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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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mag Deutschlands und die Achtung Europas wieder zu gewinnen. Daß von
alle dem das Gegentheil geschehen ist, daß die preußischen Beamten durch eine
Reihe ängstlicher, mürrischer, hochfahrender und doch nur halber Maßregeln
das Preußenthum in Deutschland unpopulärer gemacht haben', als es je war,
ohne doch dem Handel und Verkehr des eignen Staates wesentlich zu nützen;
daß sie durch ein solches Verhalten kleineren Staaten auch in Handel und
Industrie das Recht- zu einer selbstständigen und unpreußischen Politik gegeben
haben, dies und alles was daraus folgt, ist tief zu beklagen.

Die Wege, auf welchen Preußen in den letzten Jahren hohe Erfolge in
Deutschland hätte erringen müssen, waren eine liberale Bankpolitik, die größte
Zuvorkommenheit gegen die kleineren Regierungen in ihren Geld- und Ver¬
kehrsinteressen, wohlwollende Aufmerksamkeit auf die neuen Geldinstitute, welche
zum Theil mit preußischen Capitalien begründet sind, endlich eine enge Ver¬
bindung aller dieser' Actienunternehmungsinstitute mit dem preußischen Geld¬
markt. Immerhin konnte ein oder das andere unter fremdem zweideutigen
Einfluß stehende Geldinstitut ausgeschlossen werden. Wol aber war eS für
Preußen möglich, in diesen letzten zwei Jahren ein allgemeines deutsches Bank¬
system zu gründen, eine einheitliche Geldmacht, welche die Capitalien und
Interessen der ganzen Nation beherrscht hatte. Und das war nicht einmal
schwer. Alle neuen Banken mit wenigen Ausnahmen waren auf Preußen
als das größte Circulationsterrain angewiesen. Die meisten hätten in den
ersten Monaten ihres Bestehens mit Vergnügen in Statuten und Personal an
Preußen Concessionen gemacht, welche ihre eigne Thätigkeit sichern mußten;
die unabhängigem oder eigenwilligem würden der großen Wucht einer Ver¬
einigung bald nachgegeben haben. Aber um dieses Resultat zu erreichen,
dessen kaum zu übersehende Konsequenzen jeder Geschäftsmann einsieht, war
grade das entgegengesetzte Verfahren von dem nöthig, welches Preußen ein¬
geschlagen hat. Zunächst hat die preußische Regierung in dem eignen Lande
die Entwicklung deö Banklebens zu Gunsten eines großen und soliden, aber
ungefügen Staatsinstituts nach Kräften niedergehalten. So lange in Preußen
Handelskammern eristiren, sind fast aus allen Provinzen Wünsche und Gesuche
wegen Errichtung von Privatbanken eingelaufen. Vielfach hat sich eine ge¬
rechte Unzufriedenheit mit den Einrichtungen der preußischen Bank und ihrer
Filiale kund gethan, welche letztere nur zu lange förmlich, pedantisch, un¬
bequem und vor allem durchaus ungenügend für die Verkehrsbedürfnisse waren.
Immer hat die Regierung das falsche Princip verfolgt, die Privatbanken
als Rivale eines Lieblingsinstitutcs entweder ganz zu hindern, oder, wo
sich dieselben nach langen Kämpfen ja durchgesetzt haben, in ihrer Wirksam¬
keit zu beschränken. Man kann zugeben, daß eine große Staatsbank für die
preußische Regierung Vortheile hatte, welche aufzugeben unweise gewesen wäre.


mag Deutschlands und die Achtung Europas wieder zu gewinnen. Daß von
alle dem das Gegentheil geschehen ist, daß die preußischen Beamten durch eine
Reihe ängstlicher, mürrischer, hochfahrender und doch nur halber Maßregeln
das Preußenthum in Deutschland unpopulärer gemacht haben', als es je war,
ohne doch dem Handel und Verkehr des eignen Staates wesentlich zu nützen;
daß sie durch ein solches Verhalten kleineren Staaten auch in Handel und
Industrie das Recht- zu einer selbstständigen und unpreußischen Politik gegeben
haben, dies und alles was daraus folgt, ist tief zu beklagen.

Die Wege, auf welchen Preußen in den letzten Jahren hohe Erfolge in
Deutschland hätte erringen müssen, waren eine liberale Bankpolitik, die größte
Zuvorkommenheit gegen die kleineren Regierungen in ihren Geld- und Ver¬
kehrsinteressen, wohlwollende Aufmerksamkeit auf die neuen Geldinstitute, welche
zum Theil mit preußischen Capitalien begründet sind, endlich eine enge Ver¬
bindung aller dieser' Actienunternehmungsinstitute mit dem preußischen Geld¬
markt. Immerhin konnte ein oder das andere unter fremdem zweideutigen
Einfluß stehende Geldinstitut ausgeschlossen werden. Wol aber war eS für
Preußen möglich, in diesen letzten zwei Jahren ein allgemeines deutsches Bank¬
system zu gründen, eine einheitliche Geldmacht, welche die Capitalien und
Interessen der ganzen Nation beherrscht hatte. Und das war nicht einmal
schwer. Alle neuen Banken mit wenigen Ausnahmen waren auf Preußen
als das größte Circulationsterrain angewiesen. Die meisten hätten in den
ersten Monaten ihres Bestehens mit Vergnügen in Statuten und Personal an
Preußen Concessionen gemacht, welche ihre eigne Thätigkeit sichern mußten;
die unabhängigem oder eigenwilligem würden der großen Wucht einer Ver¬
einigung bald nachgegeben haben. Aber um dieses Resultat zu erreichen,
dessen kaum zu übersehende Konsequenzen jeder Geschäftsmann einsieht, war
grade das entgegengesetzte Verfahren von dem nöthig, welches Preußen ein¬
geschlagen hat. Zunächst hat die preußische Regierung in dem eignen Lande
die Entwicklung deö Banklebens zu Gunsten eines großen und soliden, aber
ungefügen Staatsinstituts nach Kräften niedergehalten. So lange in Preußen
Handelskammern eristiren, sind fast aus allen Provinzen Wünsche und Gesuche
wegen Errichtung von Privatbanken eingelaufen. Vielfach hat sich eine ge¬
rechte Unzufriedenheit mit den Einrichtungen der preußischen Bank und ihrer
Filiale kund gethan, welche letztere nur zu lange förmlich, pedantisch, un¬
bequem und vor allem durchaus ungenügend für die Verkehrsbedürfnisse waren.
Immer hat die Regierung das falsche Princip verfolgt, die Privatbanken
als Rivale eines Lieblingsinstitutcs entweder ganz zu hindern, oder, wo
sich dieselben nach langen Kämpfen ja durchgesetzt haben, in ihrer Wirksam¬
keit zu beschränken. Man kann zugeben, daß eine große Staatsbank für die
preußische Regierung Vortheile hatte, welche aufzugeben unweise gewesen wäre.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/494>, abgerufen am 23.07.2024.