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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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vermochte, war sie von der römischen Cultur unzertrennlich und wo auch diese
immer sich eine bleibende Stätte gründete, folgte sie ihr unzweifelhaft nach.
So lauge sie, ihren eignen Gesetzen gehorchend, nur für ideale Bedürfnisse ge¬
schaffen hatte, war sie auf den verhältnißmäßig engen Bezirk beschränkt ge¬
wesen, den die griechische Nation in der alten Welt einnahm. Sobald sie,
dem Willen der Welteroberer unterworfen, praktische Tendenzen verfolgte und
mit dem Leben in den innigsten Zusammenhang trat, wurde sie universell.
Zwar ist ihre Ausbreitung über alle Länder römischer Herrschaft schon mehr¬
fach angedeutet, aber es ist schwer, sich von dieser Allgegenwart dessen, was
heutzutage so selten und vereinzelt ist, eine Vorstellung zu machen. Daher
ist es wol nicht überflüssig, noch einige Details zum Beweise hinzuzufügen, daß
es in keiner Provinz an einer zahlreichen, stets verfügbaren und handfertigen
Künstlerschaft fehlte; daß wie Goethe sagt, "ganze Kolonien, Züge, Schwärme,
Wolken, wie man es nennen will, von Künstlern und Handwerkern da her¬
anzuziehen waren, wo man ihrer bedürfte. Denke man an die Scharen von
Maurern und Steinmetzen, welche sich im mittlern Europa zu jener Zeit hin-
uud herbewegten, als eine ernstreligiöse Denkweise sich über die christliche
Kirche verbreitet hatte." Selbst in dem bilderlosen und bilderhassenden Pa¬
lästina fehlte es Herodes nicht an Künstlern, um die von ihm gebaute Stadt
Cäsarea mit Bildwerken zu schmücke", von denen Josephus einen Koloß des
August nach dem Vorbilde deS olympischen Jupiter, "der hinter seinem Muster
nicht zurückstand" und einen Koloß der Roma nach dem Vorbilde der Juno
von Argos nennt. Cornelius Gallus fand keine Schwierigkeit, seine Porträt-
statuen in ganz Aegypten aufstellen zu lassen. Die Städte Algeriens, deren
Ruinen von den mannigfaltigsten römischen Kunstresten voll sind, müssen,
Nach ihren Inschriften zu schließen, an Statuen sehr reich gewesen sein. Als
Galba die Armee in Spanien zum Aufstande gegen Nero bewegen wollte,
ließ er vor der Rednerbühne,'von der er sie anredete, eine Menge Bildsäulen
vo" Männern aufstellen, die von Nero verurtheilt oder hingerichtet worden
waren. Als nach Gathas Tode Vitellius aus Deutschland gegen Italien
aufbrach, beeilten steh die Bewohner der Straßen, auf denen seine Armee mar-
lchirte, dem künftigen Kaiser Reiterstatuen zu errichten. Daß Britannien
schon im ersten' Jahrhundert an Künstlern keinen Mangel hatte, beweisen die
dem Titus dort errichteten Statuen. Und nicht blos in d"n Städten der Pro¬
vinzen, sondern auch in den Lagern der Legionen müssen Künstler und Hand¬
werker verfügbar gewesen sein.

Ueberall wo die Kunst nicht für kleine Minoritäten, sondern für Massen
"der gar für ganze Nationen producirt, (wie auch bei den Kirchenbauten der
germanischen Länder im Mittelalter), bildet sich das Kunsthandwerk im größten
Maßstabe aus; seine Leistungsfähigkeit hängt von der Entwicklung der Kunst


vermochte, war sie von der römischen Cultur unzertrennlich und wo auch diese
immer sich eine bleibende Stätte gründete, folgte sie ihr unzweifelhaft nach.
So lauge sie, ihren eignen Gesetzen gehorchend, nur für ideale Bedürfnisse ge¬
schaffen hatte, war sie auf den verhältnißmäßig engen Bezirk beschränkt ge¬
wesen, den die griechische Nation in der alten Welt einnahm. Sobald sie,
dem Willen der Welteroberer unterworfen, praktische Tendenzen verfolgte und
mit dem Leben in den innigsten Zusammenhang trat, wurde sie universell.
Zwar ist ihre Ausbreitung über alle Länder römischer Herrschaft schon mehr¬
fach angedeutet, aber es ist schwer, sich von dieser Allgegenwart dessen, was
heutzutage so selten und vereinzelt ist, eine Vorstellung zu machen. Daher
ist es wol nicht überflüssig, noch einige Details zum Beweise hinzuzufügen, daß
es in keiner Provinz an einer zahlreichen, stets verfügbaren und handfertigen
Künstlerschaft fehlte; daß wie Goethe sagt, „ganze Kolonien, Züge, Schwärme,
Wolken, wie man es nennen will, von Künstlern und Handwerkern da her¬
anzuziehen waren, wo man ihrer bedürfte. Denke man an die Scharen von
Maurern und Steinmetzen, welche sich im mittlern Europa zu jener Zeit hin-
uud herbewegten, als eine ernstreligiöse Denkweise sich über die christliche
Kirche verbreitet hatte." Selbst in dem bilderlosen und bilderhassenden Pa¬
lästina fehlte es Herodes nicht an Künstlern, um die von ihm gebaute Stadt
Cäsarea mit Bildwerken zu schmücke», von denen Josephus einen Koloß des
August nach dem Vorbilde deS olympischen Jupiter, „der hinter seinem Muster
nicht zurückstand" und einen Koloß der Roma nach dem Vorbilde der Juno
von Argos nennt. Cornelius Gallus fand keine Schwierigkeit, seine Porträt-
statuen in ganz Aegypten aufstellen zu lassen. Die Städte Algeriens, deren
Ruinen von den mannigfaltigsten römischen Kunstresten voll sind, müssen,
Nach ihren Inschriften zu schließen, an Statuen sehr reich gewesen sein. Als
Galba die Armee in Spanien zum Aufstande gegen Nero bewegen wollte,
ließ er vor der Rednerbühne,'von der er sie anredete, eine Menge Bildsäulen
vo» Männern aufstellen, die von Nero verurtheilt oder hingerichtet worden
waren. Als nach Gathas Tode Vitellius aus Deutschland gegen Italien
aufbrach, beeilten steh die Bewohner der Straßen, auf denen seine Armee mar-
lchirte, dem künftigen Kaiser Reiterstatuen zu errichten. Daß Britannien
schon im ersten' Jahrhundert an Künstlern keinen Mangel hatte, beweisen die
dem Titus dort errichteten Statuen. Und nicht blos in d«n Städten der Pro¬
vinzen, sondern auch in den Lagern der Legionen müssen Künstler und Hand¬
werker verfügbar gewesen sein.

