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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Angabe hatte Rom damals nach so vielen, zum Theil gründlichen Zerstö¬
rungen und Kalamitäten, noch 378S öffentlich aufgestellte Ehrenstatuen allein
eins Bronze, woraus man auf eine noch viel größere Zahl Von marmornen
schließen muß. Rechnet man hierzu noch 28 kolossale Reiterstatuen, 80 ver¬
goldete und 76- elfenbeinerne Götterbilder, bedenkt man ferner, wie viel im
Innern der Tempel und Häuser stand, so wird man eine aus dieser Zeit
herrührende Aeußerung, daß Rom außer, seiner Einwohnerschaft noch ein
zweites, nicht minder großes Volk von Statuen in sich schließe, nicht zu hy¬
perbolisch finden. Man kann nicht zweifeln, daß der Reichthum auch der üb¬
rigen einigermaßen bedeutenden und wohlhabenden Städte in Statuen auch
außerhalb Italien nach modernen Begriffen enorm gewesen ist, wenn man die
zahllosen Veranlassungen zur Errichtung dieser Denkmäler erwägt. Zunächst
fehlten wol nirgend Statuen Veo regierenden Kaisers und seiner Familie, nicht
blos die Eommune", sondern auch Privatleute besserten sich, ihre Loyalität durch
möglichst zahlreiche Vervielfältigungen der allerhöchsten Personen an den Tag
zu legen. Zwar wurden nach dem Fall eines verhaßten Monarchen in der Regel
überall auch seine und der Seinigen Denkmäler umgestürzt, aber die erhaltenen
müssen in den spätern Zeilen deö Kaiserreichs schon allein ansehnliche Samm¬
lungen gebildet haben. Dazu kamen die Statuen der "mächtigsten und dem
Hofe zunächststehenden Männer; in der Zeit von Sejans Allmacht wurden
ihm überall mit Tiber gemeinsam Bildsäulen errichtet, nicht nur in den Städ¬
ten, sondern auch in den Lagern der Legionen. Dasselbe geschah zu Ehren
Plautians, der sich einer ebenso großen Macht am Hofe SeverS erfreute, wie
Sejan an dem Tibers, um ebenso plötzlich und furchtbar gestürzt zu werden.
Ferner waren die Provinzialen fast gezwungen, nicht blos den Statthaltern,
sondern auch einflußreichen Verwaltungsbeamten und Offizieren Statuen zu er¬
richten, als officielle Bezeugung einer Dankbarkeit, die oft genug eine bittere
Fiction war. ES waren keineswegs nur die Spitzen der Civil- und Militär¬
gewalt, die eine solche Ehre beanspruchen durften, sie wurde z. B. Ves-
pasian von den Städten Kleinasiens erwiesen, a>is er Generalpächter der Vor¬
igen Steuern, seinem Sohne Titus von denen Britanniens und Deutsch--
kalts, als er nur einfacher Militärtribun war. Auch vornehme Römer ohne
"lie officielle Stellung, die eine Provinzialstadt mit einer längern Anwesen¬
heit beehrten und sich irgendwie wohlwollend erwiesen hatten, erhielten diese
Auszeichnung als Ausdruck pflichtschuldiger Ehrerbietung. Aber auch gegen
'hre Mitbürger waren selbst die kleinsten Communen mit Statuen damals bei¬
nahe so freigebig, als sie jetzt mit Adressen oder Toasten sind. Hatte jemand
seiner Vaterstadt eine Schenkung gemacht, z. B. von Oel oder Getreide bei
einer Theurung, offe-ntliche Bauten aus eignem Vermögen ausgeführt, die
"anze Stadt zu Gaste geladen, glänzende Schauspiele veranstaltet, als De-


Angabe hatte Rom damals nach so vielen, zum Theil gründlichen Zerstö¬
rungen und Kalamitäten, noch 378S öffentlich aufgestellte Ehrenstatuen allein
eins Bronze, woraus man auf eine noch viel größere Zahl Von marmornen
schließen muß. Rechnet man hierzu noch 28 kolossale Reiterstatuen, 80 ver¬
goldete und 76- elfenbeinerne Götterbilder, bedenkt man ferner, wie viel im
Innern der Tempel und Häuser stand, so wird man eine aus dieser Zeit
herrührende Aeußerung, daß Rom außer, seiner Einwohnerschaft noch ein
zweites, nicht minder großes Volk von Statuen in sich schließe, nicht zu hy¬
perbolisch finden. Man kann nicht zweifeln, daß der Reichthum auch der üb¬
rigen einigermaßen bedeutenden und wohlhabenden Städte in Statuen auch
außerhalb Italien nach modernen Begriffen enorm gewesen ist, wenn man die
zahllosen Veranlassungen zur Errichtung dieser Denkmäler erwägt. Zunächst
fehlten wol nirgend Statuen Veo regierenden Kaisers und seiner Familie, nicht
blos die Eommune«, sondern auch Privatleute besserten sich, ihre Loyalität durch
möglichst zahlreiche Vervielfältigungen der allerhöchsten Personen an den Tag
zu legen. Zwar wurden nach dem Fall eines verhaßten Monarchen in der Regel
überall auch seine und der Seinigen Denkmäler umgestürzt, aber die erhaltenen
müssen in den spätern Zeilen deö Kaiserreichs schon allein ansehnliche Samm¬
lungen gebildet haben. Dazu kamen die Statuen der »mächtigsten und dem
Hofe zunächststehenden Männer; in der Zeit von Sejans Allmacht wurden
ihm überall mit Tiber gemeinsam Bildsäulen errichtet, nicht nur in den Städ¬
ten, sondern auch in den Lagern der Legionen. Dasselbe geschah zu Ehren
Plautians, der sich einer ebenso großen Macht am Hofe SeverS erfreute, wie
Sejan an dem Tibers, um ebenso plötzlich und furchtbar gestürzt zu werden.
