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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Natürlich paßten Statue und Inschrift nicht immer zusammen; die Namen
von Leuten, die ihr Zimmer nie anders als in der Sänfte verließen, las
man an den Postamenten von Reiterstatuen, die Namen von Schauspielern
unter ^ den Gestalten großer Männer aus der Zeit des freien Griechenlands
u. f. w. Die Römer scheinen an diesen Quiproquos keinen Anstoß genommen
zu haben.

Wie alle Handwerke wurde auch daS Kunsthandwerk zum großen Theil
von Sklaven betrieben. Nicht blos in den Palästen der Großen, sondern
auch in den bescheideneren Wohnungen wurden die decorativer Arbeiten gewiß sehr
häufig von den Leuten deS Besitzers ausgeführt, in Hadrians Zeit gehörte
"ein Kerl, der schnell viele Gesichter malen kann und ein krummgebückter Ar¬
beiter in Metall" zu dem Comfort eines sehr mäßigen Haushalts. Auch darf
man vermuthen, daß künstlerische Decorationen, ebenso wie große Bauten in
der Kaiserzeit in Barsch und Bogen von Unternehmern in Accord genommen
wurden, sowol bei öffentlichen als Privatgebäuden, und solche Accordarbeiten
sind sicherlich in den allermeisten Fällen durch Scharen von Sklaven aus¬
geführt worden, die, in den verschiedenen Kunstgattungen ausgebildet und in
gemeinschaftlicher Thätigkeit geübt, daS Verlangte zwar mehr oder minder
fabrikmäßig, aber schnell und billig herstellen konnten. Die Vorstellung, daß
so manches von der Kunstpracht, deren Neste wir anstaunen, unter dem Co""
mando des Aufsehers entstanden ist, zerstört zwar manche Illusion, aber sie
allein läßt die Massenproduction und ihre Wohlfeilheit begreiflich erscheinen.

Mit der beispiellosen Productivität der bildenden Künste in den beiden
ersten Jahrhunderte" steht die auffallende Erscheinung in grellem Contrast, daß
Von den Künstlern dieser Periode (einige zufällig erhaltene Namen abgerech¬
net) sy gut wie keine Kunde aufbehalten ist. Bei den großen Kunstunterneh¬
mungen, wie Prachlforen, Kolonnaden, Bögen, Tempel, Theater, Amphithea¬
ter, Basiliken und Thermen, werden fast immer nur die Namen der Erbauer
genannt, niemals die bei der Ausschmückung thätigen oder leitenden Künstler.
Allerdings erklärt sich dieß bis auf einen gewissen Grad aus der eben ange¬
deuteten Stellung der Künstler, die nicht selbstständig schaffend, sondern nur
als Glieder einer Masse galten, wie auch bei den Kirchenbauten des germa¬
nischen Mittelalters. Aber die Kaiserzeit war eine hochcultivirte Periode mit
einer reichen, den Interessen des Tages eifrig zugewandten Literatur, und
wenn trotz der verhältnißmäßig guten Erhaltung dieser Literatur das Gedächt¬
niß der damaligen Künstler so spurlos verloren ist, so ist der Hauptgrund eben
in dem Verhältniß der Römer zur Kunst zu suchen, die sie nur als Mittel
deS Genusses und der Firirung des vergänglichen Lebens schätzten. Der Künst¬
ler war ihnen im Allgemeinen nur ein anonymes utid wenig beachtetes Werk¬
zeug. Mit dieser Geringschätzung deS Künstlerstandeö stand dessen obscure


Natürlich paßten Statue und Inschrift nicht immer zusammen; die Namen
von Leuten, die ihr Zimmer nie anders als in der Sänfte verließen, las
man an den Postamenten von Reiterstatuen, die Namen von Schauspielern
unter ^ den Gestalten großer Männer aus der Zeit des freien Griechenlands
u. f. w. Die Römer scheinen an diesen Quiproquos keinen Anstoß genommen
zu haben.

Wie alle Handwerke wurde auch daS Kunsthandwerk zum großen Theil
von Sklaven betrieben. Nicht blos in den Palästen der Großen, sondern
auch in den bescheideneren Wohnungen wurden die decorativer Arbeiten gewiß sehr
häufig von den Leuten deS Besitzers ausgeführt, in Hadrians Zeit gehörte
„ein Kerl, der schnell viele Gesichter malen kann und ein krummgebückter Ar¬
beiter in Metall" zu dem Comfort eines sehr mäßigen Haushalts. Auch darf
man vermuthen, daß künstlerische Decorationen, ebenso wie große Bauten in
der Kaiserzeit in Barsch und Bogen von Unternehmern in Accord genommen
wurden, sowol bei öffentlichen als Privatgebäuden, und solche Accordarbeiten
sind sicherlich in den allermeisten Fällen durch Scharen von Sklaven aus¬
geführt worden, die, in den verschiedenen Kunstgattungen ausgebildet und in
gemeinschaftlicher Thätigkeit geübt, daS Verlangte zwar mehr oder minder
fabrikmäßig, aber schnell und billig herstellen konnten. Die Vorstellung, daß
so manches von der Kunstpracht, deren Neste wir anstaunen, unter dem Co»"
mando des Aufsehers entstanden ist, zerstört zwar manche Illusion, aber sie
allein läßt die Massenproduction und ihre Wohlfeilheit begreiflich erscheinen.

