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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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darauf beschränken, auf sie nur hinzudeuten. So wenige Festungen es gibt,
welche nicht dem sie belagernden Feinde am Ende erliegen werden, so wenige
Kriegshafen können genannt werden, von denen man voraussetzen darf, daß
eS einer Blockadeflotte gelingen werde, in sie einzudringen, um die in sie hinein
gerettete Schiffsmacht anzugreifen und wegzunehmen oder zu vernichten. Es
bedarf nicht eines Kronstäbe und Sebastopol, um dies unmöglich zu machen.

Hieraus folgt einfach, daß ein Seekrieg in Beziehung auf die Zerstörung
der Streitmacht des Gegners nie so rein ausgekämpft werden kann, wie ein
Landkrieg, weil eS zwar gelingen mag, die activen Streiikräfte des Feindes
factisch zu vernichten, nicht aber mit ihnen gleichzeitig die Hilfsquellen und die
in den Häfen ruhende Basis, auf der sich unter günstigen Umständen bald
darauf eine neue Streitmacht erHeden wird.

ES ist nicht zu verkennen, daß hierin der Grund der geringen Entschei-
dungsgewalt liegt, welche den Massensiegen zur See im weiteren Sinne inne
wohnt. Ein Sieg, der zu Lande Folgen von der entschiedensten Art mit sich
bringen und unter Umständen den Frieden sofort erzwingen würde, führt zur
See bisweilen zu durchaus keinem politischen Resultat. Abukir und Trafalgar
mögen an Entschiedenheit des rein taktischen Erfolges dreist Marengo und
Austerlitz zur Seite gestellt werden, aber der Seekrieg wurde weder durch das
eine, noch durch das andere Treffen beendigt.

Wir werfen jetzt einen Blick auf die taktische Natur der Strcitmittel deS
Seekriegs. Auf dem Meere sind es große Maschinen, auf dem festen Lande
in gleichzeitiger, gemeinsamer Bewegung geübte Truppenkörper, mit denen die
Kriegführung agirt. Der großen Dreitheilung in Infanterie, Cavalerie und
Artillerie, welche uns hier begegnet, ist dort kaum etwas Entsprechendes ent¬
gegenzustellen, und nur in einer Hinsicht stimmen die beiderseitigen Verhält¬
nisse untereinander überein: dort wie^hier gibt es leichte und schwere
Streitkräfte.

Man hat gesagt, die schweren Streitmittel sind dazu bestimmt, den großen
Krieg zu führen d. h. die Entscheidungskampfe auszusenden, die leichten aber
sollen zum kleinen Kriege verwendet werden; und dieser Ausspruch hat eine
beinahe noch größere Anwendbarkeit auf die Kriegführung zur See, wie auf
die zu Lande. Die Scheidung des kleinen Krieges ist auf dem Meere eine
ungleich durchgreifendere. Flotten, Geschwader und einzelne Kreuzer, Escadrillen
und Flotillen haben in den meisten Fällen eine jede ihr eignes Feld im großen
Ganzen des Kncgsraumes, und ihre eigne Ausgabe. Anders ist in Folge dessen
auch ihre Zusammensetzung. Die Flotten sollen die Hauptentscheidung geben,
dem Gros der feindlichen Macht Bataille liefern; überhaupt die Wirksamkeit
der Massen ausüben. Darum eben sind sie aus einer besonderen Schiffs-
classe oder aus Fahrzeugen für die große Schlacht, Linienschiffen, formirt,


darauf beschränken, auf sie nur hinzudeuten. So wenige Festungen es gibt,
welche nicht dem sie belagernden Feinde am Ende erliegen werden, so wenige
Kriegshafen können genannt werden, von denen man voraussetzen darf, daß
eS einer Blockadeflotte gelingen werde, in sie einzudringen, um die in sie hinein
gerettete Schiffsmacht anzugreifen und wegzunehmen oder zu vernichten. Es
bedarf nicht eines Kronstäbe und Sebastopol, um dies unmöglich zu machen.

Hieraus folgt einfach, daß ein Seekrieg in Beziehung auf die Zerstörung
der Streitmacht des Gegners nie so rein ausgekämpft werden kann, wie ein
Landkrieg, weil eS zwar gelingen mag, die activen Streiikräfte des Feindes
factisch zu vernichten, nicht aber mit ihnen gleichzeitig die Hilfsquellen und die
in den Häfen ruhende Basis, auf der sich unter günstigen Umständen bald
darauf eine neue Streitmacht erHeden wird.

ES ist nicht zu verkennen, daß hierin der Grund der geringen Entschei-
dungsgewalt liegt, welche den Massensiegen zur See im weiteren Sinne inne
wohnt. Ein Sieg, der zu Lande Folgen von der entschiedensten Art mit sich
bringen und unter Umständen den Frieden sofort erzwingen würde, führt zur
See bisweilen zu durchaus keinem politischen Resultat. Abukir und Trafalgar
mögen an Entschiedenheit des rein taktischen Erfolges dreist Marengo und
Austerlitz zur Seite gestellt werden, aber der Seekrieg wurde weder durch das
eine, noch durch das andere Treffen beendigt.

