Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

putirter beim Kaiser eine wichtige Commnnalangelegenheit durchgesetzt, mit
Auszeichnung als Lehrer fungirt, literarischen Ruhm erworben: in allen diesen
und vielen andern Fällen votirten ihm seine dankbaren Mitbürger mindestens
eine Ehreustatue, wollte man ihn besonders auszeichnen, so bekam er deren
mehre (fünf scheinen nicht selten gewesen zu sein) oder eine zu Pferde oder zu
Wagen, oder eine aus vergoldeter Bronze, u. s. w. Aber nicht blos Einhei¬
mische, sondern auch Fremde von Distinction erhielten Bildsäuleu. So pfleg¬
ten z. B. Professoren der Beredtsamkeit herumzureisen und sich überall öffent-
lich höre" zu lassen, und es war nichts Seltenes, daß ihnen an Orten, bei
deren Publicum sie große Bewunderung fanden, eine Statue votirt wurde.
Der in Marc Aurels Zeit und auch später vielbewunderte Redevirtuos Apu-
lejus rühmt sich, daß ihm diese Ehre auch in Mittelstädten zu Theil geworden
sei. Ja die Ehre der Statue wurde so weit profanirt, daß selbst Schauspieler,
Circuskutscher und Gladiatoren äußerst häusig daran participirten. Erwägt
man, daß neben den aus öffentlichen Mitteln gesetzten Monumenten vielleicht
noch mehr Bildsäulen und Büsten von Privaten, theils zu eignem Gedächt¬
niß, theils zu dem der Ihrigen (besonders an Grabmälern) errichtet wurden,
so kommt man zu dem Schluß, daß aus den Werkstätten der Bildhauer und
Bildgießer im ganzen römischen Reich alljährlich viele Tausende von Porträt-
staluen hervorgegangen sein müssen.

Das war es, was von der hellenischen Kunst im Dienste der römischen
Monarchie gefordert ward, und was sie leistete. Die Zeit war längst dahin,
wo sie durch keine Nebenzwecke behindert, in freier Selbstbestimmung schaffend
die erhabensten wie die süßesten Gestalten auf die Erde herabgezaubert hatte,
Gestalten, deren verstümmelte Glieder uns noch heute hinreißen und rühren,
die noch nach Jahrtausenden nicht aufgehört haben, "ihre heimlich bildende
Gewalt" zu üben. Daß es auch in der römischen Zeit noch Künstler gab,
die einem innern Triebe folgend producirten, ohne der Anregung von außen
zu bedürfen, wer wollte daS leugnen? Aber gewiß ist, daß die Kunst im All¬
gemeinen mit ihrer Freiheit den besten Theil ihrer schöpferischen Kraft ein¬
gebüßt hatte, daß der Schwung der Fittige, die ihren Flug den höchsten
Zielen zugetragen, für immer gelähmt war. Gewiß ist, daß ihre Ursprüng¬
lichkeit, man möchte sagen ihre Unschuld verloren war, daß im Ganzen ihre
Werke nicht mehr aus innerer Nothwendigkeit hervorgingen, sondern durch
fremdartige Rücksichten bestimmt wurden. DaS Gedächtniß von Thaten und
Personen fortzupflanzen, dem Glauben und Aberglauben Gegenstände der An¬
betung zu schaffen, die Wohnungen der Lebenden wie der Todten mit heiterer
Pracht zu füllen, das waren ihre Aufgaben. Weil sie diese in dem We,en
der römischen Cultur, wie sie sich seit der Eroberung de" Welt gestaltet halte,
begründeten und unabweisbar gewordenen Bedürfnisse allein zu befriedigen


putirter beim Kaiser eine wichtige Commnnalangelegenheit durchgesetzt, mit
Auszeichnung als Lehrer fungirt, literarischen Ruhm erworben: in allen diesen
und vielen andern Fällen votirten ihm seine dankbaren Mitbürger mindestens
eine Ehreustatue, wollte man ihn besonders auszeichnen, so bekam er deren
mehre (fünf scheinen nicht selten gewesen zu sein) oder eine zu Pferde oder zu
Wagen, oder eine aus vergoldeter Bronze, u. s. w. Aber nicht blos Einhei¬
mische, sondern auch Fremde von Distinction erhielten Bildsäuleu. So pfleg¬
ten z. B. Professoren der Beredtsamkeit herumzureisen und sich überall öffent-
lich höre» zu lassen, und es war nichts Seltenes, daß ihnen an Orten, bei
deren Publicum sie große Bewunderung fanden, eine Statue votirt wurde.
Der in Marc Aurels Zeit und auch später vielbewunderte Redevirtuos Apu-
lejus rühmt sich, daß ihm diese Ehre auch in Mittelstädten zu Theil geworden
sei. Ja die Ehre der Statue wurde so weit profanirt, daß selbst Schauspieler,
Circuskutscher und Gladiatoren äußerst häusig daran participirten. Erwägt
man, daß neben den aus öffentlichen Mitteln gesetzten Monumenten vielleicht
noch mehr Bildsäulen und Büsten von Privaten, theils zu eignem Gedächt¬
niß, theils zu dem der Ihrigen (besonders an Grabmälern) errichtet wurden,
so kommt man zu dem Schluß, daß aus den Werkstätten der Bildhauer und
Bildgießer im ganzen römischen Reich alljährlich viele Tausende von Porträt-
staluen hervorgegangen sein müssen.

