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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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also beinahe, obgleich unter ihnen kein positiver Schutzzoll sich befindet, die
früheren Zölle, welche circa 443 Millionen Thaler ergaben.

Der englische Zolltarif hat zwar seine Mängel, aber er ist der freisinnigste
aller bestehenden Tarife, er entspricht am besten den Interessen des Consumen-
ten und namentlich der großen Menge und er ist am besten combinirt für den
wahren Vortheil der nationalen Arbeit. Sein Grundcharakter ist: freie Ein¬
fuhr der gewöhnlichsten Stoffe; freie Einfuhr der ersten Lebensbedürfnisse, in¬
dem dieser Begriff um weitesten Sinne gefaßt wird, so daß er Gewebe, rohe,
gebleichte und gefärbte, so wie chemische Producte umfaßt; freie Einfuhr der
meisten Manufacturartikel, die stark verbraucht werden, wie Baumwoll-, Tuch-, und
Leinenwaaren; außerdem Zölle, welche fast immer, wenn eS sich um Maimfac¬
turartikel handelt, nur 3 oder -10 Procent und oft noch weniger betragen. Die
Bevölkerung hat bei diesem Tarif doppelt gewonnen, sie hat mehr Arbeit und
ist von den schweren Abgaben befreit, welche sie den verschiedenen privilegirten
Interessen bezahlte. Arbeit ist im Ueberfluß, weil die Eingangszölle auf die
ersten Stoffe aufgehoben sind. Wenn diese Stosse wohlfeiler sind, werden sie
stärker verbraucht. Daß man zu denselben eine Menge von Substanzen, theils
Halbfabncate wie die Gespiunste, theils Ganzfabricate wie die chemischen Pro¬
ducte rechnete, diese Liberalität hat die Entwicklung der Arbeit beschleunigt und
verstärkt. Da ferner die Concurrenz des Auslandes diejenigen Industriezweige,
welche zurückgeblieben waren, aufgestachelt hat, so produciren dieselben zu einem
niedrigeren Preise und der Verbrauch ihrer Producte ist um so viel größer.
Endlich hat eine ungew'öhnte Einfuhr fremder Producte ein wunderbares Wachsen
der Ausfuhr englischer Erzeugnisse herbeigeführt, einer Ausfuhr, die -I8L2
47,281,988 Pfd. Se. und 18S6 -115,890,875 Pfd. Se. betrug.

Die Abgaben, welche,daS Publicum den geschützten Industrien bezahlte
Und von denen es durch Peels Reform befreit wurde, waren sehr hoch. Sie
waren zwiefach: theils wurden sie den Manufacturproducten, theils den Nahrungs-
stoffen entrichtet. Vor der Reform blieben in England gewisse Industriezweige
stationär: die Fabrikation von Glas, von buntem Papier, von Seidenzeug,
von gewissen Tuch- und Baumwollstoffen, so wie von andern Zeugen. Sobald
diese Industrien den Sporn fühlten, sind sie vorangegangen und haben billi-
t>er sowol producirt als verkauft. Noch größeren Tribut als ven Manufactu-
^'n hatte das Publicum den Nahrungsstoffen zu zahlen. Nimmt man an,
daß die Vertheurung des Getreides auf den Hectoliter -I Thlr. l O Sgr. betrug,
und diese Voraussetzung ist nicht übertrieben, so boträgt die Ersparniß für eine
Familie von sechs Personen, bei drei Hectoliter auf den Kopf, 2i Thaler. Für
heisch, Zucker, Butter, Käse und Früchte hat der neue Zolltarif ebenfalls eine
sehr starke Entlastung herbeigeführt. Befreit von den schweren Abgaben, welche
zum Vortheil der Zollbeschützten erhoben wurden und überdies besser mit Ar-


also beinahe, obgleich unter ihnen kein positiver Schutzzoll sich befindet, die
früheren Zölle, welche circa 443 Millionen Thaler ergaben.

Der englische Zolltarif hat zwar seine Mängel, aber er ist der freisinnigste
aller bestehenden Tarife, er entspricht am besten den Interessen des Consumen-
ten und namentlich der großen Menge und er ist am besten combinirt für den
wahren Vortheil der nationalen Arbeit. Sein Grundcharakter ist: freie Ein¬
fuhr der gewöhnlichsten Stoffe; freie Einfuhr der ersten Lebensbedürfnisse, in¬
dem dieser Begriff um weitesten Sinne gefaßt wird, so daß er Gewebe, rohe,
gebleichte und gefärbte, so wie chemische Producte umfaßt; freie Einfuhr der
meisten Manufacturartikel, die stark verbraucht werden, wie Baumwoll-, Tuch-, und
Leinenwaaren; außerdem Zölle, welche fast immer, wenn eS sich um Maimfac¬
turartikel handelt, nur 3 oder -10 Procent und oft noch weniger betragen. Die
Bevölkerung hat bei diesem Tarif doppelt gewonnen, sie hat mehr Arbeit und
ist von den schweren Abgaben befreit, welche sie den verschiedenen privilegirten
Interessen bezahlte. Arbeit ist im Ueberfluß, weil die Eingangszölle auf die
ersten Stoffe aufgehoben sind. Wenn diese Stosse wohlfeiler sind, werden sie
stärker verbraucht. Daß man zu denselben eine Menge von Substanzen, theils
Halbfabncate wie die Gespiunste, theils Ganzfabricate wie die chemischen Pro¬
ducte rechnete, diese Liberalität hat die Entwicklung der Arbeit beschleunigt und
verstärkt. Da ferner die Concurrenz des Auslandes diejenigen Industriezweige,
welche zurückgeblieben waren, aufgestachelt hat, so produciren dieselben zu einem
niedrigeren Preise und der Verbrauch ihrer Producte ist um so viel größer.
Endlich hat eine ungew'öhnte Einfuhr fremder Producte ein wunderbares Wachsen
der Ausfuhr englischer Erzeugnisse herbeigeführt, einer Ausfuhr, die -I8L2
47,281,988 Pfd. Se. und 18S6 -115,890,875 Pfd. Se. betrug.

