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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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bürgerliche Stellung i,n Wechselwirkung. Waren die Künstler auch nicht immer
Sklaven oder Freigelassene, so waren sie doch in der Regel Griechen, also Aus¬
länder und in den ersten beiden Jahrhunderten nur ausnahmsweise im Besitz
des Vollbürgerthums. Seit zwei Jahrhunderten sagt Plinius, sei die Malerei
nicht "in anständigen Händen" gesehen worden.

Schon der Umstand allein, daß dieselbe Gesellschaft, welche Schauspieler,
Ballctkünstler, Sänger und musikalische Virtuosen vergötterte, die Maler und
Bildhauer völlig ignorirte, mußte gegen die Lauterkeit ihres Kunstsinns einen
dringenden Verdacht erregen. Dieser Verpacht wird sehr gesteigert, wenn man
unbefangen die Literatur der damaligen Zeit überblickt. Von der Kunst der
Gegenwart ist darin höchst selten die Rebe, von der ältern griechischen Kunst
wirb zwar öfters, aber stets ohne Wärme, Antheil und eindringendes Verständ¬
niß, in der Regel mit Indifferenz, zuweilen mit Geringschätzung gesprochen.
Auch wo sie mit Achtung genannt wirb, bekommt man den Eindruck, daß man
hiervon nicht aus innerem Antriebe, sondern weil die Bildung es erforderte,
Notiz nahm, und diese Notiz war flüchtig und oberflächlich genug. Bei Taci-
tus wird einmal geklagt, daß das Interesse für Poesie so gering sei, wer
einen berühmten Dichter einmal gesehen hat, hat genug und geht weiter, "als
wenn er eine Statue oder ein Gemälde gesehen hätte." Es genügte eben, etwas
einmal gesehen zu haben, w Kg,of clous it, wie die Italien bereisenden Engländer
es nennen. Plinius sagt, daß die Anhäufung von Kunstwerken in Rom, der
Drang der Geschäfte und gesellschaftlichen Verpflichtungen von der Kunst¬
betrachtung abziehe, da zur Bewunderung solcher Dinge Muße und Stille er¬
forderlich sei." Denkt man überdies an die Mannhaftigkeit der römischen
Kunstsammlungen, an die "Magazine voll der schönsten alten Statuen", an
das Umherwerfen der Sammler mit den berühmtesten Namen, an die Liebhaberei
für Arbeiten aus kostbarem Material und Knnstraritäten (wie korinthische Bron¬
zen) , an das Wichtigthun mit Aeußerlichkeiten (z. B. daß ein Stück irgend
einer berühmten Person gehört hatte), so wird man inne, daß auch dies Zu¬
sammenschleppen älterer griechischer Kunstwerke nicht in wahrer Kunstliebe, son¬
dern in einer Prachtliebe seinen Grund hatte, die bei aller Großartigkeit immer
etwas Barbarisches behielt. Es war die Leidenschaft alles zu besitzen, was die
Welt Köstliches hervorgebracht, sich mit allem zu umgeben, was dem Leben
Pracht und Glanz verleihen konnte. Neben den indischen Diamanten und
Perlen, den babylonischen Teppichen, den kostbaren Scheiben von Citronen¬
holz, dem Bernstein der Ostsee, den ungeheuren Monolithen von buntem Mar-
wor durften auch die Arbeiten griechischer Künstler (womöglich der berühmtesten
und je theurer desto besser) nicht fehlen.

Aber, wird man einwenden, mag auch das Sammeln älterer Kunstwerke
größtentheils Sache der Mode und des Lurus gewesen sein, so ist doch jene


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bürgerliche Stellung i,n Wechselwirkung. Waren die Künstler auch nicht immer
Sklaven oder Freigelassene, so waren sie doch in der Regel Griechen, also Aus¬
länder und in den ersten beiden Jahrhunderten nur ausnahmsweise im Besitz
des Vollbürgerthums. Seit zwei Jahrhunderten sagt Plinius, sei die Malerei
nicht „in anständigen Händen" gesehen worden.

