Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.Wie in allen italienischen Städten, so war auch in Bologna die Bürger- Wie in allen italienischen Städten, so war auch in Bologna die Bürger- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105409"/> <p xml:id="ID_299" next="#ID_300"> Wie in allen italienischen Städten, so war auch in Bologna die Bürger-<lb/> schaft bedacht, die Periode ihrer höchsten Macht und Blute nicht ohne eine<lb/> monumentale Stiftung, die ihr Andenken auf die Nachwelt bringen sollte,<lb/> vorübergehen zu lassen. Beinahe hundert Jahre später, als der florentiner<lb/> Dom, aber mit ähnlichen hochfligenden Tendenzen und auch in der innern<lb/> Anordnung verwandt, wurde die Kirche Se. Petronio begonnen. Gleich jenem<lb/> zeichnet sich Se. Petronio, dessen Mauern nicht weniger als acht Kirchen<lb/> weichen mußten, durch überaus weit gespannte Bogen aus, überragt ihn aber<lb/> durch die malerische Umgürtung der mittleren Kuppel mit vier schlanken Thür¬<lb/> men. Doch nein, er überragt und überstrahlt den florentiner Dom nicht, es<lb/> blieb bei der guten Absicht. Wie die meisten mittelalterlichen Kathedralen<lb/> hatte Se. Petronio das Schicksal, unvollendet, halb Fragment, halb Ruine<lb/> aus die folgenden Jahrhunderte zu gelangen. Das 16. Jahrhundert kam<lb/> heran, und schaute nur das dreischiffige Langhaus mit den Kapcllemeihen<lb/> zur Seite fortgeschritten, und auch hier Fährte und Wölbung fehlend. Der<lb/> Aufrichtung der ersteren wandte sich zunächst die Aufmerksamkeit zu. Aber<lb/> gleich der erste Baumeister, von dessen Plane im 16. Jahrhunderte (1514)<lb/> wir Kunde haben, ein gewisser, sonst wenig bekannter Arduino Arriguzzi, kommt<lb/> übel weg. Wie er selbst in einem Rechtfertigungsschreiben klagt, haben sich<lb/> in Bologna, seitdem man den Bau wieder aufgenommen, so viele Genies<lb/> und Baukünstler erhoben, als man deren kaum in der ganzen weiten Welt<lb/> vermuthet hätte. Alles, vom Pfaffen und Schulmeister bis zum Handwerker<lb/> und Bauer, ja selbst bis zum Last- und Wasserträger herab, spielt den Archi¬<lb/> tekten und kramt eine wohlfeile Weisheit aus. Sein Entwurf erleidet von<lb/> der Locailritik, die stets auf die Seite der alten Gothik sich stellt, heftige<lb/> Angriffe und wird — zurückgelegt, ein Schicksal, das er mit gar vielen spä¬<lb/> teren Bauplänen theilt, und welchem auch die Arbeiten der berühmtesten<lb/> Architekten jenes Zeitalters nicht entgingen. Der damalige löbliche Bauvor¬<lb/> stand von Se. Petronio gab unseren hochpreislichen Baubehörden an Schwäche<lb/> und Unklarheit, an Liebe zur Vielschreibern und Verschleppung der Geschäfte<lb/> nichts nach. Allen Parteien und allen Anforderungen will er genügen. Er<lb/> sieht wie nahe der alte gothische Bau von Se. Petronio der Bürgerschaft am<lb/> Herzen liegt und setzt daher als Bedingung fest, man möge bei den neuen<lb/> Entwürfen das schon Vorhandene nicht etwa als eine Ruine, eben nur gut,<lb/> abgebrochen zu werden, behandeln. Auf der anderen Seite prickelt ihn die<lb/> Eitelkeit, einen berühmten Namen sich dienstbar zu machen. Er vergißt, daß<lb/> die Modearchitekten verächtlich von der Gothik denken — es ist mir ein saures<lb/> Lob, das Pellegrini, der Mailänder Dombaumeister, 1582 dem gothischen<lb/> Stile ertheilt: die Regeln desselben seien viel verständiger, als die Meisten<lb/> glauben — und um keinen Preis ihre Originalität dem alten Werk unter-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
