Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.ausübten, zu beobachten, war merkwürdig genug, und grade;" betrübend war Die Bühne war natürlich auf dem Verdeck aufgeschlagen, aber die Decke Man gab die "Blauen Teufel;" eS war drollig, sehr drollig. Niemand Der Vorstellung folgte "daS sternbestreute Banner", ein amerikanisches Zur Situation in Ostindien. Einer der besten Kenner der Verhältnisse in Ostindien, Leopold v. Orlich hat 10'
ausübten, zu beobachten, war merkwürdig genug, und grade;» betrübend war Die Bühne war natürlich auf dem Verdeck aufgeschlagen, aber die Decke Man gab die „Blauen Teufel;" eS war drollig, sehr drollig. Niemand Der Vorstellung folgte „daS sternbestreute Banner", ein amerikanisches Zur Situation in Ostindien. Einer der besten Kenner der Verhältnisse in Ostindien, Leopold v. Orlich hat 10'
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0083" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104818"/> <p xml:id="ID_243" prev="#ID_242"> ausübten, zu beobachten, war merkwürdig genug, und grade;» betrübend war<lb/> es, zu sehen, wie jeder sich Mühe gab, seinen Nachbar zu täuschen und sehr<lb/> gemüthlich und lustig zu sein. Es wurden unaufhörlich Witze gemacht, aber<lb/> schlechte, und des Lachens war kein Ende, aber eS kam nicht vom Herzen;<lb/> man schwelgte bei Tafel und trank die Hälfte deS noch vorhandenen Heidfiek<lb/> aus; man sang Negerlieder, denen es nur an Ton, Rhythmus und Harmonie<lb/> fehlte, die aber diesen Mangel durch Lärm ersetzten; und zuletzt ging eS inS<lb/> Theater.</p><lb/> <p xml:id="ID_244"> Die Bühne war natürlich auf dem Verdeck aufgeschlagen, aber die Decke<lb/> deS Filzzeltes sperrte den Himmel hinaus. Eine große Schisssflagge, die<lb/> Zwischen der Kambuse und den Bollwerken aufgespannt war, diente als Vor¬<lb/> hang und einige Fleischfässer und Lichterkiste» stellten das Parket vor. DaS<lb/> Thermometer stand anfangs auf sechs Grad unter Null; aber die freundlichen<lb/> Elemente stellten bald eine günstigere Temperatur von vier Grad unter Nati her.</p><lb/> <p xml:id="ID_245"> Man gab die „Blauen Teufel;" eS war drollig, sehr drollig. Niemand<lb/> konnte seine Rolle und der Souffleur konnte nicht geläufig genug lesen, um<lb/> sein Amt ganz auszufüllen. Alles und jedes, mochte eS Scherz oder Zorn<lb/> oder ein Gemeinplatz oder eine pathetische Rede sein, ward in dem hochtragischen<lb/> hohlen Tone der Verzweiflung gesprochen; fünf Worte auf einen Ruck oder<lb/> mehr oder weniger, je nach der Geschicklichkeit deS Souffleurs. Annette, die<lb/> erste Liebhaberin des Stückes, war ein sechs Fuß hoher Jrländer, Namens<lb/> Daly, und nahm die Aufmerksamkeiten ihres Liebhabers mit elephantenhafter<lb/> Grazie auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_246"> Der Vorstellung folgte „daS sternbestreute Banner", ein amerikanisches<lb/> Nationallied, dann eine kunstreiche Marseillaise von dem französischen Koch<lb/> Henri; ferner ein Matrosensolotanz von einem vielbegabten Mitglied der SchiffS-<lb/> gesellschafr, einem Matrosen Bruce aufgeführt, wobei das Orchester ein Kame¬<lb/> rad vertrat, der von Zeit zu Zeit von einem Speckfaß aus die Maultrommel spielte.<lb/> Alles fühlte sich sehr glücklich. Am Morgen war ein Wettlaufen über das<lb/> Eis für drei Preise, jeder von einem Flanellhemd und einem guten Trunk.