Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

daß kein übler Gebrauch der Vernunft sein könne," (1807) wesentlich gegen
Jacobi gerichtet war.*) -- Schubert besuchte er zuerst 1809 in Nürnberg,
der Meister den Schüler, machte ihn zuerst ans Se. Martin aufmerksam, und ver¬
anlaßte die Uebersetzung deS Werks cle l'c-Sprit clss ewses 1811, die er mit einer
Vorrede begleitete. (DaS Buch Des errsurs et cle la veritv hatte bereits Claudius
übersetzt). -- Fr. Schlegel lernte er 1811 in Wien kennen, wohin ihn die
Angelegenheit deS Glaubersalzes geführt hatte; er blieb mit ihm in Verkehr
und veranlaßte ihn, seine frühern Ansichten über das symbolische der gothischen
Baukunst, über Freimaurerei u. s. w. aufzugeben. -- Die Korrespondenz die¬
ser Periode ist sehr interessant; ste führt uns hinter die Coulissen der Natur¬
philosophie, und zeigt uns, daß diese Auguren ihr Geschäft im vollsten Ernst
treiben. Das Dreieck mit dem Punkt in der Mitte spielt die Hauptrolle;
zu den Korrespondenten gehören außer Schubert der Verfasser deS Magikons,
Kleuker, der Arzt v. Stransky, hauptsächlich aber der Physiker I. W-Rit¬
ter, (in Jena 1803), der über den Galvanismus nicht unbedeutende Ent¬
deckungen gemacht hat, und der sich in dieser Zeit hauptsächlich darauf legte,
durch Experimente an qualificirten Subjecten, die dazu eigens gemiethet wur¬
den, hinter die Geheimnisse der Rhabdomantie, des Geistersehens, des Som¬
nambulismus u. s. w. zu kommen. In diesen Briefen haben wir das voll¬
ständige HereneinmaleinS, mitunter wird einem wüst im Kopf. Ritter schreibt
aus Ulm, 1807: "Ich bin jetzt völlig in den thierischen Magnetismus einge¬
weiht. Eine Entdeckung von Wichtigkeit denke ich durch die eines passiven
Bewußtseins, die deö Unwillkürlichen, gemacht zu haben. Es wird durch
Frage, Andenken erregt. In der weitern Anwendung gibt es selbst dem
Leben am Tode Bedeutung, und stellt die Lebenden als Todtengericht auf.
Weiter dann, daß eben dadurch neue, reinere Willkür hervorgerufen wird, und
damit neues, individuelles Lebe", das gibt sogar die Theorie der Unsterblich¬
keit ganz. ES schließt der Sinn des Monumentes sich ans; das Monument
gibt unmittelbar Leben dem, dem es gesetzt ist.**) Hier neue Aufschlüsse
in die Magie. Dann Theorie der Kraft der Phantasie. Alles Vor¬
gestellte ist wirklich, ebendeshalb aber hat es nur die eine Hälfie seiner Wirklich¬
keit, eine Halbwirklichkeit, für uns, grade wie schon jeder dritte uns doch nicht
so wirklich ist, als wir uns selbst. Ferner hier Theorie des Gewissens,
indem actives Bewußtsein von passivem sich nur dadurch unterscheidet, daß
dort die Frage mit der Antwort, und hier die bloße Antwort zum Bewußtsein
kommt. Alle unsere reinen Handlungen sind somnambulistisch. Antwort aus




') "Fichte," schreibt er 1806 an Jacobi, ignorirt die dynamische Construction. aber nur
well er ein wahrer Ignorant in allem, was Physik und Natur betrifft, ist." "Ohne Mystik
(habe sie Form, welche sie wolle) keine Moral; Religion vereint überall beide."
Im Original unterstrichen, und so fort.

