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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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ordne" wollen. Natürlich gelingt es keinem Plane, die allgemein, ^her,,-
Murg für sich zu gewinnen. Kaum ist ein solcher bekannt geworden, so erhebt
die Localkritik ihre tadelnde Stimme und raubt dem Bauvorstande den Muth
der Entscheidung. Dieser hilft sich, indem er über den vorgelegten Entwurf
einem dritten Architekten ein Gutachten abfordert. Damals wie heutzutage war
die Natur der Architekten dieselbe. Jeder dieser "uomini occ-plani" glaubt es
besser machen zu können und sendet statt des Gntachtens einen wesentlich ver¬
besserten Plan ein. Das Kirchenarchiv vou Se. Petronio wird bereichert --
es besitzt noch gegenwärtig mehr als dreißig Entwürfe -- aber der Bau selbst
rückt nicht vorwärts.

Peruzzis Plan (I52t) erscheint wegen seiner geringen Uebereinstimmung
mit den alten Theilen unbrauchbar, ihm folgen Giulio Romano, dessen im
gothischen Stil entworfene Fährte wenigstens als Kuriosität die Veröffent¬
lichung, verdiente, Varignano, Vignola (1547) und Nanuzzi., Die beiden
letzteren standen in heftigem Gegensatze und wechselten Streitschriften. Der
Bauvorstand ließ sie kämpfen, sammelte, was sie als-Angriff und Verthei¬
digung vorbrachten, aber das Werk machte keinen Fortschritt. Endlich ermannte
er sich zu einer kühnen That, und knüpfte mit Andrea Pallndio Unterhand¬
lungen an (1572).

Francesco und Fabio aus dem Geschlechte der Pepoli, welches mit den
Bentivoglis im Mittelalter an der Spitze Bolognas gestanden, übernahmen
die Vermittlung. Anfangs scheint sich alles zum Besten zu gestalten. Nach¬
dem Fabio Pepoli in Venedig sich des guten Willens Palladios versichert, wird
dieser, von den Bauherrn nach Bologna berufen. Er kommt, besichtigt das
Werk, prüft die Pläne, entscheidet sich für den Entwurf Terribilias als den
verhältnißmüßig besten, ändert diesen in Einzelnheiten ab, und man beginnt
endlich zur eigentlichen Bauführung zu schreiten. Kaum aber- steigen die
Fa^ndenpfeiler empor, so erheben die Baumeister und Kunstbeflissenen von
Bologna wieder einen argen Lärm. Sie sehen durch die Mischung gothischer
und moderner Motives die Einheit undZ Harmonie des Baues gefährdet, und
bezweifeln selbst die Festigkeit und Tragkraft des Neubegonnenen. Während
man dem Ziele sich näher gerückt glaubte, wuchs nur, wie Conte Pepoli in
einem Bries an Palladio (1S77) versichert, die Confusion. Man kann von
dem großen Meister von Vicenza nicht erwarten, daß er die herbe Kritik seiner
Arbeit gleichmüthig ausnehme. Die Confusion, die er verursacht haben soll,
schleudert er den Freunden und Verehrern der Gothik auf den Kopf. "Die
deutsche Weise," ruft er ergrimmt aus, "könnte man eher eine Confusion als
eine Architektur nennen." Es ist wahr, er hat korinthische und römische For¬
men auf gothische gestützt. Aber haben denn die Alten nicht Aehnliches ge¬
than und die Natur nachahmend auf schwere dorische Säulen und massives


ordne» wollen. Natürlich gelingt es keinem Plane, die allgemein, ^her,,-
Murg für sich zu gewinnen. Kaum ist ein solcher bekannt geworden, so erhebt
die Localkritik ihre tadelnde Stimme und raubt dem Bauvorstande den Muth
der Entscheidung. Dieser hilft sich, indem er über den vorgelegten Entwurf
einem dritten Architekten ein Gutachten abfordert. Damals wie heutzutage war
die Natur der Architekten dieselbe. Jeder dieser „uomini occ-plani" glaubt es
besser machen zu können und sendet statt des Gntachtens einen wesentlich ver¬
besserten Plan ein. Das Kirchenarchiv vou Se. Petronio wird bereichert —
es besitzt noch gegenwärtig mehr als dreißig Entwürfe — aber der Bau selbst
rückt nicht vorwärts.

Peruzzis Plan (I52t) erscheint wegen seiner geringen Uebereinstimmung
mit den alten Theilen unbrauchbar, ihm folgen Giulio Romano, dessen im
gothischen Stil entworfene Fährte wenigstens als Kuriosität die Veröffent¬
lichung, verdiente, Varignano, Vignola (1547) und Nanuzzi., Die beiden
letzteren standen in heftigem Gegensatze und wechselten Streitschriften. Der
Bauvorstand ließ sie kämpfen, sammelte, was sie als-Angriff und Verthei¬
digung vorbrachten, aber das Werk machte keinen Fortschritt. Endlich ermannte
er sich zu einer kühnen That, und knüpfte mit Andrea Pallndio Unterhand¬
lungen an (1572).

Francesco und Fabio aus dem Geschlechte der Pepoli, welches mit den
Bentivoglis im Mittelalter an der Spitze Bolognas gestanden, übernahmen
die Vermittlung. Anfangs scheint sich alles zum Besten zu gestalten. Nach¬
dem Fabio Pepoli in Venedig sich des guten Willens Palladios versichert, wird
dieser, von den Bauherrn nach Bologna berufen. Er kommt, besichtigt das
Werk, prüft die Pläne, entscheidet sich für den Entwurf Terribilias als den
verhältnißmüßig besten, ändert diesen in Einzelnheiten ab, und man beginnt
endlich zur eigentlichen Bauführung zu schreiten. Kaum aber- steigen die
Fa^ndenpfeiler empor, so erheben die Baumeister und Kunstbeflissenen von
Bologna wieder einen argen Lärm. Sie sehen durch die Mischung gothischer
und moderner Motives die Einheit undZ Harmonie des Baues gefährdet, und
bezweifeln selbst die Festigkeit und Tragkraft des Neubegonnenen. Während
man dem Ziele sich näher gerückt glaubte, wuchs nur, wie Conte Pepoli in
einem Bries an Palladio (1S77) versichert, die Confusion. Man kann von
dem großen Meister von Vicenza nicht erwarten, daß er die herbe Kritik seiner
Arbeit gleichmüthig ausnehme. Die Confusion, die er verursacht haben soll,
schleudert er den Freunden und Verehrern der Gothik auf den Kopf. „Die
deutsche Weise," ruft er ergrimmt aus, „könnte man eher eine Confusion als
eine Architektur nennen." Es ist wahr, er hat korinthische und römische For¬
men auf gothische gestützt. Aber haben denn die Alten nicht Aehnliches ge¬
than und die Natur nachahmend auf schwere dorische Säulen und massives


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/133>, abgerufen am 27.07.2024.