Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.schaft der Großmächte, die bisher in allen Angelegenheiten des Landes ES war die höchste Zeit, wenn man nicht zur Knechtschaft in einer andern schaft der Großmächte, die bisher in allen Angelegenheiten des Landes ES war die höchste Zeit, wenn man nicht zur Knechtschaft in einer andern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0453" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105188"/> <p xml:id="ID_1231" prev="#ID_1230"> schaft der Großmächte, die bisher in allen Angelegenheiten des Landes<lb/> geltend gemacht, aufgehört, sich zu äußern, als die Union sich zu lockern, der<lb/> Widerstreit der Principien sich aufs Neue zu regen begann: Die äußeren<lb/> Fragen waren entschieden, es mußten naturgemäß jetzt auch die nicht weniger<lb/> wichtigen inneren zum Ausrrag kommen, und hier wurde man bald inne, daß<lb/> die Interessen und Tendenzen der beiden Parteien sich ebenso schroff gegen¬<lb/> überstanden, wie früher die Interessen und Tendenzen der Union den An¬<lb/> sprüchen Hollands. Die katholische Partei harte die Freiheit mit der rsger-<lb/> vgl!» msntslis erkämpfen helfen, daß die Freiheit der Kirche, dem Klerus,<lb/> dem Katholicismus, wie sie ihn auffaßte, und diesem wo möglich allein, zu<lb/> gute kommen sollte. Ihre Führer hatten so klug lavirt, die Liberalen ihrerseits<lb/> in Betracht der Umstände so bereitwillig nachgegeben, daß die Union bis gegen<lb/> das Jahr lediglich zum Vortheil der Klerikalen fortbestanden hatte. Jetzt<lb/> aber schien eS an der Zeit, dem System des Ausschiebens und Hinhaltens,<lb/> deS Conservirens alter Mißstände und des Nücksichtnehmens ans die guten<lb/> Freunde, die in Wirklichkeit die bittersten Gegner waren, ein Ende zu machen,<lb/> und nach einigen Plänkeleien kam es zwischen den Parteien zum vollständigen<lb/> Bruch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1232" next="#ID_1233"> ES war die höchste Zeit, wenn man nicht zur Knechtschaft in einer andern<lb/> Form zurückkehren und wenn daS Land nicht t'em Ruin mit raschen Schritten<lb/> entgegengehen sollte. Die Gegner der klerikalen Ansprüche begannen die bis<lb/> dahin vertagten Fragen anzuregen, und von jetzt an datirt sich der selbst durch<lb/> einzelne Niederlagen nicht aufzuhaltende Sieg des Liberalismus. Bis jetzt war<lb/> die Verwaltung in den Händen der Klerikalen gewesen, wenigstens in deren<lb/> Sinne geführt worden, und die Partei hatte zu handeln, oder vielmehr in<lb/> der Weise der Barnacles und des cirLumloeution oKek nicht zu handeln ver¬<lb/> standen. Die Finanzen geriethen darüber in den kläglichsten Zustand, wichtige<lb/> Angelegenheiten der größern Städte blieben ungeordnet, die höchst bedeutsame<lb/> Unterrichtsfrage unentschieden, Handelsübereinkünftc mit den Nachbarstaaten<lb/> ungeschlossen. Die Geistlichkeit hatte hierbei kein Interesse, oder nur ein<lb/> solches, welches Neuerungen ausschloß. Sie würde für Wiedereinführung des<lb/> Zehntens gewirkt haben, wenn sie es hätte wagen können. Sie fing, den<lb/> Bischof von Lüttich an der Spitze, einen Streit mit den Freimaurern, als<lb/> Vertretern der Aufklärung an. Sie war ängstlich besorgt, daß der Unwissen¬<lb/> heit des Volkes nicht durch Verbesserung des Unterrichts abgeholfen werde.<lb/> Die Liberalen dagegen machten jetzt die Wcchlrefvrm, die Gleichstellung des<lb/> Census zwischen Stadt und Land und die Kenntniß des Lesens und Schrei¬<lb/> bens als Bedingung des Wahlrechts zu Losungsworten. So, bildeten sich<lb/> allmälig zwei Lager mit verschiedenen Fahnen und Führern. Der Anstoß ging<lb/> von den Städten aus, und da diese der größern Bildung ihrer Bewohner</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0453]
