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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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bringen. Es ist Grund anzunehmen, daß sein Credit, so wie die Course sei¬
ner Effecten durch die gegenwärtige Verminderung seines'BankvermögenS eher
gesteigert als verringert werden.

Nun ist leider wahrscheinlich, daß die preußische Negierung Recht hatte,
wenn sie annahm, daß selbst -10 Millionen noch nicht ausreichen werden, um
daS zerrüttete Geschäftsleben Hamburgs wieder herzustellen. Und auch die
Erwägung soll unangefochten bleiben, daß einzelne der größten Hamburger
Firmen nicht ohne schweres Verschulden und nicht ohne eine dem preußischen
Verkehr nachtheilige Thätigkeit in die Lage gekommen sind, welche den ham-
burgischen Staat jetzt veranlaßt, sie zu stützen. Und eS ist vollends begreiflich,
daß solche Gründe bei den gegenwärtigen Mitgliedern deö preußischen Mini¬
steriums nicht wenig zu dem Entschluß beigetragen haben, die Hilfe des Staa¬
tes zu versagen.

Auch ist für Preußen aus andern Gründen in diesem Augenblicke kaum
möglich, eine kühne und planvolle Politik nach Außen zu verfolgen. Das
Mandat deö Prinzen von Preußen beschränkt seine Regierung immer noch auf
die Erledigung des Nöthigsten und principiell scheint sich der künftige König
Preußens in diesen Monaten des Interregnums jeder selbstständigen Negie-
rungsmaßregel von tiefgreifender 'Bedeutung zu enthalten. So wird man,
Persönlichkeiten und Verhältnisse berücksichtigend, wol begreifen, daß
^ Preußen in diesem Falle so gehandelt hat, vielleicht nicht anders handeln
konnte, aber man wird diese Sachlage im Interesse Preußens und Dentsch-
lands doch tief beklagen.

lind eS sei hier gradezu ausgesprochen, daß Preußen es für ein gutes
Geschäft halte" mußte, dem Staate Hamburg nicht 4 0 Millionen Mark Banko,
sondern 10 Millionen Thaler zu leihen, und für ein noch besseres, wenn Ham¬
burg 20 Millionen nöthig hatte. . Und es sei auch ausgesprochen, was damit
zusammenhängt, daß Preußen durch seine politischen Unfälle seit dem Jahr
48 nicht so viel verloren hat, als es in den beiden letzten Jahren auf ebenso
unmerkliche als unwiderstehliche Weise hätte wieder gewinnen können. So
lange die jetzige Generation der Preußen lebt, wird sie an einige Tage
der preußischen Geschichte seit dem Jahr i8 nicht denken, ohne eine stille
Schamröthe auf den Wangen zu fühlen. Aber denselben preußischen Staats¬
männern, die an einigen dieser Tage eine verhängnißvolle Rolle gespielt haben,
war seit den letzt.'" Jahren Gelegenheit gegeben, für alle Zeit dies vergessen zu
machen und auf einem indirecten, aber sicheren Wege den Zollverein zu einer
einheitlichen Macht zu erheben, das gesammte kaufmännische und industrielle
Leben Deutschlands enge mit Preußen zu verbinden, die Regierungen der ein¬
zelnen Staaten selbst wider ihren Willen in seine Bahnen zu ziehen, und als
Vertreter und Beschützer der Industrie und des Handels die öffentliche Mei-


bringen. Es ist Grund anzunehmen, daß sein Credit, so wie die Course sei¬
ner Effecten durch die gegenwärtige Verminderung seines'BankvermögenS eher
gesteigert als verringert werden.

Nun ist leider wahrscheinlich, daß die preußische Negierung Recht hatte,
wenn sie annahm, daß selbst -10 Millionen noch nicht ausreichen werden, um
daS zerrüttete Geschäftsleben Hamburgs wieder herzustellen. Und auch die
Erwägung soll unangefochten bleiben, daß einzelne der größten Hamburger
Firmen nicht ohne schweres Verschulden und nicht ohne eine dem preußischen
Verkehr nachtheilige Thätigkeit in die Lage gekommen sind, welche den ham-
burgischen Staat jetzt veranlaßt, sie zu stützen. Und eS ist vollends begreiflich,
daß solche Gründe bei den gegenwärtigen Mitgliedern deö preußischen Mini¬
steriums nicht wenig zu dem Entschluß beigetragen haben, die Hilfe des Staa¬
tes zu versagen.

Auch ist für Preußen aus andern Gründen in diesem Augenblicke kaum
möglich, eine kühne und planvolle Politik nach Außen zu verfolgen. Das
Mandat deö Prinzen von Preußen beschränkt seine Regierung immer noch auf
die Erledigung des Nöthigsten und principiell scheint sich der künftige König
Preußens in diesen Monaten des Interregnums jeder selbstständigen Negie-
rungsmaßregel von tiefgreifender 'Bedeutung zu enthalten. So wird man,
Persönlichkeiten und Verhältnisse berücksichtigend, wol begreifen, daß
^ Preußen in diesem Falle so gehandelt hat, vielleicht nicht anders handeln
konnte, aber man wird diese Sachlage im Interesse Preußens und Dentsch-
lands doch tief beklagen.

lind eS sei hier gradezu ausgesprochen, daß Preußen es für ein gutes
Geschäft halte» mußte, dem Staate Hamburg nicht 4 0 Millionen Mark Banko,
sondern 10 Millionen Thaler zu leihen, und für ein noch besseres, wenn Ham¬
burg 20 Millionen nöthig hatte. . Und es sei auch ausgesprochen, was damit
zusammenhängt, daß Preußen durch seine politischen Unfälle seit dem Jahr
48 nicht so viel verloren hat, als es in den beiden letzten Jahren auf ebenso
unmerkliche als unwiderstehliche Weise hätte wieder gewinnen können. So
lange die jetzige Generation der Preußen lebt, wird sie an einige Tage
der preußischen Geschichte seit dem Jahr i8 nicht denken, ohne eine stille
Schamröthe auf den Wangen zu fühlen. Aber denselben preußischen Staats¬
männern, die an einigen dieser Tage eine verhängnißvolle Rolle gespielt haben,
war seit den letzt.'» Jahren Gelegenheit gegeben, für alle Zeit dies vergessen zu
machen und auf einem indirecten, aber sicheren Wege den Zollverein zu einer
einheitlichen Macht zu erheben, das gesammte kaufmännische und industrielle
Leben Deutschlands enge mit Preußen zu verbinden, die Regierungen der ein¬
zelnen Staaten selbst wider ihren Willen in seine Bahnen zu ziehen, und als
Vertreter und Beschützer der Industrie und des Handels die öffentliche Mei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/493>, abgerufen am 23.07.2024.