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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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doch warm genug, um durch die Speculation in das richtige Ziel gelenkt zu
werden. "Ich trage mich," schreibt er April 1822 an Mkull, "schon einige Zeit
mit der Idee einer philosophisch-religiösen Missionsanstalt, deren Begründung
nicht schwer halten dürfte, und welche im guten Sinn die leer gewordene Stelle
der Freimaurer und Jesuiten einnähme. Hat nicht die Bande der bösen
Buben eine solche Missionsanstalt und werden die weltlichen Regenten und
Rom mit ihnen ohne eine ähnliche Gegenanstalt fertig werden? Sollen die
Bösen allein thätig, die Guten aber faul sein dürfen?" Trotzdem hat das
ganze Vorhaben noch etwas Mystisches und man wird einigermaßen beruhigt,
wenn man Seite 361 und an vielen andern Stellen aus Privatbriefen die
Aufklärung empfängt, die man freilich in den officiellen Schreiben vergebens
suchen würde, daß es Baader neben der Gründung einer neuen speculativ-
religiösen Missionsanstalt hauptsächlich auf den verbreiteten Absatz seiner
Glasfabrik ankam, für welche er in Rußland Associes und einen Markt
suchte.

Auf seiner Reise lernte er in Berlin Hegel kennen, und schöpfte große
Hoffnungen auf einen weitern Verkehr mit diesem Philosophen.*) Seine wei¬
tere Reise störte viele Illusionen. "Der Geist des religiösen Separatismus
hat seit vergangenem Jahr an der ganzen preußischen Ostsee bedeutend zuge¬
nommen und gährt auch jetzt in Königsberg, was mich nicht wundert, seitdem
ich die Platitüde des neolvgen Klerus kennen lernte. Nur eine rein wissen¬
schaftliche Reformation der Religionslehre kann dem Uebel radical nachhelfen."
Am schlimmsten war die Aufnahme in Rußland. Es hatten sich <ins Baiern
bereits einige Mystiker eingefunden, z. B. Pater Gosner, die der Negie¬
rung Anstoß gaben, und man war allmälig dahinter gekommen, daß auch Fr.
von Krüdener, die auf das empfängliche Gemüth Alexanders bisher einen
so großen Einfluß ausgeübt, sich sehr bedenklicher Mittel bediente. Der Ge¬
neralgouvemeur von Riga empfing unseren Philosophen sehr barsch, und wenn
sich später sein Benehmen milderte, so wies er ihn doch an, seine Reise



inen dermale" in ihn, gleich als in einen Schlupfwinkel, gerettet. Aber die feindliche Stellung,
welche dieser Pietismus, trotz seines DemiUhtgthuns, gegen die Wissenschaft sich anmaßt,
macht seine Zurückweisung nicht minder nöthig, als jene der antireligiösen Philosopheme." --
*) Indeß bald entdeckte er (S. is3). daß Hegel nur im Zerstören groß sei. "Der hegcl-
sche Spiritualismus (1829, S. is-i) ist ein vergeistigter Pantheiciuns, weil nach ihm der
allgemeine oder Weltgeist doch nur durch Hilfe der einzelnen creaturlicher Persönlichkeiten
sein Bewußtsein gewinnt und erhält. . . Seine Naturphilosophie kann man im Original (und
zwar mit der Religion ebenso einstimmend, als bei Hegel dieser widersprechend) bei I. Böhme
finden. . . Die Negativität des Protestantismus hat sich dnrch Hegel auf die Spitze getrieben,
aber diese Consequenz ist heilsamer, als z. B- das neuere syucretistische Zurückhalten von
Schelling, welcher, seitdem er hier vorliest, neuen Wein in alte Schläuche fasse", und mit
neuen Lappen das alte vantheistische Gewand flicken will." --- 1830: "Hegel: -- außen ver¬
brennend , innen kaltes Feuer."
Grenzboten. IV. -I8S7. . 59