Wir werfen jetzt einen Blick auf die taktische Natur der Strcitmittel deS
Seekriegs. Auf dem Meere sind es große Maschinen, auf dem festen Lande
in gleichzeitiger, gemeinsamer Bewegung geübte Truppenkörper, mit denen die
Kriegführung agirt. Der großen Dreitheilung in Infanterie, Cavalerie und
Artillerie, welche uns hier begegnet, ist dort kaum etwas Entsprechendes ent¬
gegenzustellen, und nur in einer Hinsicht stimmen die beiderseitigen Verhält¬
nisse untereinander überein: dort wie^hier gibt es leichte und schwere
Streitkräfte.

Man hat gesagt, die schweren Streitmittel sind dazu bestimmt, den großen
Krieg zu führen d. h. die Entscheidungskampfe auszusenden, die leichten aber
sollen zum kleinen Kriege verwendet werden; und dieser Ausspruch hat eine
beinahe noch größere Anwendbarkeit auf die Kriegführung zur See, wie auf
die zu Lande. Die Scheidung des kleinen Krieges ist auf dem Meere eine
ungleich durchgreifendere. Flotten, Geschwader und einzelne Kreuzer, Escadrillen
und Flotillen haben in den meisten Fällen eine jede ihr eignes Feld im großen
Ganzen des Kncgsraumes, und ihre eigne Ausgabe. Anders ist in Folge dessen
auch ihre Zusammensetzung. Die Flotten sollen die Hauptentscheidung geben,
dem Gros der feindlichen Macht Bataille liefern; überhaupt die Wirksamkeit
der Massen ausüben. Darum eben sind sie aus einer besonderen Schiffs-
classe oder aus Fahrzeugen für die große Schlacht, Linienschiffen, formirt,


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[0533] darauf beschränken, auf sie nur hinzudeuten. So wenige Festungen es gibt, welche nicht dem sie belagernden Feinde am Ende erliegen werden, so wenige Kriegshafen können genannt werden, von denen man voraussetzen darf, daß eS einer Blockadeflotte gelingen werde, in sie einzudringen, um die in sie hinein gerettete Schiffsmacht anzugreifen und wegzunehmen oder zu vernichten. Es bedarf nicht eines Kronstäbe und Sebastopol, um dies unmöglich zu machen. Hieraus folgt einfach, daß ein Seekrieg in Beziehung auf die Zerstörung der Streitmacht des Gegners nie so rein ausgekämpft werden kann, wie ein Landkrieg, weil eS zwar gelingen mag, die activen Streiikräfte des Feindes factisch zu vernichten, nicht aber mit ihnen gleichzeitig die Hilfsquellen und die in den Häfen ruhende Basis, auf der sich unter günstigen Umständen bald darauf eine neue Streitmacht erHeden wird. ES ist nicht zu verkennen, daß hierin der Grund der geringen Entschei- dungsgewalt liegt, welche den Massensiegen zur See im weiteren Sinne inne wohnt. Ein Sieg, der zu Lande Folgen von der entschiedensten Art mit sich bringen und unter Umständen den Frieden sofort erzwingen würde, führt zur See bisweilen zu durchaus keinem politischen Resultat. Abukir und Trafalgar mögen an Entschiedenheit des rein taktischen Erfolges dreist Marengo und Austerlitz zur Seite gestellt werden, aber der Seekrieg wurde weder durch das eine, noch durch das andere Treffen beendigt. Wir werfen jetzt einen Blick auf die taktische Natur der Strcitmittel deS Seekriegs. Auf dem Meere sind es große Maschinen, auf dem festen Lande in gleichzeitiger, gemeinsamer Bewegung geübte Truppenkörper, mit denen die Kriegführung agirt. Der großen Dreitheilung in Infanterie, Cavalerie und Artillerie, welche uns hier begegnet, ist dort kaum etwas Entsprechendes ent¬ gegenzustellen, und nur in einer Hinsicht stimmen die beiderseitigen Verhält¬ nisse untereinander überein: dort wie^hier gibt es leichte und schwere Streitkräfte. Man hat gesagt, die schweren Streitmittel sind dazu bestimmt, den großen Krieg zu führen d. h. die Entscheidungskampfe auszusenden, die leichten aber sollen zum kleinen Kriege verwendet werden; und dieser Ausspruch hat eine beinahe noch größere Anwendbarkeit auf die Kriegführung zur See, wie auf die zu Lande. Die Scheidung des kleinen Krieges ist auf dem Meere eine ungleich durchgreifendere. Flotten, Geschwader und einzelne Kreuzer, Escadrillen und Flotillen haben in den meisten Fällen eine jede ihr eignes Feld im großen Ganzen des Kncgsraumes, und ihre eigne Ausgabe. Anders ist in Folge dessen auch ihre Zusammensetzung. Die Flotten sollen die Hauptentscheidung geben, dem Gros der feindlichen Macht Bataille liefern; überhaupt die Wirksamkeit der Massen ausüben. Darum eben sind sie aus einer besonderen Schiffs- classe oder aus Fahrzeugen für die große Schlacht, Linienschiffen, formirt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/533>, abgerufen am 23.07.2024.