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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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wird, zu den am höchsten bezahlten, gehört, so mußte sie in einer Zeit, wo
sie einem großen Theil der Gesellschaft unentbehrlich war und nur die Er¬
werbung technischer Geschicklichkeit erforderte, natürlich sehr billig sein. In
dem Preisedict Divcletians wird der Tagelohn deS Bildermalers, (worunter man
sich Verfertiger von Bildern vorzustellen hat. wie sie die pompejanischen Wände
schmücken), und des ThonmodelleurS gleich denen der übrigen Handwerker
normirt, der erstere nur dreimal, der letztere nur anderthalbmal so hoch als
der deS Bäckers, des Schmidts und des Wagenbauers.

In der Zeit Trajans kostete eine Porträtstatue, alles in allem, in Grie¬
chenland -113--230 Thlr. nach heutigem Gelde. Auf Inschriften nordafrika¬
nischer Städte finden sich Angaben der Gesammlkostcn von Statuen im zweiten
und dritten Jahrhundert von etwa 213--430 Thlr. Setzen wir hierbei auch
das billigste Steinmaterial voraus, und denken uns seine Gewinnung und
seinen Transport noch so wohlfeil, so ist doch klar, daß die Arbeit sehr nie¬
drig bezahlt wurde. Natürlich machte" es sich die Arbeiter auch leicht. Die
municipalen Ehrenstatuen aus der Kaiserzeit sind wie nach der Schablone ge¬
arbeitet. Hat man eine von diesen gravitätisch in die Toga, oder sittsam in
die Palla gewickelten Figuren gesehen, so kennt man sie alle. In Italien
sind dergleichen Bildsäulen, freilich meist mit abgeschlagenen Nasen und Hän¬
den, zu Hunderten anzutreffen, und so gering geachtet, daß man sie oft nicht
der Aufstellung in Museen würdigt, sondern unter freiem Himmel ihrem
Schicksale überläßt. Aber auch diese fabrikmäßige Schnellarbeit konnte mit
der immer Neues verlangenden Nachfrage nicht Schritt halten. Darum kam
eine Praxis auf, die für den Kunstgeschmack der römischen Welt ebenso cha¬
rakteristisch ist, als für den Kunstbetrieb. Man arbeitete nämlich nur Por-
trätköpfe, schlug alten entbehrlich gewordenen^ Statuen die ihrigen ab und
setzte ihnen die neuen auf, oder wo es nicht auf Porträtähnlichkeit ankam,
taufte man einfach die alten Statuen durch eine neue Inschrift am Postament
um. Das erstere Verfahren wurde namentlich in der spätern Zeit gewöhnlich,
wo s" "se ein Kaiser oder Prätendent nach kurzer Herrschaft einem glück¬
lichern Gegner weichen mußte, wo denn-überall durch diese einfache Procedur
die Statuen des Vorgängers mit einem Schlage in die deS Nachfolgers ver¬
wandelt wurden. Aber es war ohne Zweifel auch früher sehr häufig gewesen,
wie denn schon unter Tiber jemand, der das Haupt einer Augustusstatue mit
einem andern zu vertauschen sich erlaubt hatte, für diese Majestätsbeleidigung
"ach peinlicher Untersuchung verurtheilt wurde. Das Umläufen von Statuen
wurde besonders in Griechenland mit Erfolg betrieben, wo auch die reichsten
Städte, wie Rhodos und Korinth es bequemer fanden, aus ihrem großen
Vorrath von ältern Bildsäulen einige mit den Namen römischer Beamten oder
anderer Mänmr des Tages zu benennen, als die Kosten für neue herzugeben.


Grenzboten IV. ' 43

wird, zu den am höchsten bezahlten, gehört, so mußte sie in einer Zeit, wo
sie einem großen Theil der Gesellschaft unentbehrlich war und nur die Er¬
werbung technischer Geschicklichkeit erforderte, natürlich sehr billig sein. In
dem Preisedict Divcletians wird der Tagelohn deS Bildermalers, (worunter man
sich Verfertiger von Bildern vorzustellen hat. wie sie die pompejanischen Wände
schmücken), und des ThonmodelleurS gleich denen der übrigen Handwerker
normirt, der erstere nur dreimal, der letztere nur anderthalbmal so hoch als
der deS Bäckers, des Schmidts und des Wagenbauers.

In der Zeit Trajans kostete eine Porträtstatue, alles in allem, in Grie¬
chenland -113—230 Thlr. nach heutigem Gelde. Auf Inschriften nordafrika¬
nischer Städte finden sich Angaben der Gesammlkostcn von Statuen im zweiten
und dritten Jahrhundert von etwa 213—430 Thlr. Setzen wir hierbei auch
das billigste Steinmaterial voraus, und denken uns seine Gewinnung und
seinen Transport noch so wohlfeil, so ist doch klar, daß die Arbeit sehr nie¬
drig bezahlt wurde. Natürlich machte» es sich die Arbeiter auch leicht. Die
municipalen Ehrenstatuen aus der Kaiserzeit sind wie nach der Schablone ge¬
arbeitet. Hat man eine von diesen gravitätisch in die Toga, oder sittsam in
die Palla gewickelten Figuren gesehen, so kennt man sie alle. In Italien
sind dergleichen Bildsäulen, freilich meist mit abgeschlagenen Nasen und Hän¬
den, zu Hunderten anzutreffen, und so gering geachtet, daß man sie oft nicht
der Aufstellung in Museen würdigt, sondern unter freiem Himmel ihrem
Schicksale überläßt. Aber auch diese fabrikmäßige Schnellarbeit konnte mit
der immer Neues verlangenden Nachfrage nicht Schritt halten. Darum kam
eine Praxis auf, die für den Kunstgeschmack der römischen Welt ebenso cha¬
rakteristisch ist, als für den Kunstbetrieb. Man arbeitete nämlich nur Por-
trätköpfe, schlug alten entbehrlich gewordenen^ Statuen die ihrigen ab und
setzte ihnen die neuen auf, oder wo es nicht auf Porträtähnlichkeit ankam,
taufte man einfach die alten Statuen durch eine neue Inschrift am Postament
um. Das erstere Verfahren wurde namentlich in der spätern Zeit gewöhnlich,
wo s» »se ein Kaiser oder Prätendent nach kurzer Herrschaft einem glück¬
lichern Gegner weichen mußte, wo denn-überall durch diese einfache Procedur
die Statuen des Vorgängers mit einem Schlage in die deS Nachfolgers ver¬
wandelt wurden. Aber es war ohne Zweifel auch früher sehr häufig gewesen,
wie denn schon unter Tiber jemand, der das Haupt einer Augustusstatue mit
einem andern zu vertauschen sich erlaubt hatte, für diese Majestätsbeleidigung
"ach peinlicher Untersuchung verurtheilt wurde. Das Umläufen von Statuen
wurde besonders in Griechenland mit Erfolg betrieben, wo auch die reichsten
Städte, wie Rhodos und Korinth es bequemer fanden, aus ihrem großen
Vorrath von ältern Bildsäulen einige mit den Namen römischer Beamten oder
anderer Mänmr des Tages zu benennen, als die Kosten für neue herzugeben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/345>, abgerufen am 23.07.2024.