schaft der Großmächte, die bisher in allen Angelegenheiten des Landes
geltend gemacht, aufgehört, sich zu äußern, als die Union sich zu lockern, der
Widerstreit der Principien sich aufs Neue zu regen begann: Die äußeren
Fragen waren entschieden, es mußten naturgemäß jetzt auch die nicht weniger
wichtigen inneren zum Ausrrag kommen, und hier wurde man bald inne, daß
die Interessen und Tendenzen der beiden Parteien sich ebenso schroff gegen¬
überstanden, wie früher die Interessen und Tendenzen der Union den An¬
sprüchen Hollands. Die katholische Partei harte die Freiheit mit der rsger-
vgl!» msntslis erkämpfen helfen, daß die Freiheit der Kirche, dem Klerus,
dem Katholicismus, wie sie ihn auffaßte, und diesem wo möglich allein, zu
gute kommen sollte. Ihre Führer hatten so klug lavirt, die Liberalen ihrerseits
in Betracht der Umstände so bereitwillig nachgegeben, daß die Union bis gegen
das Jahr lediglich zum Vortheil der Klerikalen fortbestanden hatte. Jetzt
aber schien eS an der Zeit, dem System des Ausschiebens und Hinhaltens,
deS Conservirens alter Mißstände und des Nücksichtnehmens ans die guten
Freunde, die in Wirklichkeit die bittersten Gegner waren, ein Ende zu machen,
und nach einigen Plänkeleien kam es zwischen den Parteien zum vollständigen
Bruch.
ES war die höchste Zeit, wenn man nicht zur Knechtschaft in einer andern
Form zurückkehren und wenn daS Land nicht t'em Ruin mit raschen Schritten
entgegengehen sollte. Die Gegner der klerikalen Ansprüche begannen die bis
dahin vertagten Fragen anzuregen, und von jetzt an datirt sich der selbst durch
einzelne Niederlagen nicht aufzuhaltende Sieg des Liberalismus. Bis jetzt war
die Verwaltung in den Händen der Klerikalen gewesen, wenigstens in deren
Sinne geführt worden, und die Partei hatte zu handeln, oder vielmehr in
der Weise der Barnacles und des cirLumloeution oKek nicht zu handeln ver¬
standen. Die Finanzen geriethen darüber in den kläglichsten Zustand, wichtige
Angelegenheiten der größern Städte blieben ungeordnet, die höchst bedeutsame
Unterrichtsfrage unentschieden, Handelsübereinkünftc mit den Nachbarstaaten
ungeschlossen. Die Geistlichkeit hatte hierbei kein Interesse, oder nur ein
solches, welches Neuerungen ausschloß. Sie würde für Wiedereinführung des
Zehntens gewirkt haben, wenn sie es hätte wagen können. Sie fing, den
Bischof von Lüttich an der Spitze, einen Streit mit den Freimaurern, als
Vertretern der Aufklärung an. Sie war ängstlich besorgt, daß der Unwissen¬
heit des Volkes nicht durch Verbesserung des Unterrichts abgeholfen werde.
Die Liberalen dagegen machten jetzt die Wcchlrefvrm, die Gleichstellung des
Census zwischen Stadt und Land und die Kenntniß des Lesens und Schrei¬
bens als Bedingung des Wahlrechts zu Losungsworten. So, bildeten sich
allmälig zwei Lager mit verschiedenen Fahnen und Führern. Der Anstoß ging
von den Städten aus, und da diese der größern Bildung ihrer Bewohner
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