daß kein übler Gebrauch der Vernunft sein könne," (1807) wesentlich gegen
Jacobi gerichtet war.*) — Schubert besuchte er zuerst 1809 in Nürnberg,
der Meister den Schüler, machte ihn zuerst ans Se. Martin aufmerksam, und ver¬
anlaßte die Uebersetzung deS Werks cle l'c-Sprit clss ewses 1811, die er mit einer
Vorrede begleitete. (DaS Buch Des errsurs et cle la veritv hatte bereits Claudius
übersetzt). — Fr. Schlegel lernte er 1811 in Wien kennen, wohin ihn die
Angelegenheit deS Glaubersalzes geführt hatte; er blieb mit ihm in Verkehr
und veranlaßte ihn, seine frühern Ansichten über das symbolische der gothischen
Baukunst, über Freimaurerei u. s. w. aufzugeben. — Die Korrespondenz die¬
ser Periode ist sehr interessant; ste führt uns hinter die Coulissen der Natur¬
philosophie, und zeigt uns, daß diese Auguren ihr Geschäft im vollsten Ernst
treiben. Das Dreieck mit dem Punkt in der Mitte spielt die Hauptrolle;
zu den Korrespondenten gehören außer Schubert der Verfasser deS Magikons,
Kleuker, der Arzt v. Stransky, hauptsächlich aber der Physiker I. W-Rit¬
ter, (in Jena 1803), der über den Galvanismus nicht unbedeutende Ent¬
deckungen gemacht hat, und der sich in dieser Zeit hauptsächlich darauf legte,
durch Experimente an qualificirten Subjecten, die dazu eigens gemiethet wur¬
den, hinter die Geheimnisse der Rhabdomantie, des Geistersehens, des Som¬
nambulismus u. s. w. zu kommen. In diesen Briefen haben wir das voll¬
ständige HereneinmaleinS, mitunter wird einem wüst im Kopf. Ritter schreibt
aus Ulm, 1807: „Ich bin jetzt völlig in den thierischen Magnetismus einge¬
weiht. Eine Entdeckung von Wichtigkeit denke ich durch die eines passiven
Bewußtseins, die deö Unwillkürlichen, gemacht zu haben. Es wird durch
Frage, Andenken erregt. In der weitern Anwendung gibt es selbst dem
Leben am Tode Bedeutung, und stellt die Lebenden als Todtengericht auf.
Weiter dann, daß eben dadurch neue, reinere Willkür hervorgerufen wird, und
damit neues, individuelles Lebe», das gibt sogar die Theorie der Unsterblich¬
keit ganz. ES schließt der Sinn des Monumentes sich ans; das Monument
gibt unmittelbar Leben dem, dem es gesetzt ist.**) Hier neue Aufschlüsse
in die Magie. Dann Theorie der Kraft der Phantasie. Alles Vor¬
gestellte ist wirklich, ebendeshalb aber hat es nur die eine Hälfie seiner Wirklich¬
keit, eine Halbwirklichkeit, für uns, grade wie schon jeder dritte uns doch nicht
so wirklich ist, als wir uns selbst. Ferner hier Theorie des Gewissens,
indem actives Bewußtsein von passivem sich nur dadurch unterscheidet, daß
dort die Frage mit der Antwort, und hier die bloße Antwort zum Bewußtsein
kommt. Alle unsere reinen Handlungen sind somnambulistisch. Antwort aus




') »Fichte," schreibt er 1806 an Jacobi, ignorirt die dynamische Construction. aber nur
well er ein wahrer Ignorant in allem, was Physik und Natur betrifft, ist." „Ohne Mystik
(habe sie Form, welche sie wolle) keine Moral; Religion vereint überall beide."