Mit der beispiellosen Productivität der bildenden Künste in den beiden
ersten Jahrhunderte» steht die auffallende Erscheinung in grellem Contrast, daß
Von den Künstlern dieser Periode (einige zufällig erhaltene Namen abgerech¬
net) sy gut wie keine Kunde aufbehalten ist. Bei den großen Kunstunterneh¬
mungen, wie Prachlforen, Kolonnaden, Bögen, Tempel, Theater, Amphithea¬
ter, Basiliken und Thermen, werden fast immer nur die Namen der Erbauer
genannt, niemals die bei der Ausschmückung thätigen oder leitenden Künstler.
Allerdings erklärt sich dieß bis auf einen gewissen Grad aus der eben ange¬
deuteten Stellung der Künstler, die nicht selbstständig schaffend, sondern nur
als Glieder einer Masse galten, wie auch bei den Kirchenbauten des germa¬
nischen Mittelalters. Aber die Kaiserzeit war eine hochcultivirte Periode mit
einer reichen, den Interessen des Tages eifrig zugewandten Literatur, und
wenn trotz der verhältnißmäßig guten Erhaltung dieser Literatur das Gedächt¬
niß der damaligen Künstler so spurlos verloren ist, so ist der Hauptgrund eben
in dem Verhältniß der Römer zur Kunst zu suchen, die sie nur als Mittel
deS Genusses und der Firirung des vergänglichen Lebens schätzten. Der Künst¬
ler war ihnen im Allgemeinen nur ein anonymes utid wenig beachtetes Werk¬
zeug. Mit dieser Geringschätzung deS Künstlerstandeö stand dessen obscure


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[0346] Natürlich paßten Statue und Inschrift nicht immer zusammen; die Namen von Leuten, die ihr Zimmer nie anders als in der Sänfte verließen, las man an den Postamenten von Reiterstatuen, die Namen von Schauspielern unter ^ den Gestalten großer Männer aus der Zeit des freien Griechenlands u. f. w. Die Römer scheinen an diesen Quiproquos keinen Anstoß genommen zu haben. Wie alle Handwerke wurde auch daS Kunsthandwerk zum großen Theil von Sklaven betrieben. Nicht blos in den Palästen der Großen, sondern auch in den bescheideneren Wohnungen wurden die decorativer Arbeiten gewiß sehr häufig von den Leuten deS Besitzers ausgeführt, in Hadrians Zeit gehörte „ein Kerl, der schnell viele Gesichter malen kann und ein krummgebückter Ar¬ beiter in Metall" zu dem Comfort eines sehr mäßigen Haushalts. Auch darf man vermuthen, daß künstlerische Decorationen, ebenso wie große Bauten in der Kaiserzeit in Barsch und Bogen von Unternehmern in Accord genommen wurden, sowol bei öffentlichen als Privatgebäuden, und solche Accordarbeiten sind sicherlich in den allermeisten Fällen durch Scharen von Sklaven aus¬ geführt worden, die, in den verschiedenen Kunstgattungen ausgebildet und in gemeinschaftlicher Thätigkeit geübt, daS Verlangte zwar mehr oder minder fabrikmäßig, aber schnell und billig herstellen konnten. Die Vorstellung, daß so manches von der Kunstpracht, deren Neste wir anstaunen, unter dem Co»" mando des Aufsehers entstanden ist, zerstört zwar manche Illusion, aber sie allein läßt die Massenproduction und ihre Wohlfeilheit begreiflich erscheinen. Mit der beispiellosen Productivität der bildenden Künste in den beiden ersten Jahrhunderte» steht die auffallende Erscheinung in grellem Contrast, daß Von den Künstlern dieser Periode (einige zufällig erhaltene Namen abgerech¬ net) sy gut wie keine Kunde aufbehalten ist. Bei den großen Kunstunterneh¬ mungen, wie Prachlforen, Kolonnaden, Bögen, Tempel, Theater, Amphithea¬ ter, Basiliken und Thermen, werden fast immer nur die Namen der Erbauer genannt, niemals die bei der Ausschmückung thätigen oder leitenden Künstler. Allerdings erklärt sich dieß bis auf einen gewissen Grad aus der eben ange¬ deuteten Stellung der Künstler, die nicht selbstständig schaffend, sondern nur als Glieder einer Masse galten, wie auch bei den Kirchenbauten des germa¬ nischen Mittelalters. Aber die Kaiserzeit war eine hochcultivirte Periode mit einer reichen, den Interessen des Tages eifrig zugewandten Literatur, und wenn trotz der verhältnißmäßig guten Erhaltung dieser Literatur das Gedächt¬ niß der damaligen Künstler so spurlos verloren ist, so ist der Hauptgrund eben in dem Verhältniß der Römer zur Kunst zu suchen, die sie nur als Mittel deS Genusses und der Firirung des vergänglichen Lebens schätzten. Der Künst¬ ler war ihnen im Allgemeinen nur ein anonymes utid wenig beachtetes Werk¬ zeug. Mit dieser Geringschätzung deS Künstlerstandeö stand dessen obscure

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/346>, abgerufen am 23.07.2024.