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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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und Botschafter in London gewesen, und niemand war in der Kammer, der
ihn zurecht wies! -- solche Vorgänge Volumen, wie'der Engländer
sagt, Er wollte jedes andere qunsiconservative Ministerium unmöglich machen
und strebte mit fast kindischem Ehrgeiz nach dem Titel des Conseilpräsidenten:
daß er, obwol er selbst kein Geld nahm, dabei doch nicht wählerisch in den
Mitteln war, zeigen die Korrespondenzen der Revue Netrospective. er war in
allen Praktiken zu Hause, durch welche Anhänger gewonnen und erhalten wer¬
den. So zog er sich das zermalmende Wort von L'herbctte zu: vu 1s
dei.i'tut'6 cle 1s, i'öliAioir Kur un autrs tMu-er-v, avimt ac voll' "ni- Is ttrsg-K-e
xoliti^us Is t^rente cle ig. xi-oditü", -- und konnte den Reden von Barrot,
Thiers. Remusat in, nur eine affectirte Gleichgiltigkeit und Phrasen entgegen¬
sehen. Darauf wird auch die Antwort hinauslaufen, welche er. wie es heißt,
auf die normanbyschen Memoiren geben will.

Der Marquis übergeht, wie er zugesagt, die Einzelheiten der spanischen
Heirathen, aber bemerkt doch, was später die Enthüllungen der Revue Netro¬
spective bewiesen, daß Louis Philipp hier weniger schuldig als man glaubte;
er hatte keinen vorher festgestellten Plan, sondern Guizot kam den halbgebil¬
deter Absichten des Königs zuvor und Brcsson ging über seine Jnstructionen
hinaus. Die Unterstützung des Sonderbundes, der Wasfenschmuggel für den¬
selben, wobei der Minister seine eigne Zollbehörde betrog. Krakau --- alles
das waren schlimme Schläge für eine Regierung, die auf dem Felde der aus¬
wärtigen Politik überhaupt seit 1839 keine Lorbeeren geerntet.

Zu den großen Schwierigkeiten, welche Louis Philipp sein erster Minister
schuf, kamen noch die, welche er sich selbst bereitete. Man kann nachsichtig
über seine Thronbesteigung hinweggehen und annehmen, daß die Ereignisse
auf ihn eben solchen Druck ausübten als auf die, welche ihm die Krone boten;
der Verfasser bemerkt auch, er wolle nicht darauf Gewicht legen, daß er nicht
alle großen Hoffnungen erfüllt habe, welche seine Erhebung erweckte, aber sagt,
sein Benehmen gegen jeden Staatsmann, den seine Negierung hervorgebracht
habe, sei so gewesen, daß es zuletzt keinen einzigen mehr gab, der den leisesten
Glanben an seine Aufrichtigkeit bewahrte. Das wurde ihm vor allem bei
dem letzten Versuch, ein neues Ministerium zu bilden, so verderblich; als Du-
vergier de Haurannc das Volk durch die Nachricht von dem neuen Cabinet
beruhigen wollte, sagte man ihm an mehren Barrikaden: "Sie werden sehen,
der alte Mann wird Sie betrügen, wie er jeden betrogen, der mit ihm zu
thun gehabt hat." -- Persönliche Würde zeigte er nie. am wenigsten bei sei¬
ner Abdankung und Flucht. Sein Geschick bestand in der Balancirung der
verschiednen Interessen; wie niemand verstand er es, feindliche Persönlichkeiten
und Parteien sich neutralisiren zu lassen. Er wollte die Institutionen nicht
erweitern, sondern dachte die Schwierigkeiten zu überwinden, indem er seine


und Botschafter in London gewesen, und niemand war in der Kammer, der
ihn zurecht wies! — solche Vorgänge Volumen, wie'der Engländer
sagt, Er wollte jedes andere qunsiconservative Ministerium unmöglich machen
und strebte mit fast kindischem Ehrgeiz nach dem Titel des Conseilpräsidenten:
daß er, obwol er selbst kein Geld nahm, dabei doch nicht wählerisch in den
Mitteln war, zeigen die Korrespondenzen der Revue Netrospective. er war in
allen Praktiken zu Hause, durch welche Anhänger gewonnen und erhalten wer¬
den. So zog er sich das zermalmende Wort von L'herbctte zu: vu 1s
dei.i'tut'6 cle 1s, i'öliAioir Kur un autrs tMu-er-v, avimt ac voll' «ni- Is ttrsg-K-e
xoliti^us Is t^rente cle ig. xi-oditü", — und konnte den Reden von Barrot,
Thiers. Remusat in, nur eine affectirte Gleichgiltigkeit und Phrasen entgegen¬
sehen. Darauf wird auch die Antwort hinauslaufen, welche er. wie es heißt,
auf die normanbyschen Memoiren geben will.

Der Marquis übergeht, wie er zugesagt, die Einzelheiten der spanischen
Heirathen, aber bemerkt doch, was später die Enthüllungen der Revue Netro¬
spective bewiesen, daß Louis Philipp hier weniger schuldig als man glaubte;
er hatte keinen vorher festgestellten Plan, sondern Guizot kam den halbgebil¬
deter Absichten des Königs zuvor und Brcsson ging über seine Jnstructionen
hinaus. Die Unterstützung des Sonderbundes, der Wasfenschmuggel für den¬
selben, wobei der Minister seine eigne Zollbehörde betrog. Krakau -— alles
das waren schlimme Schläge für eine Regierung, die auf dem Felde der aus¬
wärtigen Politik überhaupt seit 1839 keine Lorbeeren geerntet.

Zu den großen Schwierigkeiten, welche Louis Philipp sein erster Minister
schuf, kamen noch die, welche er sich selbst bereitete. Man kann nachsichtig
über seine Thronbesteigung hinweggehen und annehmen, daß die Ereignisse
auf ihn eben solchen Druck ausübten als auf die, welche ihm die Krone boten;
der Verfasser bemerkt auch, er wolle nicht darauf Gewicht legen, daß er nicht
alle großen Hoffnungen erfüllt habe, welche seine Erhebung erweckte, aber sagt,
sein Benehmen gegen jeden Staatsmann, den seine Negierung hervorgebracht
habe, sei so gewesen, daß es zuletzt keinen einzigen mehr gab, der den leisesten
Glanben an seine Aufrichtigkeit bewahrte. Das wurde ihm vor allem bei
dem letzten Versuch, ein neues Ministerium zu bilden, so verderblich; als Du-
vergier de Haurannc das Volk durch die Nachricht von dem neuen Cabinet
beruhigen wollte, sagte man ihm an mehren Barrikaden: „Sie werden sehen,
der alte Mann wird Sie betrügen, wie er jeden betrogen, der mit ihm zu
thun gehabt hat." — Persönliche Würde zeigte er nie. am wenigsten bei sei¬
ner Abdankung und Flucht. Sein Geschick bestand in der Balancirung der
verschiednen Interessen; wie niemand verstand er es, feindliche Persönlichkeiten
und Parteien sich neutralisiren zu lassen. Er wollte die Institutionen nicht
erweitern, sondern dachte die Schwierigkeiten zu überwinden, indem er seine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/184>, abgerufen am 22.12.2024.