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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Hinsichtlich der Bekleidung und sonstigen Ausstattung eines Reisenden
versuche ich praktisch zu sein. Alles Gepäck mit Ausnahme deS wesentlichsten
betrachte ich als Hindernisse und glaube an die Weisheit Titian PealeS, der,
als er sich zu einer Entdeckungsreise um die Welt vorbereitete, nichts kaufte alö
-- einen Becher von Weißblech. Zum Besten armer Teufel, die einen kalten
Winter durchmachen müssen, beschreibe ich ausführlich meinen Anzug, das Er¬
gebniß vieler Versuche und wie ich glaube alle billigen Ansprüche befriedi¬
gend. Hier ist er vom Kopf bis zur Zehe.

Erstlich die Füße. Ein Paar baumwollene Socken unter gerippten wol¬
lenen Strümpfen, die bis zur Hälfte des Schenkels heraufgehen; darüber wasser¬
dichte Eskimostiefeln mit einem Socken von Hundefett, mit der Haarseite in¬
wendig; der Schaft von gegerbter SeehundShaut. Die Sohle mit den Rän¬
dern aufgekrämpl, so daß sie eine wasserdichte Schüssel bildet; dazu ein Streif
Hundepelz als Einfassung und eine Lage reines Stroh auf der Sohle, welche
das elastische Kissen bildet, auf welches der Fuß tritt.

Zweitens die Beine. Ein Paar grobe wollene Unterbeinkleider und da¬
rüber ein Paar Unterbeinkleider von Seehundsfett, genäht mit Rennthier¬
sehnen.

Drittens die Brust. Ein jackenartiger kurzer Rock von Seehundsfett mit
Rennthierpelz gefüttert. Dieses unschätzbare Stück kaufte ich in DiSco auf
meiner Pelzreise, wo ich auch für Mannschaft und Offiziere eine ziemliche An¬
zahl erlangte. ES besteht aus einem mit einer Kapuze versehenen Hemde
von Rennthierfell mit der Haarseite nach Innen, daS bis an die Hüften geht,
also den Beinen ganz freies Spiel läßt und sich -ganz dicht an den Hals an¬
schließt. Man zieht eS an wie ein Hemde und eS ist außer am obern Rande
ganz lose und bequem.

Viertens der Kopf. Unsere Leute tragen meistens Pelzmützen. Ich
trage einen Tiara oder einen Kopfring von Wolfsfellen. Ein vortreffliches
Kleidungsstück! Es läßt den ganzen Scheitel frei und schützt die Ohren und
die Stirn wirksam; bei jedem gewöhnlichen Stand des Wetters und der
Witterung, wenn die Temperatur nicht unter -Is Grad unter Null sinkt, be¬
lästigt mich die Kälte nicht. Ehe ich dieses Kleidungsstück erfand, war meine
Mütze stets voll von gefrornem Wasser, steif und unbehaglich, indem aller
Dunst sofort zu Eis wurde, sobald ich die Mütze abnahm. Ist das Wetter
sehr kalt, so schlage ich die Kapuze in die Höhe; ist eS noch kälter, ich will
sagen, Grad unter Null mit mäßigem Winde, so ziehe ich noch eine
elastische seidene Nachtmütze, die an eine Maske von Wvlfsfell genäht ist,
über Kopf und Gesicht. Um den übermäßigen Niederschlag von Dünsten zu
vermeiden, schneide ich nur zwei Augen hinein und lasse unter der Nasenspitze
eine große Oeffnung zum Sprechen und Athmen frei. Die Oessnungen sind


Grenzboten. IV. -lzg?.

Hinsichtlich der Bekleidung und sonstigen Ausstattung eines Reisenden
versuche ich praktisch zu sein. Alles Gepäck mit Ausnahme deS wesentlichsten
betrachte ich als Hindernisse und glaube an die Weisheit Titian PealeS, der,
als er sich zu einer Entdeckungsreise um die Welt vorbereitete, nichts kaufte alö
— einen Becher von Weißblech. Zum Besten armer Teufel, die einen kalten
Winter durchmachen müssen, beschreibe ich ausführlich meinen Anzug, das Er¬
gebniß vieler Versuche und wie ich glaube alle billigen Ansprüche befriedi¬
gend. Hier ist er vom Kopf bis zur Zehe.

Erstlich die Füße. Ein Paar baumwollene Socken unter gerippten wol¬
lenen Strümpfen, die bis zur Hälfte des Schenkels heraufgehen; darüber wasser¬
dichte Eskimostiefeln mit einem Socken von Hundefett, mit der Haarseite in¬
wendig; der Schaft von gegerbter SeehundShaut. Die Sohle mit den Rän¬
dern aufgekrämpl, so daß sie eine wasserdichte Schüssel bildet; dazu ein Streif
Hundepelz als Einfassung und eine Lage reines Stroh auf der Sohle, welche
das elastische Kissen bildet, auf welches der Fuß tritt.

Zweitens die Beine. Ein Paar grobe wollene Unterbeinkleider und da¬
rüber ein Paar Unterbeinkleider von Seehundsfett, genäht mit Rennthier¬
sehnen.