doch warm genug, um durch die Speculation in das richtige Ziel gelenkt zu
werden. „Ich trage mich," schreibt er April 1822 an Mkull, „schon einige Zeit
mit der Idee einer philosophisch-religiösen Missionsanstalt, deren Begründung
nicht schwer halten dürfte, und welche im guten Sinn die leer gewordene Stelle
der Freimaurer und Jesuiten einnähme. Hat nicht die Bande der bösen
Buben eine solche Missionsanstalt und werden die weltlichen Regenten und
Rom mit ihnen ohne eine ähnliche Gegenanstalt fertig werden? Sollen die
Bösen allein thätig, die Guten aber faul sein dürfen?" Trotzdem hat das
ganze Vorhaben noch etwas Mystisches und man wird einigermaßen beruhigt,
wenn man Seite 361 und an vielen andern Stellen aus Privatbriefen die
Aufklärung empfängt, die man freilich in den officiellen Schreiben vergebens
suchen würde, daß es Baader neben der Gründung einer neuen speculativ-
religiösen Missionsanstalt hauptsächlich auf den verbreiteten Absatz seiner
Glasfabrik ankam, für welche er in Rußland Associes und einen Markt
suchte.

Auf seiner Reise lernte er in Berlin Hegel kennen, und schöpfte große
Hoffnungen auf einen weitern Verkehr mit diesem Philosophen.*) Seine wei¬
tere Reise störte viele Illusionen. „Der Geist des religiösen Separatismus
hat seit vergangenem Jahr an der ganzen preußischen Ostsee bedeutend zuge¬
nommen und gährt auch jetzt in Königsberg, was mich nicht wundert, seitdem
ich die Platitüde des neolvgen Klerus kennen lernte. Nur eine rein wissen¬
schaftliche Reformation der Religionslehre kann dem Uebel radical nachhelfen."
Am schlimmsten war die Aufnahme in Rußland. Es hatten sich <ins Baiern
bereits einige Mystiker eingefunden, z. B. Pater Gosner, die der Negie¬
rung Anstoß gaben, und man war allmälig dahinter gekommen, daß auch Fr.
von Krüdener, die auf das empfängliche Gemüth Alexanders bisher einen
so großen Einfluß ausgeübt, sich sehr bedenklicher Mittel bediente. Der Ge¬
neralgouvemeur von Riga empfing unseren Philosophen sehr barsch, und wenn
sich später sein Benehmen milderte, so wies er ihn doch an, seine Reise



