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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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mvrsäulen und 300 Statuen aus Marmor und Bronze. Domitian baute
zum Andenken seiner angeblichen Siege so viele und so große Triumphbögen
in allen Ländern, daß man sich in Rom darüber lustig machte, alle mit Re¬
liefs geschmückt und von Viergespannen bekrönt.

In der Baulust oder richtiger Bauwuth konnten sich die überall ins Enor¬
me schweifenden Velleitäten dieser Periode am meisten Genüge thun. Die
Privatbauten und Anlagen der Kaiser, der Großen, der Reichen in und be-
Rom und Neapel, Paläste, Landhäuser, Parke, Gärten u. s. w., deren Kolos-
salität so ost ins Märchenhafte und Bizarre ging (man denke an Neros gol¬
denes Haus) bedurften zu ihrer Decoration einen weit größern Aufwand von
bildender Kunst, als die öffentlichen Arbeiten. Die Ausdehnung dieser Lurusi
bauten macht die Villa Hadrians bei Tivoli anschaulich, freilich wol die
kolossalste, die je eristirt hat: sie hat etwa zwei deutsche Meilen im Umkreise,
jetzt ist es ein Labyrinth von Ruinen in einer stillen, grünen Wildniß, "wo
Gärten überm Gestein zu dämmernden Lauben verwildern." Von der Herr¬
lichkeit, die hier untergegangen ist, würde man eine deutlichere Vorstellung
haben, wenn wenigstens authentische Angaben über die hier gefundenen Kunst¬
werke eristirten, doch sagt Winckelmann schwerlich zu viel: "mit den Statuen,
die hier in großer Menge seit dritthalb Jahrhunderten ausgegraben worden,
sind alle Museen in ganz Europa bereichert: es wird noch jetzt beständig ge¬
graben und gefunden, und noch für die späte Nachkommenschaft bleiben Ent¬
deckungen genug zu machen übrig." Allerdings sind damals zur Decoration
vielfach auch Werke älterer Malerei und Sculptur verwendet worden, aber
theils war dies nur hier und da möglich, theils konnte selbst alles, was man
aus griechischen Ländern zusammengeschleppt hatte, dem ins Grenzenlose wach¬
senden Bedürfniß gewiß nur zum kleinsten Theil genügen; endlich brachten die
häufigen und kolossalen Zerstörungen von Kunstwerken (namentlich durch un¬
geheure Brände) schon im ersten Jahrhundert immer neue Lücken hervor, deren
Ausfüllung immer neue Massenproductivnen erforderte. Bei weitem der größte
Theil der Nachfrage nach künstlerischem Schmuck ist also nicht durch den älte¬
ren Bestand, sondern durch die neue Production von Kunstwerken befriedigt
worden; um so mehr, als in vielen Fällen Beziehungen auf die Gegenwart
verlangt wurden.

Es ist aber nicht blos der kolossale Umfang der Production, durch den
sich der Kunstbetrieb der römischen Kaiserzeit von dem aller neuern Zeiten unter¬
scheidet: es ist ganz besonders die Universalität, durch die er einer Unzahl der
verschiedenartigsten Wünsche, Forderungen, Neigungen und Liebhabereien Ge¬
nüge leistete, den höchsten und deu gemeinsten, den extravagantesten wie den
bescheidensten; mit der er die SultanSlaunen des Millionärs befriedigte, wat)-,
rend er doch auch die arme Hütte des Sklaven freundlicher machte. Die KunI


mvrsäulen und 300 Statuen aus Marmor und Bronze. Domitian baute
zum Andenken seiner angeblichen Siege so viele und so große Triumphbögen
in allen Ländern, daß man sich in Rom darüber lustig machte, alle mit Re¬
liefs geschmückt und von Viergespannen bekrönt.

In der Baulust oder richtiger Bauwuth konnten sich die überall ins Enor¬
me schweifenden Velleitäten dieser Periode am meisten Genüge thun. Die
Privatbauten und Anlagen der Kaiser, der Großen, der Reichen in und be-
Rom und Neapel, Paläste, Landhäuser, Parke, Gärten u. s. w., deren Kolos-
salität so ost ins Märchenhafte und Bizarre ging (man denke an Neros gol¬
denes Haus) bedurften zu ihrer Decoration einen weit größern Aufwand von
bildender Kunst, als die öffentlichen Arbeiten. Die Ausdehnung dieser Lurusi
bauten macht die Villa Hadrians bei Tivoli anschaulich, freilich wol die
kolossalste, die je eristirt hat: sie hat etwa zwei deutsche Meilen im Umkreise,
jetzt ist es ein Labyrinth von Ruinen in einer stillen, grünen Wildniß, „wo
Gärten überm Gestein zu dämmernden Lauben verwildern." Von der Herr¬
lichkeit, die hier untergegangen ist, würde man eine deutlichere Vorstellung
haben, wenn wenigstens authentische Angaben über die hier gefundenen Kunst¬
werke eristirten, doch sagt Winckelmann schwerlich zu viel: „mit den Statuen,
die hier in großer Menge seit dritthalb Jahrhunderten ausgegraben worden,
sind alle Museen in ganz Europa bereichert: es wird noch jetzt beständig ge¬
graben und gefunden, und noch für die späte Nachkommenschaft bleiben Ent¬
deckungen genug zu machen übrig." Allerdings sind damals zur Decoration
vielfach auch Werke älterer Malerei und Sculptur verwendet worden, aber
theils war dies nur hier und da möglich, theils konnte selbst alles, was man
aus griechischen Ländern zusammengeschleppt hatte, dem ins Grenzenlose wach¬
senden Bedürfniß gewiß nur zum kleinsten Theil genügen; endlich brachten die
häufigen und kolossalen Zerstörungen von Kunstwerken (namentlich durch un¬
geheure Brände) schon im ersten Jahrhundert immer neue Lücken hervor, deren
Ausfüllung immer neue Massenproductivnen erforderte. Bei weitem der größte
Theil der Nachfrage nach künstlerischem Schmuck ist also nicht durch den älte¬
ren Bestand, sondern durch die neue Production von Kunstwerken befriedigt
worden; um so mehr, als in vielen Fällen Beziehungen auf die Gegenwart
verlangt wurden.

