebte ich mich und verlor die Farbe. Jetzt fange ich an, wie eine alte Jungfer. sauer zu werden. Haut und Knochen trocknen zusammen. Die Leber macht mit Gewalt den Geist krank. Warum durften Teresa und Luisella heirathen und ich nicht? Liegt doch die Aussteuer bereit und Ringe und Kleider dazu. Dabei verstehe ich mich auf Handarbeiten und Antoniello ist ein braver Bursch. Himmel, welches Glück, wenn er Abends an mein Fenster kommt und ich, mit sauber gerollten Haarlöckchen um den Kopf, dasitze und mit ihm schwatzen kann. Aber immer genügt das nicht. Wahrhaftig, ich vertrockne wie eine überjührige Schaflaus?" Die schöne Markincia gesteht ihre Liebe mit dem Zusatz, aus einer Mai¬ rose sei sie allmälig zu einer Tvdtenblume geworden. Wir sagten schon, daß ein Liebeslied selten ohne Bezug auf Hochzeits¬ festlichkeiten bleibt. Während der Werdende von diesen Dingen mehr ober¬ flächlich redet und sie nur anführt, um seine Werbung ernstlich erscheinen zu lassen, geht das Mädchen gern ins Detail. In der poetischen Risposta des Baron Zezza auf Agostino Clementis ?runo amore ruft sie dem Jugend¬ geliebten die ersten Kinderspiele, dann die Stelldicheins ins Gedächtniß und verbreitet sich endlich mit Behagen über ihre Hochzeitsvorbereitungen: der Kuchen sei schon gebacken, die Aussteuer liege bereit, der Hochzeitsbitter sei bestellt. Wo ein längerer Brautstand nicht schon über die ehrbaren Absichten des Liebhabers Beruhigung gibt, da heißes: das Weitere nach der Hochzeit! oder auch: sprecht mit Mama, fraget Papa. Meist wird der kürzeste Heiraths- 29*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/235>, abgerufen am 27.07.2024.