inen dermale» in ihn, gleich als in einen Schlupfwinkel, gerettet. Aber die feindliche Stellung,
welche dieser Pietismus, trotz seines DemiUhtgthuns, gegen die Wissenschaft sich anmaßt,
macht seine Zurückweisung nicht minder nöthig, als jene der antireligiösen Philosopheme." —
*) Indeß bald entdeckte er (S. is3). daß Hegel nur im Zerstören groß sei. „Der hegcl-
sche Spiritualismus (1829, S. is-i) ist ein vergeistigter Pantheiciuns, weil nach ihm der
allgemeine oder Weltgeist doch nur durch Hilfe der einzelnen creaturlicher Persönlichkeiten
sein Bewußtsein gewinnt und erhält. . . Seine Naturphilosophie kann man im Original (und
zwar mit der Religion ebenso einstimmend, als bei Hegel dieser widersprechend) bei I. Böhme
finden. . . Die Negativität des Protestantismus hat sich dnrch Hegel auf die Spitze getrieben,
aber diese Consequenz ist heilsamer, als z. B- das neuere syucretistische Zurückhalten von
Schelling, welcher, seitdem er hier vorliest, neuen Wein in alte Schläuche fasse», und mit
neuen Lappen das alte vantheistische Gewand flicken will." —- 1830: „Hegel: — außen ver¬
brennend , innen kaltes Feuer."
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[0473] doch warm genug, um durch die Speculation in das richtige Ziel gelenkt zu werden. „Ich trage mich," schreibt er April 1822 an Mkull, „schon einige Zeit mit der Idee einer philosophisch-religiösen Missionsanstalt, deren Begründung nicht schwer halten dürfte, und welche im guten Sinn die leer gewordene Stelle der Freimaurer und Jesuiten einnähme. Hat nicht die Bande der bösen Buben eine solche Missionsanstalt und werden die weltlichen Regenten und Rom mit ihnen ohne eine ähnliche Gegenanstalt fertig werden? Sollen die Bösen allein thätig, die Guten aber faul sein dürfen?" Trotzdem hat das ganze Vorhaben noch etwas Mystisches und man wird einigermaßen beruhigt, wenn man Seite 361 und an vielen andern Stellen aus Privatbriefen die Aufklärung empfängt, die man freilich in den officiellen Schreiben vergebens suchen würde, daß es Baader neben der Gründung einer neuen speculativ- religiösen Missionsanstalt hauptsächlich auf den verbreiteten Absatz seiner Glasfabrik ankam, für welche er in Rußland Associes und einen Markt suchte. Auf seiner Reise lernte er in Berlin Hegel kennen, und schöpfte große Hoffnungen auf einen weitern Verkehr mit diesem Philosophen.*) Seine wei¬ tere Reise störte viele Illusionen. „Der Geist des religiösen Separatismus hat seit vergangenem Jahr an der ganzen preußischen Ostsee bedeutend zuge¬ nommen und gährt auch jetzt in Königsberg, was mich nicht wundert, seitdem ich die Platitüde des neolvgen Klerus kennen lernte. Nur eine rein wissen¬ schaftliche Reformation der Religionslehre kann dem Uebel radical nachhelfen." Am schlimmsten war die Aufnahme in Rußland. Es hatten sich <ins Baiern bereits einige Mystiker eingefunden, z. B. Pater Gosner, die der Negie¬ rung Anstoß gaben, und man war allmälig dahinter gekommen, daß auch Fr. von Krüdener, die auf das empfängliche Gemüth Alexanders bisher einen so großen Einfluß ausgeübt, sich sehr bedenklicher Mittel bediente. Der Ge¬ neralgouvemeur von Riga empfing unseren Philosophen sehr barsch, und wenn sich später sein Benehmen milderte, so wies er ihn doch an, seine Reise inen dermale» in ihn, gleich als in einen Schlupfwinkel, gerettet. Aber die feindliche Stellung, welche dieser Pietismus, trotz seines DemiUhtgthuns, gegen die Wissenschaft sich anmaßt, macht seine Zurückweisung nicht minder nöthig, als jene der antireligiösen Philosopheme." — *) Indeß bald entdeckte er (S. is3). daß Hegel nur im Zerstören groß sei. „Der hegcl- sche Spiritualismus (1829, S. is-i) ist ein vergeistigter Pantheiciuns, weil nach ihm der allgemeine oder Weltgeist doch nur durch Hilfe der einzelnen creaturlicher Persönlichkeiten sein Bewußtsein gewinnt und erhält. . . Seine Naturphilosophie kann man im Original (und zwar mit der Religion ebenso einstimmend, als bei Hegel dieser widersprechend) bei I. Böhme finden. . . Die Negativität des Protestantismus hat sich dnrch Hegel auf die Spitze getrieben, aber diese Consequenz ist heilsamer, als z. B- das neuere syucretistische Zurückhalten von Schelling, welcher, seitdem er hier vorliest, neuen Wein in alte Schläuche fasse», und mit neuen Lappen das alte vantheistische Gewand flicken will." —- 1830: „Hegel: — außen ver¬ brennend , innen kaltes Feuer." Grenzboten. IV. -I8S7. . 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/473>, abgerufen am 23.07.2024.