Es ist aber nicht blos der kolossale Umfang der Production, durch den
sich der Kunstbetrieb der römischen Kaiserzeit von dem aller neuern Zeiten unter¬
scheidet: es ist ganz besonders die Universalität, durch die er einer Unzahl der
verschiedenartigsten Wünsche, Forderungen, Neigungen und Liebhabereien Ge¬
nüge leistete, den höchsten und deu gemeinsten, den extravagantesten wie den
bescheidensten; mit der er die SultanSlaunen des Millionärs befriedigte, wat)-,
rend er doch auch die arme Hütte des Sklaven freundlicher machte. Die KunI


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[0336] mvrsäulen und 300 Statuen aus Marmor und Bronze. Domitian baute zum Andenken seiner angeblichen Siege so viele und so große Triumphbögen in allen Ländern, daß man sich in Rom darüber lustig machte, alle mit Re¬ liefs geschmückt und von Viergespannen bekrönt. In der Baulust oder richtiger Bauwuth konnten sich die überall ins Enor¬ me schweifenden Velleitäten dieser Periode am meisten Genüge thun. Die Privatbauten und Anlagen der Kaiser, der Großen, der Reichen in und be- Rom und Neapel, Paläste, Landhäuser, Parke, Gärten u. s. w., deren Kolos- salität so ost ins Märchenhafte und Bizarre ging (man denke an Neros gol¬ denes Haus) bedurften zu ihrer Decoration einen weit größern Aufwand von bildender Kunst, als die öffentlichen Arbeiten. Die Ausdehnung dieser Lurusi bauten macht die Villa Hadrians bei Tivoli anschaulich, freilich wol die kolossalste, die je eristirt hat: sie hat etwa zwei deutsche Meilen im Umkreise, jetzt ist es ein Labyrinth von Ruinen in einer stillen, grünen Wildniß, „wo Gärten überm Gestein zu dämmernden Lauben verwildern." Von der Herr¬ lichkeit, die hier untergegangen ist, würde man eine deutlichere Vorstellung haben, wenn wenigstens authentische Angaben über die hier gefundenen Kunst¬ werke eristirten, doch sagt Winckelmann schwerlich zu viel: „mit den Statuen, die hier in großer Menge seit dritthalb Jahrhunderten ausgegraben worden, sind alle Museen in ganz Europa bereichert: es wird noch jetzt beständig ge¬ graben und gefunden, und noch für die späte Nachkommenschaft bleiben Ent¬ deckungen genug zu machen übrig." Allerdings sind damals zur Decoration vielfach auch Werke älterer Malerei und Sculptur verwendet worden, aber theils war dies nur hier und da möglich, theils konnte selbst alles, was man aus griechischen Ländern zusammengeschleppt hatte, dem ins Grenzenlose wach¬ senden Bedürfniß gewiß nur zum kleinsten Theil genügen; endlich brachten die häufigen und kolossalen Zerstörungen von Kunstwerken (namentlich durch un¬ geheure Brände) schon im ersten Jahrhundert immer neue Lücken hervor, deren Ausfüllung immer neue Massenproductivnen erforderte. Bei weitem der größte Theil der Nachfrage nach künstlerischem Schmuck ist also nicht durch den älte¬ ren Bestand, sondern durch die neue Production von Kunstwerken befriedigt worden; um so mehr, als in vielen Fällen Beziehungen auf die Gegenwart verlangt wurden. Es ist aber nicht blos der kolossale Umfang der Production, durch den sich der Kunstbetrieb der römischen Kaiserzeit von dem aller neuern Zeiten unter¬ scheidet: es ist ganz besonders die Universalität, durch die er einer Unzahl der verschiedenartigsten Wünsche, Forderungen, Neigungen und Liebhabereien Ge¬ nüge leistete, den höchsten und deu gemeinsten, den extravagantesten wie den bescheidensten; mit der er die SultanSlaunen des Millionärs befriedigte, wat)-, rend er doch auch die arme Hütte des Sklaven freundlicher machte. Die KunI

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/336>, abgerufen am 23.07.2024.