Die Abgaben, welche,daS Publicum den geschützten Industrien bezahlte
Und von denen es durch Peels Reform befreit wurde, waren sehr hoch. Sie
waren zwiefach: theils wurden sie den Manufacturproducten, theils den Nahrungs-
stoffen entrichtet. Vor der Reform blieben in England gewisse Industriezweige
stationär: die Fabrikation von Glas, von buntem Papier, von Seidenzeug,
von gewissen Tuch- und Baumwollstoffen, so wie von andern Zeugen. Sobald
diese Industrien den Sporn fühlten, sind sie vorangegangen und haben billi-
t>er sowol producirt als verkauft. Noch größeren Tribut als ven Manufactu-
^'n hatte das Publicum den Nahrungsstoffen zu zahlen. Nimmt man an,
daß die Vertheurung des Getreides auf den Hectoliter -I Thlr. l O Sgr. betrug,
und diese Voraussetzung ist nicht übertrieben, so boträgt die Ersparniß für eine
Familie von sechs Personen, bei drei Hectoliter auf den Kopf, 2i Thaler. Für
heisch, Zucker, Butter, Käse und Früchte hat der neue Zolltarif ebenfalls eine
sehr starke Entlastung herbeigeführt. Befreit von den schweren Abgaben, welche
zum Vortheil der Zollbeschützten erhoben wurden und überdies besser mit Ar-


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[0319] also beinahe, obgleich unter ihnen kein positiver Schutzzoll sich befindet, die früheren Zölle, welche circa 443 Millionen Thaler ergaben. Der englische Zolltarif hat zwar seine Mängel, aber er ist der freisinnigste aller bestehenden Tarife, er entspricht am besten den Interessen des Consumen- ten und namentlich der großen Menge und er ist am besten combinirt für den wahren Vortheil der nationalen Arbeit. Sein Grundcharakter ist: freie Ein¬ fuhr der gewöhnlichsten Stoffe; freie Einfuhr der ersten Lebensbedürfnisse, in¬ dem dieser Begriff um weitesten Sinne gefaßt wird, so daß er Gewebe, rohe, gebleichte und gefärbte, so wie chemische Producte umfaßt; freie Einfuhr der meisten Manufacturartikel, die stark verbraucht werden, wie Baumwoll-, Tuch-, und Leinenwaaren; außerdem Zölle, welche fast immer, wenn eS sich um Maimfac¬ turartikel handelt, nur 3 oder -10 Procent und oft noch weniger betragen. Die Bevölkerung hat bei diesem Tarif doppelt gewonnen, sie hat mehr Arbeit und ist von den schweren Abgaben befreit, welche sie den verschiedenen privilegirten Interessen bezahlte. Arbeit ist im Ueberfluß, weil die Eingangszölle auf die ersten Stoffe aufgehoben sind. Wenn diese Stosse wohlfeiler sind, werden sie stärker verbraucht. Daß man zu denselben eine Menge von Substanzen, theils Halbfabncate wie die Gespiunste, theils Ganzfabricate wie die chemischen Pro¬ ducte rechnete, diese Liberalität hat die Entwicklung der Arbeit beschleunigt und verstärkt. Da ferner die Concurrenz des Auslandes diejenigen Industriezweige, welche zurückgeblieben waren, aufgestachelt hat, so produciren dieselben zu einem niedrigeren Preise und der Verbrauch ihrer Producte ist um so viel größer. Endlich hat eine ungew'öhnte Einfuhr fremder Producte ein wunderbares Wachsen der Ausfuhr englischer Erzeugnisse herbeigeführt, einer Ausfuhr, die -I8L2 47,281,988 Pfd. Se. und 18S6 -115,890,875 Pfd. Se. betrug. Die Abgaben, welche,daS Publicum den geschützten Industrien bezahlte Und von denen es durch Peels Reform befreit wurde, waren sehr hoch. Sie waren zwiefach: theils wurden sie den Manufacturproducten, theils den Nahrungs- stoffen entrichtet. Vor der Reform blieben in England gewisse Industriezweige stationär: die Fabrikation von Glas, von buntem Papier, von Seidenzeug, von gewissen Tuch- und Baumwollstoffen, so wie von andern Zeugen. Sobald diese Industrien den Sporn fühlten, sind sie vorangegangen und haben billi- t>er sowol producirt als verkauft. Noch größeren Tribut als ven Manufactu- ^'n hatte das Publicum den Nahrungsstoffen zu zahlen. Nimmt man an, daß die Vertheurung des Getreides auf den Hectoliter -I Thlr. l O Sgr. betrug, und diese Voraussetzung ist nicht übertrieben, so boträgt die Ersparniß für eine Familie von sechs Personen, bei drei Hectoliter auf den Kopf, 2i Thaler. Für heisch, Zucker, Butter, Käse und Früchte hat der neue Zolltarif ebenfalls eine sehr starke Entlastung herbeigeführt. Befreit von den schweren Abgaben, welche zum Vortheil der Zollbeschützten erhoben wurden und überdies besser mit Ar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/319>, abgerufen am 23.07.2024.