Ferner waren die Provinzialen fast gezwungen, nicht blos den Statthaltern,
sondern auch einflußreichen Verwaltungsbeamten und Offizieren Statuen zu er¬
richten, als officielle Bezeugung einer Dankbarkeit, die oft genug eine bittere
Fiction war. ES waren keineswegs nur die Spitzen der Civil- und Militär¬
gewalt, die eine solche Ehre beanspruchen durften, sie wurde z. B. Ves-
pasian von den Städten Kleinasiens erwiesen, a>is er Generalpächter der Vor¬
igen Steuern, seinem Sohne Titus von denen Britanniens und Deutsch--
kalts, als er nur einfacher Militärtribun war. Auch vornehme Römer ohne
"lie officielle Stellung, die eine Provinzialstadt mit einer längern Anwesen¬
heit beehrten und sich irgendwie wohlwollend erwiesen hatten, erhielten diese
Auszeichnung als Ausdruck pflichtschuldiger Ehrerbietung. Aber auch gegen
'hre Mitbürger waren selbst die kleinsten Communen mit Statuen damals bei¬
nahe so freigebig, als sie jetzt mit Adressen oder Toasten sind. Hatte jemand
seiner Vaterstadt eine Schenkung gemacht, z. B. von Oel oder Getreide bei
einer Theurung, offe-ntliche Bauten aus eignem Vermögen ausgeführt, die
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[0341] Angabe hatte Rom damals nach so vielen, zum Theil gründlichen Zerstö¬ rungen und Kalamitäten, noch 378S öffentlich aufgestellte Ehrenstatuen allein eins Bronze, woraus man auf eine noch viel größere Zahl Von marmornen schließen muß. Rechnet man hierzu noch 28 kolossale Reiterstatuen, 80 ver¬ goldete und 76- elfenbeinerne Götterbilder, bedenkt man ferner, wie viel im Innern der Tempel und Häuser stand, so wird man eine aus dieser Zeit herrührende Aeußerung, daß Rom außer, seiner Einwohnerschaft noch ein zweites, nicht minder großes Volk von Statuen in sich schließe, nicht zu hy¬ perbolisch finden. Man kann nicht zweifeln, daß der Reichthum auch der üb¬ rigen einigermaßen bedeutenden und wohlhabenden Städte in Statuen auch außerhalb Italien nach modernen Begriffen enorm gewesen ist, wenn man die zahllosen Veranlassungen zur Errichtung dieser Denkmäler erwägt. Zunächst fehlten wol nirgend Statuen Veo regierenden Kaisers und seiner Familie, nicht blos die Eommune«, sondern auch Privatleute besserten sich, ihre Loyalität durch möglichst zahlreiche Vervielfältigungen der allerhöchsten Personen an den Tag zu legen. Zwar wurden nach dem Fall eines verhaßten Monarchen in der Regel überall auch seine und der Seinigen Denkmäler umgestürzt, aber die erhaltenen müssen in den spätern Zeilen deö Kaiserreichs schon allein ansehnliche Samm¬ lungen gebildet haben. Dazu kamen die Statuen der »mächtigsten und dem Hofe zunächststehenden Männer; in der Zeit von Sejans Allmacht wurden ihm überall mit Tiber gemeinsam Bildsäulen errichtet, nicht nur in den Städ¬ ten, sondern auch in den Lagern der Legionen. Dasselbe geschah zu Ehren Plautians, der sich einer ebenso großen Macht am Hofe SeverS erfreute, wie Sejan an dem Tibers, um ebenso plötzlich und furchtbar gestürzt zu werden. Ferner waren die Provinzialen fast gezwungen, nicht blos den Statthaltern, sondern auch einflußreichen Verwaltungsbeamten und Offizieren Statuen zu er¬ richten, als officielle Bezeugung einer Dankbarkeit, die oft genug eine bittere Fiction war. ES waren keineswegs nur die Spitzen der Civil- und Militär¬ gewalt, die eine solche Ehre beanspruchen durften, sie wurde z. B. Ves- pasian von den Städten Kleinasiens erwiesen, a>is er Generalpächter der Vor¬ igen Steuern, seinem Sohne Titus von denen Britanniens und Deutsch-- kalts, als er nur einfacher Militärtribun war. Auch vornehme Römer ohne "lie officielle Stellung, die eine Provinzialstadt mit einer längern Anwesen¬ heit beehrten und sich irgendwie wohlwollend erwiesen hatten, erhielten diese Auszeichnung als Ausdruck pflichtschuldiger Ehrerbietung. Aber auch gegen 'hre Mitbürger waren selbst die kleinsten Communen mit Statuen damals bei¬ nahe so freigebig, als sie jetzt mit Adressen oder Toasten sind. Hatte jemand seiner Vaterstadt eine Schenkung gemacht, z. B. von Oel oder Getreide bei einer Theurung, offe-ntliche Bauten aus eignem Vermögen ausgeführt, die »anze Stadt zu Gaste geladen, glänzende Schauspiele veranstaltet, als De-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/341>, abgerufen am 23.07.2024.