Im Original unterstrichen, und so fort.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105204"/>
          <p xml:id="ID_1270" prev="#ID_1269" next="#ID_1271"> daß kein übler Gebrauch der Vernunft sein könne," (1807) wesentlich gegen<lb/>
Jacobi gerichtet war.*) &#x2014; Schubert besuchte er zuerst 1809 in Nürnberg,<lb/>
der Meister den Schüler, machte ihn zuerst ans Se. Martin aufmerksam, und ver¬<lb/>
anlaßte die Uebersetzung deS Werks cle l'c-Sprit clss ewses 1811, die er mit einer<lb/>
Vorrede begleitete. (DaS Buch Des errsurs et cle la veritv hatte bereits Claudius<lb/>
übersetzt). &#x2014; Fr. Schlegel lernte er 1811 in Wien kennen, wohin ihn die<lb/>
Angelegenheit deS Glaubersalzes geführt hatte; er blieb mit ihm in Verkehr<lb/>
und veranlaßte ihn, seine frühern Ansichten über das symbolische der gothischen<lb/>
Baukunst, über Freimaurerei u. s. w. aufzugeben. &#x2014; Die Korrespondenz die¬<lb/>
ser Periode ist sehr interessant; ste führt uns hinter die Coulissen der Natur¬<lb/>
philosophie, und zeigt uns, daß diese Auguren ihr Geschäft im vollsten Ernst<lb/>
treiben. Das Dreieck mit dem Punkt in der Mitte spielt die Hauptrolle;<lb/>
zu den Korrespondenten gehören außer Schubert der Verfasser deS Magikons,<lb/>
Kleuker, der Arzt v. Stransky, hauptsächlich aber der Physiker I. W-Rit¬<lb/>
ter, (in Jena 1803), der über den Galvanismus nicht unbedeutende Ent¬<lb/>
deckungen gemacht hat, und der sich in dieser Zeit hauptsächlich darauf legte,<lb/>
durch Experimente an qualificirten Subjecten, die dazu eigens gemiethet wur¬<lb/>
den, hinter die Geheimnisse der Rhabdomantie, des Geistersehens, des Som¬<lb/>
nambulismus u. s. w. zu kommen. In diesen Briefen haben wir das voll¬<lb/>
ständige HereneinmaleinS, mitunter wird einem wüst im Kopf. Ritter schreibt<lb/>
aus Ulm, 1807: &#x201E;Ich bin jetzt völlig in den thierischen Magnetismus einge¬<lb/>
weiht. Eine Entdeckung von Wichtigkeit denke ich durch die eines passiven<lb/>
Bewußtseins, die deö Unwillkürlichen, gemacht zu haben. Es wird durch<lb/>
Frage, Andenken erregt. In der weitern Anwendung gibt es selbst dem<lb/>
Leben am Tode Bedeutung, und stellt die Lebenden als Todtengericht auf.<lb/>
Weiter dann, daß eben dadurch neue, reinere Willkür hervorgerufen wird, und<lb/>
damit neues, individuelles Lebe», das gibt sogar die Theorie der Unsterblich¬<lb/>
keit ganz. ES schließt der Sinn des Monumentes sich ans; das Monument<lb/>
gibt unmittelbar Leben dem, dem es gesetzt ist.**) Hier neue Aufschlüsse<lb/>
in die Magie. Dann Theorie der Kraft der Phantasie. Alles Vor¬<lb/>
gestellte ist wirklich, ebendeshalb aber hat es nur die eine Hälfie seiner Wirklich¬<lb/>
keit, eine Halbwirklichkeit, für uns, grade wie schon jeder dritte uns doch nicht<lb/>
so wirklich ist, als wir uns selbst. Ferner hier Theorie des Gewissens,<lb/>
indem actives Bewußtsein von passivem sich nur dadurch unterscheidet, daß<lb/>
dort die Frage mit der Antwort, und hier die bloße Antwort zum Bewußtsein<lb/>
kommt.  Alle unsere reinen Handlungen sind somnambulistisch. Antwort aus</p><lb/>
          <note xml:id="FID_17" place="foot"> ') »Fichte," schreibt er 1806 an Jacobi, ignorirt die dynamische Construction. aber nur<lb/>
well er ein wahrer Ignorant in allem, was Physik und Natur betrifft, ist." &#x201E;Ohne Mystik<lb/>
