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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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bleibenden wurden erheblich herabgesetzt und sind für die Artikel, die eine starke
Consumtion haben, sehr müßig. Ausgenommen davon sind nur zwei Artikel,
welche überall für vorzugsweise steuerbar erachtet werden: der Tabak und
die spirituösen; gleichwol hat Robert Peel den Zoll auf die letzteren um
ein Drittel vermindert. Die einzige auffällige Ausnahme von der Regel des
englischen Zolltarifs sind die übertriebenen Weinzölle, welche Lord Palmer-
ston mit der Behauptung rechtfertigt, daß der Wein ein Gegenstand des Lurus
und sehr theuer sei und daß mit Rücksicht hierauf selbst ein hoher Zoll die
Consumtion nicht beeinträchtige. Der Litre Wein zahlt in England ohne Un¬
terschied der Qualität einen Zoll von circa 9 Groschen, also das Zehnfache von
dem, was der Litre Wein in gewöhnlichen Zeiten an den Productionsorten, wie
zum Beispiel in Südfrankreich, kostet. Lord Palmerston, der ohne Zweifel nur sehr
feine französische Weine trinkt, mag den Zoll auf denselben von 9 Groschen frei¬
lich nur sehr gering finden: aber für die weniger gut situirter Bewohner Gro߬
britanniens, die sich mit weniger kostbarem Weine begnügen, ist dieser Zoll
ungemessen und unerträglich.

Die Consumtion hat jedoch infolge des nationalen Wohlstandes so zu¬
genommen, daß die Zölle fast denselben Ertrag liefern als vor der Handels¬
reform, nämlich beinahe 143 Millionen Thaler. Aber "/su dieser Einnahmen
fließen aus denjenigen Zöllen, die einen wesentlich fiscalischen Charakter haben-
So brachten im Jahre 18SS die Zuckerzölle 30 Millionen Thaler ein, die
Theezölle 34 Millionen, die Tabakzölle 31 Millionen, die Zölle auf Kaff"
Kakao und Specereien 3 Millionen, die Weinzölle 12 Millionen, die Zölle
auf Rum, Branntwein und ausländische Spirituosen, welche in demselben
Verhältniß als die inländischen Spirituosen besteuert werden, 16 Millionen.
Die getrockneten Früchte, Rosinen, Feigen, Mandeln, Orangen erbrachten
2 Millionen Thaler. Dazu kommen die Zölle auf Hopfen und Papier mit
400,000 Thaler. Das Bauholz hat 3,100,000 Thaler ergeben. Der Zoll auf
dieses Holz wird aber nicht als Schutzzoll erhoben. Bekanntlich hat England
keine Wälder mehr und bezieht fast alles Bauholz, dessen es bedarf, aus dem
Auslande. Der Zoll auf dasselbe ist rein fiscalisch, er beruhtauf dem System,
welches Accisezölle auf die wichtigsten Baumaterialien legt: auf den Ziegelstein,
den man in England allgemein statt des Steines gebraucht, und auf das
Fensterglas. Die Accisezölle aus Ziegelstein und Glas wurden bei der Zoll¬
reform abgeschafft, der Zoll auf Bauholz aber erlitt eine sehr starke ReductioN-
Es wurde derselbe seit 1842 allmälig um circa 10 Millionen Thaler ermäßigt-
Der Getreidezoll, der nur als ein Gleichgewichtszoll erscheint, hat dessenun¬
geachtet infolge der starken Einfuhr von 1855 über 2 Millionen Thaler ein¬
gebracht. Das Zollertragniß der Seidenzeuge ist auf 1,600,000 Thaler gestie¬
gen. Die gegenwärtigen Zollerträge von etwa 140 Millionen Thaler erreichen


bleibenden wurden erheblich herabgesetzt und sind für die Artikel, die eine starke
Consumtion haben, sehr müßig. Ausgenommen davon sind nur zwei Artikel,
welche überall für vorzugsweise steuerbar erachtet werden: der Tabak und
die spirituösen; gleichwol hat Robert Peel den Zoll auf die letzteren um
ein Drittel vermindert. Die einzige auffällige Ausnahme von der Regel des
englischen Zolltarifs sind die übertriebenen Weinzölle, welche Lord Palmer-
ston mit der Behauptung rechtfertigt, daß der Wein ein Gegenstand des Lurus
und sehr theuer sei und daß mit Rücksicht hierauf selbst ein hoher Zoll die
Consumtion nicht beeinträchtige. Der Litre Wein zahlt in England ohne Un¬
terschied der Qualität einen Zoll von circa 9 Groschen, also das Zehnfache von
dem, was der Litre Wein in gewöhnlichen Zeiten an den Productionsorten, wie
zum Beispiel in Südfrankreich, kostet. Lord Palmerston, der ohne Zweifel nur sehr
feine französische Weine trinkt, mag den Zoll auf denselben von 9 Groschen frei¬
lich nur sehr gering finden: aber für die weniger gut situirter Bewohner Gro߬
britanniens, die sich mit weniger kostbarem Weine begnügen, ist dieser Zoll
ungemessen und unerträglich.

Die Consumtion hat jedoch infolge des nationalen Wohlstandes so zu¬
genommen, daß die Zölle fast denselben Ertrag liefern als vor der Handels¬
reform, nämlich beinahe 143 Millionen Thaler. Aber "/su dieser Einnahmen
fließen aus denjenigen Zöllen, die einen wesentlich fiscalischen Charakter haben-
So brachten im Jahre 18SS die Zuckerzölle 30 Millionen Thaler ein, die
Theezölle 34 Millionen, die Tabakzölle 31 Millionen, die Zölle auf Kaff«
Kakao und Specereien 3 Millionen, die Weinzölle 12 Millionen, die Zölle
auf Rum, Branntwein und ausländische Spirituosen, welche in demselben
Verhältniß als die inländischen Spirituosen besteuert werden, 16 Millionen.
Die getrockneten Früchte, Rosinen, Feigen, Mandeln, Orangen erbrachten
2 Millionen Thaler. Dazu kommen die Zölle auf Hopfen und Papier mit
400,000 Thaler. Das Bauholz hat 3,100,000 Thaler ergeben. Der Zoll auf
dieses Holz wird aber nicht als Schutzzoll erhoben. Bekanntlich hat England
keine Wälder mehr und bezieht fast alles Bauholz, dessen es bedarf, aus dem
Auslande. Der Zoll auf dasselbe ist rein fiscalisch, er beruhtauf dem System,
welches Accisezölle auf die wichtigsten Baumaterialien legt: auf den Ziegelstein,
den man in England allgemein statt des Steines gebraucht, und auf das
Fensterglas. Die Accisezölle aus Ziegelstein und Glas wurden bei der Zoll¬
reform abgeschafft, der Zoll auf Bauholz aber erlitt eine sehr starke ReductioN-
Es wurde derselbe seit 1842 allmälig um circa 10 Millionen Thaler ermäßigt-
Der Getreidezoll, der nur als ein Gleichgewichtszoll erscheint, hat dessenun¬
geachtet infolge der starken Einfuhr von 1855 über 2 Millionen Thaler ein¬
gebracht. Das Zollertragniß der Seidenzeuge ist auf 1,600,000 Thaler gestie¬
gen. Die gegenwärtigen Zollerträge von etwa 140 Millionen Thaler erreichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/318>, abgerufen am 23.07.2024.