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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Nachrichten sein und pflegten in der That schon seit alter Zeit die tüchtigeren
der hiesigen Gelehrten in seinen Spalten über einschlagende Bücher ihrer
Wissenschaft zu referiren. Indessen hängt diese Mitwirkung doch gar zu sehr
vom Zufall ab.

Zwischen ihm und den "Hamburger Nachrichten" besteht eine gewisse
Rivalität. Die letzteren sind jedenfalls das gelesener" Blatt. Ihre politische
Richtung ist die liberal constitutionelle. In den Jahren 1848 und 1849 hielten
sie sich zur gothaischen Partei. Dr. Heckscher, der spätere Neichsminister und
jetzige Hamburger Ministerresident in Wien, war eine Zeitlang Mitarbeiter am
politischen Theil. AIS das Interesse an der Politik flauer wurde, richteten
die "Nachrichten" im Jahre 1831 ein Feuilleton ein, dessen Fürsorge >.)r. N.
Heller übergeben wurde. Es brachte seitdem Novellen von Schücking, Hack¬
länder, Reiseskizzen von Gerstcickcr, und mehre gediegene Kunstberichte aus
Paris. Es ist also auch für diejenigen, die solche literarische Genüsse portions¬
weise einzuschlürfen lieben, für genießbare Kost gesorgt.

Der Sache gemäß pflegt in größern Blättern immer nur knapper Raum für An¬
deres als Politik zu sein, und ist es daher wünschenswert!), daß in jeder bedeuten¬
den Stadt neben ihnen mindestens ein literarisches Journal eristire, das wöchent¬
lich den intellectuellen Bedarf in einer dem Interesse deS Orts entsprechenden
Weise versorge. Mit diesem Jahre entstand hier ein Blatt der "Kompaß",
von Walisrode und BolkShausen redigirt, um vicsem Bedürfniß nachzukommen.
Gewiß verdient diese Tendenz Anerkennung, aber bedauern muß ich, daß das
Blatt dadurch, daß eS in politischer Parteifarhe auftrat, den Kreis seiner
Abnehmer enger zog, als für ein solches Unternehmen wünschenswert!) ist.
So ging es vor einigen Wochen ein. Ohne jene Beschränkung hätte es gewiß
als ein wirkliches Hamburger Kunst- und Intelligenzblatt in allen Kreisen
Eingang finden und sich durch Concentrirung aller hiesigen geistigen Inter-
essen allgemein nothwendig machen können. Es hätte sich so zu sagen zum
geistigen Hausbedarf aller Gelehrten und Gebildeten machen lassen und hier
am Orte zur Belebung geistiger Dinge von Bedeutung werden können. In¬
dessen hat der "Kompaß" unzweifelhaft durch seine Berichte über die fort¬
während eingehenden Novitäten unserer Gemäldeausstellung zum verstärkten
Besuch dieses werdenden KunstinstituteS wesentlich beigetragen. Für hambur-
gische Dinge hatte der Kompaß immerhin schon eine größere Wichtigkeit,
"is die hier unter Wests Redaction erscheinende Modenzeitung "Jahres¬
zeiten" und die im Auslande mehr als hier gelesenen "hamburgischen
literarischen und kritischen Blätter", die Or. Hoffmann redigirt.

Ungünstig war es gewiß für den Kompaß, daß hier kurz vor ihm eine
andere Wochenschrift, daS "Jahrhundert" in Rechnung auf die Theilnahme
derselben Partei ins Leben getreten war. Indessen I'.r ihre Sphäre nicht so


Nachrichten sein und pflegten in der That schon seit alter Zeit die tüchtigeren
der hiesigen Gelehrten in seinen Spalten über einschlagende Bücher ihrer
Wissenschaft zu referiren. Indessen hängt diese Mitwirkung doch gar zu sehr
vom Zufall ab.

Zwischen ihm und den „Hamburger Nachrichten" besteht eine gewisse
Rivalität. Die letzteren sind jedenfalls das gelesener« Blatt. Ihre politische
Richtung ist die liberal constitutionelle. In den Jahren 1848 und 1849 hielten
sie sich zur gothaischen Partei. Dr. Heckscher, der spätere Neichsminister und
jetzige Hamburger Ministerresident in Wien, war eine Zeitlang Mitarbeiter am
politischen Theil. AIS das Interesse an der Politik flauer wurde, richteten
die „Nachrichten" im Jahre 1831 ein Feuilleton ein, dessen Fürsorge >.)r. N.
Heller übergeben wurde. Es brachte seitdem Novellen von Schücking, Hack¬
länder, Reiseskizzen von Gerstcickcr, und mehre gediegene Kunstberichte aus
Paris. Es ist also auch für diejenigen, die solche literarische Genüsse portions¬
weise einzuschlürfen lieben, für genießbare Kost gesorgt.