(habe sie Form, welche sie wolle) keine Moral; Religion vereint überall beide."</note><lb/>
          <note xml:id="FID_18" place="foot"> Im Original unterstrichen, und so fort.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] daß kein übler Gebrauch der Vernunft sein könne," (1807) wesentlich gegen Jacobi gerichtet war.*) — Schubert besuchte er zuerst 1809 in Nürnberg, der Meister den Schüler, machte ihn zuerst ans Se. Martin aufmerksam, und ver¬ anlaßte die Uebersetzung deS Werks cle l'c-Sprit clss ewses 1811, die er mit einer Vorrede begleitete. (DaS Buch Des errsurs et cle la veritv hatte bereits Claudius übersetzt). — Fr. Schlegel lernte er 1811 in Wien kennen, wohin ihn die Angelegenheit deS Glaubersalzes geführt hatte; er blieb mit ihm in Verkehr und veranlaßte ihn, seine frühern Ansichten über das symbolische der gothischen Baukunst, über Freimaurerei u. s. w. aufzugeben. — Die Korrespondenz die¬ ser Periode ist sehr interessant; ste führt uns hinter die Coulissen der Natur¬ philosophie, und zeigt uns, daß diese Auguren ihr Geschäft im vollsten Ernst treiben. Das Dreieck mit dem Punkt in der Mitte spielt die Hauptrolle; zu den Korrespondenten gehören außer Schubert der Verfasser deS Magikons, Kleuker, der Arzt v. Stransky, hauptsächlich aber der Physiker I. W-Rit¬ ter, (in Jena 1803), der über den Galvanismus nicht unbedeutende Ent¬ deckungen gemacht hat, und der sich in dieser Zeit hauptsächlich darauf legte, durch Experimente an qualificirten Subjecten, die dazu eigens gemiethet wur¬ den, hinter die Geheimnisse der Rhabdomantie, des Geistersehens, des Som¬ nambulismus u. s. w. zu kommen. In diesen Briefen haben wir das voll¬ ständige HereneinmaleinS, mitunter wird einem wüst im Kopf. Ritter schreibt aus Ulm, 1807: „Ich bin jetzt völlig in den thierischen Magnetismus einge¬ weiht. Eine Entdeckung von Wichtigkeit denke ich durch die eines passiven Bewußtseins, die deö Unwillkürlichen, gemacht zu haben. Es wird durch Frage, Andenken erregt. In der weitern Anwendung gibt es selbst dem Leben am Tode Bedeutung, und stellt die Lebenden als Todtengericht auf. Weiter dann, daß eben dadurch neue, reinere Willkür hervorgerufen wird, und damit neues, individuelles Lebe», das gibt sogar die Theorie der Unsterblich¬ keit ganz. ES schließt der Sinn des Monumentes sich ans; das Monument gibt unmittelbar Leben dem, dem es gesetzt ist.**) Hier neue Aufschlüsse in die Magie. Dann Theorie der Kraft der Phantasie. Alles Vor¬ gestellte ist wirklich, ebendeshalb aber hat es nur die eine Hälfie seiner Wirklich¬ keit, eine Halbwirklichkeit, für uns, grade wie schon jeder dritte uns doch nicht so wirklich ist, als wir uns selbst. Ferner hier Theorie des Gewissens, indem actives Bewußtsein von passivem sich nur dadurch unterscheidet, daß dort die Frage mit der Antwort, und hier die bloße Antwort zum Bewußtsein kommt. Alle unsere reinen Handlungen sind somnambulistisch. Antwort aus ') »Fichte," schreibt er 1806 an Jacobi, ignorirt die dynamische Construction. aber nur well er ein wahrer Ignorant in allem, was Physik und Natur betrifft, ist." „Ohne Mystik (habe sie Form, welche sie wolle) keine Moral; Religion vereint überall beide." Im Original unterstrichen, und so fort.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/469
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/469>, abgerufen am 23.07.2024.