Wie in allen italienischen Städten, so war auch in Bologna die Bürger-
schaft bedacht, die Periode ihrer höchsten Macht und Blute nicht ohne eine
monumentale Stiftung, die ihr Andenken auf die Nachwelt bringen sollte,
vorübergehen zu lassen. Beinahe hundert Jahre später, als der florentiner
Dom, aber mit ähnlichen hochfligenden Tendenzen und auch in der innern
Anordnung verwandt, wurde die Kirche Se. Petronio begonnen. Gleich jenem
zeichnet sich Se. Petronio, dessen Mauern nicht weniger als acht Kirchen
weichen mußten, durch überaus weit gespannte Bogen aus, überragt ihn aber
durch die malerische Umgürtung der mittleren Kuppel mit vier schlanken Thür¬
men. Doch nein, er überragt und überstrahlt den florentiner Dom nicht, es
blieb bei der guten Absicht. Wie die meisten mittelalterlichen Kathedralen
hatte Se. Petronio das Schicksal, unvollendet, halb Fragment, halb Ruine
aus die folgenden Jahrhunderte zu gelangen. Das 16. Jahrhundert kam
heran, und schaute nur das dreischiffige Langhaus mit den Kapcllemeihen
zur Seite fortgeschritten, und auch hier Fährte und Wölbung fehlend. Der
Aufrichtung der ersteren wandte sich zunächst die Aufmerksamkeit zu. Aber
gleich der erste Baumeister, von dessen Plane im 16. Jahrhunderte (1514)
wir Kunde haben, ein gewisser, sonst wenig bekannter Arduino Arriguzzi, kommt
übel weg. Wie er selbst in einem Rechtfertigungsschreiben klagt, haben sich
in Bologna, seitdem man den Bau wieder aufgenommen, so viele Genies
und Baukünstler erhoben, als man deren kaum in der ganzen weiten Welt
vermuthet hätte. Alles, vom Pfaffen und Schulmeister bis zum Handwerker
und Bauer, ja selbst bis zum Last- und Wasserträger herab, spielt den Archi¬
tekten und kramt eine wohlfeile Weisheit aus. Sein Entwurf erleidet von
der Locailritik, die stets auf die Seite der alten Gothik sich stellt, heftige
Angriffe und wird — zurückgelegt, ein Schicksal, das er mit gar vielen spä¬
teren Bauplänen theilt, und welchem auch die Arbeiten der berühmtesten
Architekten jenes Zeitalters nicht entgingen. Der damalige löbliche Bauvor¬
stand von Se. Petronio gab unseren hochpreislichen Baubehörden an Schwäche
und Unklarheit, an Liebe zur Vielschreibern und Verschleppung der Geschäfte
nichts nach. Allen Parteien und allen Anforderungen will er genügen. Er
sieht wie nahe der alte gothische Bau von Se. Petronio der Bürgerschaft am
Herzen liegt und setzt daher als Bedingung fest, man möge bei den neuen
Entwürfen das schon Vorhandene nicht etwa als eine Ruine, eben nur gut,
abgebrochen zu werden, behandeln. Auf der anderen Seite prickelt ihn die
Eitelkeit, einen berühmten Namen sich dienstbar zu machen. Er vergißt, daß
die Modearchitekten verächtlich von der Gothik denken — es ist mir ein saures
Lob, das Pellegrini, der Mailänder Dombaumeister, 1582 dem gothischen
Stile ertheilt: die Regeln desselben seien viel verständiger, als die Meisten
glauben — und um keinen Preis ihre Originalität dem alten Werk unter-
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