Der Sache gemäß pflegt in größern Blättern immer nur knapper Raum für An¬
deres als Politik zu sein, und ist es daher wünschenswert!), daß in jeder bedeuten¬
den Stadt neben ihnen mindestens ein literarisches Journal eristire, das wöchent¬
lich den intellectuellen Bedarf in einer dem Interesse deS Orts entsprechenden
Weise versorge. Mit diesem Jahre entstand hier ein Blatt der „Kompaß",
von Walisrode und BolkShausen redigirt, um vicsem Bedürfniß nachzukommen.
Gewiß verdient diese Tendenz Anerkennung, aber bedauern muß ich, daß das
Blatt dadurch, daß eS in politischer Parteifarhe auftrat, den Kreis seiner
Abnehmer enger zog, als für ein solches Unternehmen wünschenswert!) ist.
So ging es vor einigen Wochen ein. Ohne jene Beschränkung hätte es gewiß
als ein wirkliches Hamburger Kunst- und Intelligenzblatt in allen Kreisen
Eingang finden und sich durch Concentrirung aller hiesigen geistigen Inter-
essen allgemein nothwendig machen können. Es hätte sich so zu sagen zum
geistigen Hausbedarf aller Gelehrten und Gebildeten machen lassen und hier
am Orte zur Belebung geistiger Dinge von Bedeutung werden können. In¬
dessen hat der „Kompaß" unzweifelhaft durch seine Berichte über die fort¬
während eingehenden Novitäten unserer Gemäldeausstellung zum verstärkten
Besuch dieses werdenden KunstinstituteS wesentlich beigetragen. Für hambur-
gische Dinge hatte der Kompaß immerhin schon eine größere Wichtigkeit,
"is die hier unter Wests Redaction erscheinende Modenzeitung „Jahres¬
zeiten" und die im Auslande mehr als hier gelesenen „hamburgischen
literarischen und kritischen Blätter", die Or. Hoffmann redigirt.

Ungünstig war es gewiß für den Kompaß, daß hier kurz vor ihm eine
andere Wochenschrift, daS „Jahrhundert" in Rechnung auf die Theilnahme
derselben Partei ins Leben getreten war. Indessen I'.r ihre Sphäre nicht so


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[0431] Nachrichten sein und pflegten in der That schon seit alter Zeit die tüchtigeren der hiesigen Gelehrten in seinen Spalten über einschlagende Bücher ihrer Wissenschaft zu referiren. Indessen hängt diese Mitwirkung doch gar zu sehr vom Zufall ab. Zwischen ihm und den „Hamburger Nachrichten" besteht eine gewisse Rivalität. Die letzteren sind jedenfalls das gelesener« Blatt. Ihre politische Richtung ist die liberal constitutionelle. In den Jahren 1848 und 1849 hielten sie sich zur gothaischen Partei. Dr. Heckscher, der spätere Neichsminister und jetzige Hamburger Ministerresident in Wien, war eine Zeitlang Mitarbeiter am politischen Theil. AIS das Interesse an der Politik flauer wurde, richteten die „Nachrichten" im Jahre 1831 ein Feuilleton ein, dessen Fürsorge >.)r. N. Heller übergeben wurde. Es brachte seitdem Novellen von Schücking, Hack¬ länder, Reiseskizzen von Gerstcickcr, und mehre gediegene Kunstberichte aus Paris. Es ist also auch für diejenigen, die solche literarische Genüsse portions¬ weise einzuschlürfen lieben, für genießbare Kost gesorgt. Der Sache gemäß pflegt in größern Blättern immer nur knapper Raum für An¬ deres als Politik zu sein, und ist es daher wünschenswert!), daß in jeder bedeuten¬ den Stadt neben ihnen mindestens ein literarisches Journal eristire, das wöchent¬ lich den intellectuellen Bedarf in einer dem Interesse deS Orts entsprechenden Weise versorge. Mit diesem Jahre entstand hier ein Blatt der „Kompaß", von Walisrode und BolkShausen redigirt, um vicsem Bedürfniß nachzukommen. Gewiß verdient diese Tendenz Anerkennung, aber bedauern muß ich, daß das Blatt dadurch, daß eS in politischer Parteifarhe auftrat, den Kreis seiner Abnehmer enger zog, als für ein solches Unternehmen wünschenswert!) ist. So ging es vor einigen Wochen ein. Ohne jene Beschränkung hätte es gewiß als ein wirkliches Hamburger Kunst- und Intelligenzblatt in allen Kreisen Eingang finden und sich durch Concentrirung aller hiesigen geistigen Inter- essen allgemein nothwendig machen können. Es hätte sich so zu sagen zum geistigen Hausbedarf aller Gelehrten und Gebildeten machen lassen und hier am Orte zur Belebung geistiger Dinge von Bedeutung werden können. In¬ dessen hat der „Kompaß" unzweifelhaft durch seine Berichte über die fort¬ während eingehenden Novitäten unserer Gemäldeausstellung zum verstärkten Besuch dieses werdenden KunstinstituteS wesentlich beigetragen. Für hambur- gische Dinge hatte der Kompaß immerhin schon eine größere Wichtigkeit, "is die hier unter Wests Redaction erscheinende Modenzeitung „Jahres¬ zeiten" und die im Auslande mehr als hier gelesenen „hamburgischen literarischen und kritischen Blätter", die Or. Hoffmann redigirt. Ungünstig war es gewiß für den Kompaß, daß hier kurz vor ihm eine andere Wochenschrift, daS „Jahrhundert" in Rechnung auf die Theilnahme derselben Partei ins Leben getreten war. Indessen I'.r ihre Sphäre nicht so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/431>, abgerufen am 23.07.2024.