Ueberall wo die Kunst nicht für kleine Minoritäten, sondern für Massen
"der gar für ganze Nationen producirt, (wie auch bei den Kirchenbauten der
germanischen Länder im Mittelalter), bildet sich das Kunsthandwerk im größten
Maßstabe aus; seine Leistungsfähigkeit hängt von der Entwicklung der Kunst


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[0343] vermochte, war sie von der römischen Cultur unzertrennlich und wo auch diese immer sich eine bleibende Stätte gründete, folgte sie ihr unzweifelhaft nach. So lauge sie, ihren eignen Gesetzen gehorchend, nur für ideale Bedürfnisse ge¬ schaffen hatte, war sie auf den verhältnißmäßig engen Bezirk beschränkt ge¬ wesen, den die griechische Nation in der alten Welt einnahm. Sobald sie, dem Willen der Welteroberer unterworfen, praktische Tendenzen verfolgte und mit dem Leben in den innigsten Zusammenhang trat, wurde sie universell. Zwar ist ihre Ausbreitung über alle Länder römischer Herrschaft schon mehr¬ fach angedeutet, aber es ist schwer, sich von dieser Allgegenwart dessen, was heutzutage so selten und vereinzelt ist, eine Vorstellung zu machen. Daher ist es wol nicht überflüssig, noch einige Details zum Beweise hinzuzufügen, daß es in keiner Provinz an einer zahlreichen, stets verfügbaren und handfertigen Künstlerschaft fehlte; daß wie Goethe sagt, „ganze Kolonien, Züge, Schwärme, Wolken, wie man es nennen will, von Künstlern und Handwerkern da her¬ anzuziehen waren, wo man ihrer bedürfte. Denke man an die Scharen von Maurern und Steinmetzen, welche sich im mittlern Europa zu jener Zeit hin- uud herbewegten, als eine ernstreligiöse Denkweise sich über die christliche Kirche verbreitet hatte." Selbst in dem bilderlosen und bilderhassenden Pa¬ lästina fehlte es Herodes nicht an Künstlern, um die von ihm gebaute Stadt Cäsarea mit Bildwerken zu schmücke», von denen Josephus einen Koloß des August nach dem Vorbilde deS olympischen Jupiter, „der hinter seinem Muster nicht zurückstand" und einen Koloß der Roma nach dem Vorbilde der Juno von Argos nennt. Cornelius Gallus fand keine Schwierigkeit, seine Porträt- statuen in ganz Aegypten aufstellen zu lassen. Die Städte Algeriens, deren Ruinen von den mannigfaltigsten römischen Kunstresten voll sind, müssen, Nach ihren Inschriften zu schließen, an Statuen sehr reich gewesen sein. Als Galba die Armee in Spanien zum Aufstande gegen Nero bewegen wollte, ließ er vor der Rednerbühne,'von der er sie anredete, eine Menge Bildsäulen vo» Männern aufstellen, die von Nero verurtheilt oder hingerichtet worden waren. Als nach Gathas Tode Vitellius aus Deutschland gegen Italien aufbrach, beeilten steh die Bewohner der Straßen, auf denen seine Armee mar- lchirte, dem künftigen Kaiser Reiterstatuen zu errichten. Daß Britannien schon im ersten' Jahrhundert an Künstlern keinen Mangel hatte, beweisen die dem Titus dort errichteten Statuen. Und nicht blos in d«n Städten der Pro¬ vinzen, sondern auch in den Lagern der Legionen müssen Künstler und Hand¬ werker verfügbar gewesen sein. Ueberall wo die Kunst nicht für kleine Minoritäten, sondern für Massen "der gar für ganze Nationen producirt, (wie auch bei den Kirchenbauten der germanischen Länder im Mittelalter), bildet sich das Kunsthandwerk im größten Maßstabe aus; seine Leistungsfähigkeit hängt von der Entwicklung der Kunst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/343>, abgerufen am 23.07.2024.