Das war es, was von der hellenischen Kunst im Dienste der römischen
Monarchie gefordert ward, und was sie leistete. Die Zeit war längst dahin,
wo sie durch keine Nebenzwecke behindert, in freier Selbstbestimmung schaffend
die erhabensten wie die süßesten Gestalten auf die Erde herabgezaubert hatte,
Gestalten, deren verstümmelte Glieder uns noch heute hinreißen und rühren,
die noch nach Jahrtausenden nicht aufgehört haben, „ihre heimlich bildende
Gewalt" zu üben. Daß es auch in der römischen Zeit noch Künstler gab,
die einem innern Triebe folgend producirten, ohne der Anregung von außen
zu bedürfen, wer wollte daS leugnen? Aber gewiß ist, daß die Kunst im All¬
gemeinen mit ihrer Freiheit den besten Theil ihrer schöpferischen Kraft ein¬
gebüßt hatte, daß der Schwung der Fittige, die ihren Flug den höchsten
Zielen zugetragen, für immer gelähmt war. Gewiß ist, daß ihre Ursprüng¬
lichkeit, man möchte sagen ihre Unschuld verloren war, daß im Ganzen ihre
Werke nicht mehr aus innerer Nothwendigkeit hervorgingen, sondern durch
fremdartige Rücksichten bestimmt wurden. DaS Gedächtniß von Thaten und
Personen fortzupflanzen, dem Glauben und Aberglauben Gegenstände der An¬
betung zu schaffen, die Wohnungen der Lebenden wie der Todten mit heiterer
Pracht zu füllen, das waren ihre Aufgaben. Weil sie diese in dem We,en
der römischen Cultur, wie sie sich seit der Eroberung de» Welt gestaltet halte,
begründeten und unabweisbar gewordenen Bedürfnisse allein zu befriedigen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105077"/>
            <p xml:id="ID_962" prev="#ID_961"> putirter beim Kaiser eine wichtige Commnnalangelegenheit durchgesetzt, mit<lb/>
Auszeichnung als Lehrer fungirt, literarischen Ruhm erworben: in allen diesen<lb/>
und vielen andern Fällen votirten ihm seine dankbaren Mitbürger mindestens<lb/>
eine Ehreustatue, wollte man ihn besonders auszeichnen, so bekam er deren<lb/>
mehre (fünf scheinen nicht selten gewesen zu sein) oder eine zu Pferde oder zu<lb/>
Wagen, oder eine aus vergoldeter Bronze, u. s. w. Aber nicht blos Einhei¬<lb/>
mische, sondern auch Fremde von Distinction erhielten Bildsäuleu. So pfleg¬<lb/>
ten z. B. Professoren der Beredtsamkeit herumzureisen und sich überall öffent-<lb/>
lich höre» zu lassen, und es war nichts Seltenes, daß ihnen an Orten, bei<lb/>
deren Publicum sie große Bewunderung fanden, eine Statue votirt wurde.<lb/>
Der in Marc Aurels Zeit und auch später vielbewunderte Redevirtuos Apu-<lb/>
lejus rühmt sich, daß ihm diese Ehre auch in Mittelstädten zu Theil geworden<lb/>
sei. Ja die Ehre der Statue wurde so weit profanirt, daß selbst Schauspieler,<lb/>
Circuskutscher und Gladiatoren äußerst häusig daran participirten. Erwägt<lb/>
man, daß neben den aus öffentlichen Mitteln gesetzten Monumenten vielleicht<lb/>
noch mehr Bildsäulen und Büsten von Privaten, theils zu eignem Gedächt¬<lb/>
niß, theils zu dem der Ihrigen (besonders an Grabmälern) errichtet wurden,<lb/>
so kommt man zu dem Schluß, daß aus den Werkstätten der Bildhauer und<lb/>
Bildgießer im ganzen römischen Reich alljährlich viele Tausende von Porträt-<lb/>
staluen hervorgegangen sein müssen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_963" next="#ID_964"> Das war es, was von der hellenischen Kunst im Dienste der römischen<lb/>
Monarchie gefordert ward, und was sie leistete. Die Zeit war längst dahin,<lb/>
wo sie durch keine Nebenzwecke behindert, in freier Selbstbestimmung schaffend<lb/>
die erhabensten wie die süßesten Gestalten auf die Erde herabgezaubert hatte,<lb/>
Gestalten, deren verstümmelte Glieder uns noch heute hinreißen und rühren,<lb/>
die noch nach Jahrtausenden nicht aufgehört haben, &#x201E;ihre heimlich bildende<lb/>
Gewalt" zu üben. Daß es auch in der römischen Zeit noch Künstler gab,<lb/>
die einem innern Triebe folgend producirten, ohne der Anregung von außen<lb/>
zu bedürfen, wer wollte daS leugnen? Aber gewiß ist, daß die Kunst im All¬<lb/>