Schon der Umstand allein, daß dieselbe Gesellschaft, welche Schauspieler,
Ballctkünstler, Sänger und musikalische Virtuosen vergötterte, die Maler und
Bildhauer völlig ignorirte, mußte gegen die Lauterkeit ihres Kunstsinns einen
dringenden Verdacht erregen. Dieser Verpacht wird sehr gesteigert, wenn man
unbefangen die Literatur der damaligen Zeit überblickt. Von der Kunst der
Gegenwart ist darin höchst selten die Rebe, von der ältern griechischen Kunst
wirb zwar öfters, aber stets ohne Wärme, Antheil und eindringendes Verständ¬
niß, in der Regel mit Indifferenz, zuweilen mit Geringschätzung gesprochen.
Auch wo sie mit Achtung genannt wirb, bekommt man den Eindruck, daß man
hiervon nicht aus innerem Antriebe, sondern weil die Bildung es erforderte,
Notiz nahm, und diese Notiz war flüchtig und oberflächlich genug. Bei Taci-
tus wird einmal geklagt, daß das Interesse für Poesie so gering sei, wer
einen berühmten Dichter einmal gesehen hat, hat genug und geht weiter, „als
wenn er eine Statue oder ein Gemälde gesehen hätte." Es genügte eben, etwas
einmal gesehen zu haben, w Kg,of clous it, wie die Italien bereisenden Engländer
es nennen. Plinius sagt, daß die Anhäufung von Kunstwerken in Rom, der
Drang der Geschäfte und gesellschaftlichen Verpflichtungen von der Kunst¬
betrachtung abziehe, da zur Bewunderung solcher Dinge Muße und Stille er¬
forderlich sei." Denkt man überdies an die Mannhaftigkeit der römischen
Kunstsammlungen, an die „Magazine voll der schönsten alten Statuen", an
das Umherwerfen der Sammler mit den berühmtesten Namen, an die Liebhaberei
für Arbeiten aus kostbarem Material und Knnstraritäten (wie korinthische Bron¬
zen) , an das Wichtigthun mit Aeußerlichkeiten (z. B. daß ein Stück irgend
einer berühmten Person gehört hatte), so wird man inne, daß auch dies Zu¬
sammenschleppen älterer griechischer Kunstwerke nicht in wahrer Kunstliebe, son¬
dern in einer Prachtliebe seinen Grund hatte, die bei aller Großartigkeit immer
etwas Barbarisches behielt. Es war die Leidenschaft alles zu besitzen, was die
Welt Köstliches hervorgebracht, sich mit allem zu umgeben, was dem Leben
Pracht und Glanz verleihen konnte. Neben den indischen Diamanten und
Perlen, den babylonischen Teppichen, den kostbaren Scheiben von Citronen¬
holz, dem Bernstein der Ostsee, den ungeheuren Monolithen von buntem Mar-
wor durften auch die Arbeiten griechischer Künstler (womöglich der berühmtesten
und je theurer desto besser) nicht fehlen.

Aber, wird man einwenden, mag auch das Sammeln älterer Kunstwerke
größtentheils Sache der Mode und des Lurus gewesen sein, so ist doch jene


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[0347] bürgerliche Stellung i,n Wechselwirkung. Waren die Künstler auch nicht immer Sklaven oder Freigelassene, so waren sie doch in der Regel Griechen, also Aus¬ länder und in den ersten beiden Jahrhunderten nur ausnahmsweise im Besitz des Vollbürgerthums. Seit zwei Jahrhunderten sagt Plinius, sei die Malerei nicht „in anständigen Händen" gesehen worden. Schon der Umstand allein, daß dieselbe Gesellschaft, welche Schauspieler, Ballctkünstler, Sänger und musikalische Virtuosen vergötterte, die Maler und Bildhauer völlig ignorirte, mußte gegen die Lauterkeit ihres Kunstsinns einen dringenden Verdacht erregen. Dieser Verpacht wird sehr gesteigert, wenn man unbefangen die Literatur der damaligen Zeit überblickt. Von der Kunst der Gegenwart ist darin höchst selten die Rebe, von der ältern griechischen Kunst wirb zwar öfters, aber stets ohne Wärme, Antheil und eindringendes Verständ¬ niß, in der Regel mit Indifferenz, zuweilen mit Geringschätzung gesprochen. Auch wo sie mit Achtung genannt wirb, bekommt man den Eindruck, daß man hiervon nicht aus innerem Antriebe, sondern weil die Bildung es erforderte, Notiz nahm, und diese Notiz war flüchtig und oberflächlich genug. Bei Taci- tus wird einmal geklagt, daß das Interesse für Poesie so gering sei, wer einen berühmten Dichter einmal gesehen hat, hat genug und geht weiter, „als wenn er eine Statue oder ein Gemälde gesehen hätte." Es genügte eben, etwas einmal gesehen zu haben, w Kg,of clous it, wie die Italien bereisenden Engländer es nennen. Plinius sagt, daß die Anhäufung von Kunstwerken in Rom, der Drang der Geschäfte und gesellschaftlichen Verpflichtungen von der Kunst¬ betrachtung abziehe, da zur Bewunderung solcher Dinge Muße und Stille er¬ forderlich sei." Denkt man überdies an die Mannhaftigkeit der römischen Kunstsammlungen, an die „Magazine voll der schönsten alten Statuen", an das Umherwerfen der Sammler mit den berühmtesten Namen, an die Liebhaberei für Arbeiten aus kostbarem Material und Knnstraritäten (wie korinthische Bron¬ zen) , an das Wichtigthun mit Aeußerlichkeiten (z. B. daß ein Stück irgend einer berühmten Person gehört hatte), so wird man inne, daß auch dies Zu¬ sammenschleppen älterer griechischer Kunstwerke nicht in wahrer Kunstliebe, son¬ dern in einer Prachtliebe seinen Grund hatte, die bei aller Großartigkeit immer etwas Barbarisches behielt. Es war die Leidenschaft alles zu besitzen, was die Welt Köstliches hervorgebracht, sich mit allem zu umgeben, was dem Leben Pracht und Glanz verleihen konnte. Neben den indischen Diamanten und Perlen, den babylonischen Teppichen, den kostbaren Scheiben von Citronen¬ holz, dem Bernstein der Ostsee, den ungeheuren Monolithen von buntem Mar- wor durften auch die Arbeiten griechischer Künstler (womöglich der berühmtesten und je theurer desto besser) nicht fehlen. Aber, wird man einwenden, mag auch das Sammeln älterer Kunstwerke größtentheils Sache der Mode und des Lurus gewesen sein, so ist doch jene 53*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/347>, abgerufen am 23.07.2024.