<lb/> Der Tag war Nacht, die Sterne schienen schwach durch den Nebel, das Ther¬<lb/> mometer stand im Minimum auf 16 und im Marimum auf 7 Grad unter Null.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Zur Situation in Ostindien.</head><lb/> <p xml:id="ID_247" next="#ID_248"> Einer der besten Kenner der Verhältnisse in Ostindien, Leopold v. Orlich hat<lb/> soeben unter dem Titel: „Sendschreiben an Lord W. über den Militär¬<lb/> aufstand in Indien, seine Ursachen und Folgen" (Leipzig, G. Mayer) seine Ansicht</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 10'</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
ausübten, zu beobachten, war merkwürdig genug, und grade;» betrübend war
es, zu sehen, wie jeder sich Mühe gab, seinen Nachbar zu täuschen und sehr
gemüthlich und lustig zu sein. Es wurden unaufhörlich Witze gemacht, aber
schlechte, und des Lachens war kein Ende, aber eS kam nicht vom Herzen;
man schwelgte bei Tafel und trank die Hälfte deS noch vorhandenen Heidfiek
aus; man sang Negerlieder, denen es nur an Ton, Rhythmus und Harmonie
fehlte, die aber diesen Mangel durch Lärm ersetzten; und zuletzt ging eS inS
Theater.
Die Bühne war natürlich auf dem Verdeck aufgeschlagen, aber die Decke
deS Filzzeltes sperrte den Himmel hinaus. Eine große Schisssflagge, die
Zwischen der Kambuse und den Bollwerken aufgespannt war, diente als Vor¬
hang und einige Fleischfässer und Lichterkiste» stellten das Parket vor. DaS
Thermometer stand anfangs auf sechs Grad unter Null; aber die freundlichen
Elemente stellten bald eine günstigere Temperatur von vier Grad unter Nati her.
Man gab die „Blauen Teufel;" eS war drollig, sehr drollig. Niemand
konnte seine Rolle und der Souffleur konnte nicht geläufig genug lesen, um
sein Amt ganz auszufüllen. Alles und jedes, mochte eS Scherz oder Zorn
oder ein Gemeinplatz oder eine pathetische Rede sein, ward in dem hochtragischen
hohlen Tone der Verzweiflung gesprochen; fünf Worte auf einen Ruck oder
mehr oder weniger, je nach der Geschicklichkeit deS Souffleurs. Annette, die
erste Liebhaberin des Stückes, war ein sechs Fuß hoher Jrländer, Namens
Daly, und nahm die Aufmerksamkeiten ihres Liebhabers mit elephantenhafter
Grazie auf.
Der Vorstellung folgte „daS sternbestreute Banner", ein amerikanisches
Nationallied, dann eine kunstreiche Marseillaise von dem französischen Koch
Henri; ferner ein Matrosensolotanz von einem vielbegabten Mitglied der SchiffS-
gesellschafr, einem Matrosen Bruce aufgeführt, wobei das Orchester ein Kame¬
rad vertrat, der von Zeit zu Zeit von einem Speckfaß aus die Maultrommel spielte.
Alles fühlte sich sehr glücklich. Am Morgen war ein Wettlaufen über das
Eis für drei Preise, jeder von einem Flanellhemd und einem guten Trunk.
Der Tag war Nacht, die Sterne schienen schwach durch den Nebel, das Ther¬
mometer stand im Minimum auf 16 und im Marimum auf 7 Grad unter Null.
Zur Situation in Ostindien.
Einer der besten Kenner der Verhältnisse in Ostindien, Leopold v. Orlich hat
soeben unter dem Titel: „Sendschreiben an Lord W. über den Militär¬
aufstand in Indien, seine Ursachen und Folgen" (Leipzig, G. Mayer) seine Ansicht
10'
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