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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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schwamm und Gewandtheit und Kraft von den Bravos der Zuschauer belohnt
wurden. Dagegen auf den öffentlichen Spaziergängen zeigten sich auch Frauen.
Hier wandelte man zwischen Buxhecken oder im Schatten von Platanen- und
Lorbceralleen, um die sich Säulenhallen zogen, mit Statuen, Bildern und kost¬
baren Teppichen reich geschmückt. Hier sah man zierlich gekleidete Männer
neben Sänften von Frauen gehn, und den Sonnenschirm über sie halten.
Auch die Schauspiele wurden als Orte der geselligen Unterhaltung benutzt,
und wenigstens im Circus saßen Männer und Frauen zuscunmeu. Endlich
die Tempel waren als Orte der Verführung förmlich verrufen, am meisten
die der ägyptischen Gottheiten, und ein unter Tiberius in die Öffentlichkeit
gelangtes schandbares Ereigniß bewirkte damals scharfe Maßregeln gegen die¬
sen Gottesdienst. Ein römischer Ritter hatte im EinVerständniß mit den
Priestern eine angesehene Frau unter der Maske des hundsköpfigen Gottes
Anubis verführt, und sie war naiv genug gewesen, sich der ihr zu Theil gewor¬
denen Ehre gegen ihre Freundinnen zu rühmen.

Auch an den Gastmählern nahmen Frauen Theil. Neuvermählte mußten
oft gleich nach der Hochzeit eine Reihe von solchen ihnen zu Ehren veranstal¬
teten Festlichkeiten durchmachen. Hier hatten in der Stadt "wo man des
Lasters lachte und verführen und sich verführen lassen Zeitgeist hieß" (Tacitus),
die Bewerbungen der Männer um die Gunst der Frauen um so mehr Aussicht
aus Erfolg, als sie von so mancher aufregenden Unterhaltung unterstützt zu
sein pflegten; denn üppige spanische Ballete, frivole Scenen und Possen,
schmelzende Musiken wurden den Gästen zur Würze der Tafel, nur zu oft im
Uebermaß, geboten; falls nicht etwa der Hausherr seine eignen Gedichte vor¬
las. Eine von den Herolden Ovids schildert Paris Bemühungen um Helena
an der Tasel seines' Gastfreundes mit den Farben und im Costüm jener Zeit,
die Unsittlichkeit des damaligen Rom spiegelt sich in dein Gedicht aus eine
abschreckende Weise. Die freche Zuversicht des Verführers, der seiner Geliebten
versichert, sie könne nicht so bäurisch sein, eine Schönheit wie die ihre mit Tugend
vereinbar zu halten, und ließen sie die ihnen von Menelaus gebotene Gelegen¬
heit unbenutzt, so würden sie noch dümmer sein als er selbst; die graziöse
Unbefangenheit der schönen Frau, die ohne die mindeste Befremdung zu zeigen
zwar eine ausdrückliche Zusage ablehnt, aber andeutet, daß sie sich überraschen
zu lassen wünscht; endlich die grenzenlose Verachtung, mit der beide auf den
treuherzigen und vertrauensvollen Gemahl herabsetzn -- alles dies sind aus'
dem Leben genommene Züge, und so ist es auch die folgende Schilderung der
gemeinsamen Mahlzeit. Die Schöne fühlt die kühnen unverwandten Blicke
ihres Bewundrers auf sich geheftet; er seufzt, er ergreift ihren. Becher und
berührt ihn an der Stelle mit seinen Lippen, an der sie ihn zum Trinken
angesetzt hat, er macht ihr Zeichen mit Augen und Fingern, er schreibt mit


schwamm und Gewandtheit und Kraft von den Bravos der Zuschauer belohnt
wurden. Dagegen auf den öffentlichen Spaziergängen zeigten sich auch Frauen.
Hier wandelte man zwischen Buxhecken oder im Schatten von Platanen- und
Lorbceralleen, um die sich Säulenhallen zogen, mit Statuen, Bildern und kost¬
baren Teppichen reich geschmückt. Hier sah man zierlich gekleidete Männer
neben Sänften von Frauen gehn, und den Sonnenschirm über sie halten.
Auch die Schauspiele wurden als Orte der geselligen Unterhaltung benutzt,
und wenigstens im Circus saßen Männer und Frauen zuscunmeu. Endlich
die Tempel waren als Orte der Verführung förmlich verrufen, am meisten
die der ägyptischen Gottheiten, und ein unter Tiberius in die Öffentlichkeit
gelangtes schandbares Ereigniß bewirkte damals scharfe Maßregeln gegen die¬
sen Gottesdienst. Ein römischer Ritter hatte im EinVerständniß mit den
Priestern eine angesehene Frau unter der Maske des hundsköpfigen Gottes
Anubis verführt, und sie war naiv genug gewesen, sich der ihr zu Theil gewor¬
denen Ehre gegen ihre Freundinnen zu rühmen.