Drittens die Brust. Ein jackenartiger kurzer Rock von Seehundsfett mit
Rennthierpelz gefüttert. Dieses unschätzbare Stück kaufte ich in DiSco auf
meiner Pelzreise, wo ich auch für Mannschaft und Offiziere eine ziemliche An¬
zahl erlangte. ES besteht aus einem mit einer Kapuze versehenen Hemde
von Rennthierfell mit der Haarseite nach Innen, daS bis an die Hüften geht,
also den Beinen ganz freies Spiel läßt und sich -ganz dicht an den Hals an¬
schließt. Man zieht eS an wie ein Hemde und eS ist außer am obern Rande
ganz lose und bequem.

Viertens der Kopf. Unsere Leute tragen meistens Pelzmützen. Ich
trage einen Tiara oder einen Kopfring von Wolfsfellen. Ein vortreffliches
Kleidungsstück! Es läßt den ganzen Scheitel frei und schützt die Ohren und
die Stirn wirksam; bei jedem gewöhnlichen Stand des Wetters und der
Witterung, wenn die Temperatur nicht unter -Is Grad unter Null sinkt, be¬
lästigt mich die Kälte nicht. Ehe ich dieses Kleidungsstück erfand, war meine
Mütze stets voll von gefrornem Wasser, steif und unbehaglich, indem aller
Dunst sofort zu Eis wurde, sobald ich die Mütze abnahm. Ist das Wetter
sehr kalt, so schlage ich die Kapuze in die Höhe; ist eS noch kälter, ich will
sagen, Grad unter Null mit mäßigem Winde, so ziehe ich noch eine
elastische seidene Nachtmütze, die an eine Maske von Wvlfsfell genäht ist,
über Kopf und Gesicht. Um den übermäßigen Niederschlag von Dünsten zu
vermeiden, schneide ich nur zwei Augen hinein und lasse unter der Nasenspitze
eine große Oeffnung zum Sprechen und Athmen frei. Die Oessnungen sind


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[0081] Hinsichtlich der Bekleidung und sonstigen Ausstattung eines Reisenden versuche ich praktisch zu sein. Alles Gepäck mit Ausnahme deS wesentlichsten betrachte ich als Hindernisse und glaube an die Weisheit Titian PealeS, der, als er sich zu einer Entdeckungsreise um die Welt vorbereitete, nichts kaufte alö — einen Becher von Weißblech. Zum Besten armer Teufel, die einen kalten Winter durchmachen müssen, beschreibe ich ausführlich meinen Anzug, das Er¬ gebniß vieler Versuche und wie ich glaube alle billigen Ansprüche befriedi¬ gend. Hier ist er vom Kopf bis zur Zehe. Erstlich die Füße. Ein Paar baumwollene Socken unter gerippten wol¬ lenen Strümpfen, die bis zur Hälfte des Schenkels heraufgehen; darüber wasser¬ dichte Eskimostiefeln mit einem Socken von Hundefett, mit der Haarseite in¬ wendig; der Schaft von gegerbter SeehundShaut. Die Sohle mit den Rän¬ dern aufgekrämpl, so daß sie eine wasserdichte Schüssel bildet; dazu ein Streif Hundepelz als Einfassung und eine Lage reines Stroh auf der Sohle, welche das elastische Kissen bildet, auf welches der Fuß tritt. Zweitens die Beine. Ein Paar grobe wollene Unterbeinkleider und da¬ rüber ein Paar Unterbeinkleider von Seehundsfett, genäht mit Rennthier¬ sehnen. Drittens die Brust. Ein jackenartiger kurzer Rock von Seehundsfett mit Rennthierpelz gefüttert. Dieses unschätzbare Stück kaufte ich in DiSco auf meiner Pelzreise, wo ich auch für Mannschaft und Offiziere eine ziemliche An¬ zahl erlangte. ES besteht aus einem mit einer Kapuze versehenen Hemde von Rennthierfell mit der Haarseite nach Innen, daS bis an die Hüften geht, also den Beinen ganz freies Spiel läßt und sich -ganz dicht an den Hals an¬ schließt. Man zieht eS an wie ein Hemde und eS ist außer am obern Rande ganz lose und bequem. Viertens der Kopf. Unsere Leute tragen meistens Pelzmützen. Ich trage einen Tiara oder einen Kopfring von Wolfsfellen. Ein vortreffliches Kleidungsstück! Es läßt den ganzen Scheitel frei und schützt die Ohren und die Stirn wirksam; bei jedem gewöhnlichen Stand des Wetters und der Witterung, wenn die Temperatur nicht unter -Is Grad unter Null sinkt, be¬ lästigt mich die Kälte nicht. Ehe ich dieses Kleidungsstück erfand, war meine Mütze stets voll von gefrornem Wasser, steif und unbehaglich, indem aller Dunst sofort zu Eis wurde, sobald ich die Mütze abnahm. Ist das Wetter sehr kalt, so schlage ich die Kapuze in die Höhe; ist eS noch kälter, ich will sagen, Grad unter Null mit mäßigem Winde, so ziehe ich noch eine elastische seidene Nachtmütze, die an eine Maske von Wvlfsfell genäht ist, über Kopf und Gesicht. Um den übermäßigen Niederschlag von Dünsten zu vermeiden, schneide ich nur zwei Augen hinein und lasse unter der Nasenspitze eine große Oeffnung zum Sprechen und Athmen frei. Die Oessnungen sind Grenzboten. IV. -lzg?.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/81>, abgerufen am 26.06.2024.