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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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oireenses Juvenals war in dem kaiserlichen Rom nicht blos der Ausdruck der
Volkswünsche, sondern auch die Devise der von den Ccisaren befolgten Politik:
das hauptstädtische Proletariat zu füttern und zu amüstren. Die Kosten trugen
theils die Provinzen, die bis zur völligen Erschöpfung systematisch ausgesogen
wurden-- also das ganze römische Reich-- theils die Aristokratie. Nur dieser
standen nämlich die auch in der Monarchie noch beibehaltenen Ehrenämter der
Republik, als Consulat, P^ätur u. s. w. offen; zwar waren sie jeder wirk¬
lichen Macht so gut wie völlig entkleidet, aber sie gaben noch immer Rang,
Titel, äußere Ehren und Auszeichnungen und wurden daher eifrig gesucht.
Doch die meisten dieser Würden mußten theuer erkauft werden, sie verpflichte¬
ten nämlich den Inhaber, dem Volke die höchst kostspielige Unterhaltung der
Schauspiele zu gewähren. Manche vornehme Familie wurde durch die bei
dieser Gelegenheit schwer zu vermeidende Verschwendung ruinirt, andere nur
durch kaiserliche Vorschüsse und Unterstützungen in den Stand gesetzt, ihre
Stellung zu behaupten. Mit der Zeit trat Mangel an Bewerbern um die
Ehrenämter ein; die Regierungen hätten sie ohne Zweifel eingehen lassen, wenn
sie nicht die den Würdenträgern aufgebürdeten Schauspiele hätten aufrecht
erhalten wollen und müssen. Die Uebernahme derselben wurde nun für alle
Personen von einem bestimmten Einkommen, die über 25 Jahre alt waren,
obligatorisch, sowol in Rom wie in Konstantinopel; denn auch in diese zweite
Residenz waren die Einrichtungen der ersten übertragen'worden. Wenn die
Zeit zur Ernennung der betreffenden Beamten herannahte, suchten sich viele
durch Flucht aus den beiden Hauptstädten der erdrückenden Ehre zu entziehen;
indessen auch dieser Ausweg wurde durch kaiserliche Erlasse abgeschnitten, nach
welchen der Fiscus in Abwesenheit derer, die die Spiele zu geben hatten, die¬
selben auf ihre Kosten veranstaltete und sie überdies noch mit einer schweren
Geldbuße belegte.

In wie großartigem Maßstabe die circensischen Spiele noch in den letzten
Zeiten des römischen Reichs von den Großen der Monarchie veranstaltet wur¬
den, davon erhalten wir eine Vorstellung durch die interessante Briefsammlung
des Symmachus. Quintus Aurelius Symmachus war in jedem Sinn einer der
hervorragendsten Männer Roms gegen Ende des vierten Jahrhunderts. Er
wgr keiner der reichsten Senatoren, hatte aber die höchsten Staatsämter bekleidet.
Sein Palast schaute von der Höhe auf die Stadt nieder, auf welcher sich jetzt
die weitläufigen und wüstliegenden Gärten von Villa Casali ausbreiten. Mit
einigen geistesverwandten Männern strebte er mit der äußersten Anstrengung,
die schon verlorene Sache des Heidenthums gegen das siegreiche Christenthum
zu behaupten. Die Bemühungen dieser letzten Heiden waren ans eine äußer¬
liche und innerliche Wiedergeburt des alten Glaubens gerichtet, sie galten der
Wiederbelebung der classischen Literatur nicht minder alö der Aufrechthaltung


Grenzboten IV. -1867. ' 49

oireenses Juvenals war in dem kaiserlichen Rom nicht blos der Ausdruck der
Volkswünsche, sondern auch die Devise der von den Ccisaren befolgten Politik:
das hauptstädtische Proletariat zu füttern und zu amüstren. Die Kosten trugen
theils die Provinzen, die bis zur völligen Erschöpfung systematisch ausgesogen
wurden— also das ganze römische Reich— theils die Aristokratie. Nur dieser
standen nämlich die auch in der Monarchie noch beibehaltenen Ehrenämter der
Republik, als Consulat, P^ätur u. s. w. offen; zwar waren sie jeder wirk¬
lichen Macht so gut wie völlig entkleidet, aber sie gaben noch immer Rang,
Titel, äußere Ehren und Auszeichnungen und wurden daher eifrig gesucht.
Doch die meisten dieser Würden mußten theuer erkauft werden, sie verpflichte¬
ten nämlich den Inhaber, dem Volke die höchst kostspielige Unterhaltung der
Schauspiele zu gewähren. Manche vornehme Familie wurde durch die bei
dieser Gelegenheit schwer zu vermeidende Verschwendung ruinirt, andere nur
durch kaiserliche Vorschüsse und Unterstützungen in den Stand gesetzt, ihre
Stellung zu behaupten. Mit der Zeit trat Mangel an Bewerbern um die
Ehrenämter ein; die Regierungen hätten sie ohne Zweifel eingehen lassen, wenn
sie nicht die den Würdenträgern aufgebürdeten Schauspiele hätten aufrecht
erhalten wollen und müssen. Die Uebernahme derselben wurde nun für alle
Personen von einem bestimmten Einkommen, die über 25 Jahre alt waren,
obligatorisch, sowol in Rom wie in Konstantinopel; denn auch in diese zweite
Residenz waren die Einrichtungen der ersten übertragen'worden. Wenn die
Zeit zur Ernennung der betreffenden Beamten herannahte, suchten sich viele
durch Flucht aus den beiden Hauptstädten der erdrückenden Ehre zu entziehen;
indessen auch dieser Ausweg wurde durch kaiserliche Erlasse abgeschnitten, nach
welchen der Fiscus in Abwesenheit derer, die die Spiele zu geben hatten, die¬
selben auf ihre Kosten veranstaltete und sie überdies noch mit einer schweren
Geldbuße belegte.

In wie großartigem Maßstabe die circensischen Spiele noch in den letzten
Zeiten des römischen Reichs von den Großen der Monarchie veranstaltet wur¬
den, davon erhalten wir eine Vorstellung durch die interessante Briefsammlung
des Symmachus. Quintus Aurelius Symmachus war in jedem Sinn einer der
hervorragendsten Männer Roms gegen Ende des vierten Jahrhunderts. Er
wgr keiner der reichsten Senatoren, hatte aber die höchsten Staatsämter bekleidet.
Sein Palast schaute von der Höhe auf die Stadt nieder, auf welcher sich jetzt
die weitläufigen und wüstliegenden Gärten von Villa Casali ausbreiten. Mit
einigen geistesverwandten Männern strebte er mit der äußersten Anstrengung,
die schon verlorene Sache des Heidenthums gegen das siegreiche Christenthum
zu behaupten. Die Bemühungen dieser letzten Heiden waren ans eine äußer¬
liche und innerliche Wiedergeburt des alten Glaubens gerichtet, sie galten der
Wiederbelebung der classischen Literatur nicht minder alö der Aufrechthaltung


Grenzboten IV. -1867. ' 49
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/393>, abgerufen am 23.07.2024.