gemeinen mit ihrer Freiheit den besten Theil ihrer schöpferischen Kraft ein¬<lb/>
gebüßt hatte, daß der Schwung der Fittige, die ihren Flug den höchsten<lb/>
Zielen zugetragen, für immer gelähmt war. Gewiß ist, daß ihre Ursprüng¬<lb/>
lichkeit, man möchte sagen ihre Unschuld verloren war, daß im Ganzen ihre<lb/>
Werke nicht mehr aus innerer Nothwendigkeit hervorgingen, sondern durch<lb/>
fremdartige Rücksichten bestimmt wurden. DaS Gedächtniß von Thaten und<lb/>
Personen fortzupflanzen, dem Glauben und Aberglauben Gegenstände der An¬<lb/>
betung zu schaffen, die Wohnungen der Lebenden wie der Todten mit heiterer<lb/>
Pracht zu füllen, das waren ihre Aufgaben. Weil sie diese in dem We,en<lb/>
der römischen Cultur, wie sie sich seit der Eroberung de» Welt gestaltet halte,<lb/>
begründeten und unabweisbar gewordenen Bedürfnisse allein zu befriedigen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0342] putirter beim Kaiser eine wichtige Commnnalangelegenheit durchgesetzt, mit Auszeichnung als Lehrer fungirt, literarischen Ruhm erworben: in allen diesen und vielen andern Fällen votirten ihm seine dankbaren Mitbürger mindestens eine Ehreustatue, wollte man ihn besonders auszeichnen, so bekam er deren mehre (fünf scheinen nicht selten gewesen zu sein) oder eine zu Pferde oder zu Wagen, oder eine aus vergoldeter Bronze, u. s. w. Aber nicht blos Einhei¬ mische, sondern auch Fremde von Distinction erhielten Bildsäuleu. So pfleg¬ ten z. B. Professoren der Beredtsamkeit herumzureisen und sich überall öffent- lich höre» zu lassen, und es war nichts Seltenes, daß ihnen an Orten, bei deren Publicum sie große Bewunderung fanden, eine Statue votirt wurde. Der in Marc Aurels Zeit und auch später vielbewunderte Redevirtuos Apu- lejus rühmt sich, daß ihm diese Ehre auch in Mittelstädten zu Theil geworden sei. Ja die Ehre der Statue wurde so weit profanirt, daß selbst Schauspieler, Circuskutscher und Gladiatoren äußerst häusig daran participirten. Erwägt man, daß neben den aus öffentlichen Mitteln gesetzten Monumenten vielleicht noch mehr Bildsäulen und Büsten von Privaten, theils zu eignem Gedächt¬ niß, theils zu dem der Ihrigen (besonders an Grabmälern) errichtet wurden, so kommt man zu dem Schluß, daß aus den Werkstätten der Bildhauer und Bildgießer im ganzen römischen Reich alljährlich viele Tausende von Porträt- staluen hervorgegangen sein müssen. Das war es, was von der hellenischen Kunst im Dienste der römischen Monarchie gefordert ward, und was sie leistete. Die Zeit war längst dahin, wo sie durch keine Nebenzwecke behindert, in freier Selbstbestimmung schaffend die erhabensten wie die süßesten Gestalten auf die Erde herabgezaubert hatte, Gestalten, deren verstümmelte Glieder uns noch heute hinreißen und rühren, die noch nach Jahrtausenden nicht aufgehört haben, „ihre heimlich bildende Gewalt" zu üben. Daß es auch in der römischen Zeit noch Künstler gab, die einem innern Triebe folgend producirten, ohne der Anregung von außen zu bedürfen, wer wollte daS leugnen? Aber gewiß ist, daß die Kunst im All¬ gemeinen mit ihrer Freiheit den besten Theil ihrer schöpferischen Kraft ein¬ gebüßt hatte, daß der Schwung der Fittige, die ihren Flug den höchsten Zielen zugetragen, für immer gelähmt war. Gewiß ist, daß ihre Ursprüng¬ lichkeit, man möchte sagen ihre Unschuld verloren war, daß im Ganzen ihre Werke nicht mehr aus innerer Nothwendigkeit hervorgingen, sondern durch fremdartige Rücksichten bestimmt wurden. DaS Gedächtniß von Thaten und Personen fortzupflanzen, dem Glauben und Aberglauben Gegenstände der An¬ betung zu schaffen, die Wohnungen der Lebenden wie der Todten mit heiterer Pracht zu füllen, das waren ihre Aufgaben. Weil sie diese in dem We,en der römischen Cultur, wie sie sich seit der Eroberung de» Welt gestaltet halte, begründeten und unabweisbar gewordenen Bedürfnisse allein zu befriedigen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/342
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/342>, abgerufen am 23.07.2024.