Auch an den Gastmählern nahmen Frauen Theil. Neuvermählte mußten
oft gleich nach der Hochzeit eine Reihe von solchen ihnen zu Ehren veranstal¬
teten Festlichkeiten durchmachen. Hier hatten in der Stadt „wo man des
Lasters lachte und verführen und sich verführen lassen Zeitgeist hieß" (Tacitus),
die Bewerbungen der Männer um die Gunst der Frauen um so mehr Aussicht
aus Erfolg, als sie von so mancher aufregenden Unterhaltung unterstützt zu
sein pflegten; denn üppige spanische Ballete, frivole Scenen und Possen,
schmelzende Musiken wurden den Gästen zur Würze der Tafel, nur zu oft im
Uebermaß, geboten; falls nicht etwa der Hausherr seine eignen Gedichte vor¬
las. Eine von den Herolden Ovids schildert Paris Bemühungen um Helena
an der Tasel seines' Gastfreundes mit den Farben und im Costüm jener Zeit,
die Unsittlichkeit des damaligen Rom spiegelt sich in dein Gedicht aus eine
abschreckende Weise. Die freche Zuversicht des Verführers, der seiner Geliebten
versichert, sie könne nicht so bäurisch sein, eine Schönheit wie die ihre mit Tugend
vereinbar zu halten, und ließen sie die ihnen von Menelaus gebotene Gelegen¬
heit unbenutzt, so würden sie noch dümmer sein als er selbst; die graziöse
Unbefangenheit der schönen Frau, die ohne die mindeste Befremdung zu zeigen
zwar eine ausdrückliche Zusage ablehnt, aber andeutet, daß sie sich überraschen
zu lassen wünscht; endlich die grenzenlose Verachtung, mit der beide auf den
treuherzigen und vertrauensvollen Gemahl herabsetzn — alles dies sind aus'
dem Leben genommene Züge, und so ist es auch die folgende Schilderung der
gemeinsamen Mahlzeit. Die Schöne fühlt die kühnen unverwandten Blicke
ihres Bewundrers auf sich geheftet; er seufzt, er ergreift ihren. Becher und
berührt ihn an der Stelle mit seinen Lippen, an der sie ihn zum Trinken
angesetzt hat, er macht ihr Zeichen mit Augen und Fingern, er schreibt mit


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[0112] schwamm und Gewandtheit und Kraft von den Bravos der Zuschauer belohnt wurden. Dagegen auf den öffentlichen Spaziergängen zeigten sich auch Frauen. Hier wandelte man zwischen Buxhecken oder im Schatten von Platanen- und Lorbceralleen, um die sich Säulenhallen zogen, mit Statuen, Bildern und kost¬ baren Teppichen reich geschmückt. Hier sah man zierlich gekleidete Männer neben Sänften von Frauen gehn, und den Sonnenschirm über sie halten. Auch die Schauspiele wurden als Orte der geselligen Unterhaltung benutzt, und wenigstens im Circus saßen Männer und Frauen zuscunmeu. Endlich die Tempel waren als Orte der Verführung förmlich verrufen, am meisten die der ägyptischen Gottheiten, und ein unter Tiberius in die Öffentlichkeit gelangtes schandbares Ereigniß bewirkte damals scharfe Maßregeln gegen die¬ sen Gottesdienst. Ein römischer Ritter hatte im EinVerständniß mit den Priestern eine angesehene Frau unter der Maske des hundsköpfigen Gottes Anubis verführt, und sie war naiv genug gewesen, sich der ihr zu Theil gewor¬ denen Ehre gegen ihre Freundinnen zu rühmen. Auch an den Gastmählern nahmen Frauen Theil. Neuvermählte mußten oft gleich nach der Hochzeit eine Reihe von solchen ihnen zu Ehren veranstal¬ teten Festlichkeiten durchmachen. Hier hatten in der Stadt „wo man des Lasters lachte und verführen und sich verführen lassen Zeitgeist hieß" (Tacitus), die Bewerbungen der Männer um die Gunst der Frauen um so mehr Aussicht aus Erfolg, als sie von so mancher aufregenden Unterhaltung unterstützt zu sein pflegten; denn üppige spanische Ballete, frivole Scenen und Possen, schmelzende Musiken wurden den Gästen zur Würze der Tafel, nur zu oft im Uebermaß, geboten; falls nicht etwa der Hausherr seine eignen Gedichte vor¬ las. Eine von den Herolden Ovids schildert Paris Bemühungen um Helena an der Tasel seines' Gastfreundes mit den Farben und im Costüm jener Zeit, die Unsittlichkeit des damaligen Rom spiegelt sich in dein Gedicht aus eine abschreckende Weise. Die freche Zuversicht des Verführers, der seiner Geliebten versichert, sie könne nicht so bäurisch sein, eine Schönheit wie die ihre mit Tugend vereinbar zu halten, und ließen sie die ihnen von Menelaus gebotene Gelegen¬ heit unbenutzt, so würden sie noch dümmer sein als er selbst; die graziöse Unbefangenheit der schönen Frau, die ohne die mindeste Befremdung zu zeigen zwar eine ausdrückliche Zusage ablehnt, aber andeutet, daß sie sich überraschen zu lassen wünscht; endlich die grenzenlose Verachtung, mit der beide auf den treuherzigen und vertrauensvollen Gemahl herabsetzn — alles dies sind aus' dem Leben genommene Züge, und so ist es auch die folgende Schilderung der gemeinsamen Mahlzeit. Die Schöne fühlt die kühnen unverwandten Blicke ihres Bewundrers auf sich geheftet; er seufzt, er ergreift ihren. Becher und berührt ihn an der Stelle mit seinen Lippen, an der sie ihn zum Trinken angesetzt hat, er macht ihr Zeichen mit Augen und Fingern, er schreibt mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/112>, abgerufen am 27.07.2024.