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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Noch mächtiger wäre allerdings der Eindruck geworden, wenn die Absicht des
Comites, ein vollständiges Bild der in England angesammelten Kunstschätze
in Manchester zu vereinigen, nicht so viele Hindernisse gefunden hätte.
Wenigstens was die alten Schulen anbelangt, so könnten die Räume der
Ausstellung noch zweimal mit Bildern gefüllt werden und zwar mit gleichbe¬
deutenden und gleichberühmten, ohne daß der Vorrath von Kunstwerken, den
englisches Geld und englische Kunstliebe, -- denn auch an dieser fehlt eS nicht
-- aufgespeichert hat, zu erschöpfen. Auf der diesjährigen ersten und viel¬
leicht auch letzten Ausstellung von Kunstschätzen war, um nur einige Beispiele
anzuführen, die weltbekannte Grvsvenorgaleric des Marquis of Westminster so
gut wie gar nicht vertetcn. Auch aus der Bridgcwatergalerie, aus den
Sammlungen des Herzogs von Devonshire, des Sir Robert Peel, des Lord
Ellesmere, deS Herzogs von Wellington u. a. fehlten alle Beiträge, die in
der Kunstgeographie so oft genannten Namen: Bowood, Bathhouse, Hamilton-
palace, Petworth, Chatsworth, Leighcourt, Blenheim u. f. w. wurden in dem
Ausstellungskataloge schmerzlich vermißt. Gerade dies bildete ja für Kunstfreunde
einen wesentlichen Reiz der Manchesterauöstellung, daß die meisten hier vor¬
handenen Kunstschätze bis dahin unzugänglich und unbekannt waren. Dieselbe
war vorzugsweise eine Ausstellung der im Besitze der Mittelklassen befindlichen
Kunstwerke und legte Zeugniß ab von der weiten Verbreitung des Sammel¬
eifers in England. Aber weder dieser noch der andere Umstand, daß sie viel¬
fach Neues und Unbekanntes brachte, konnte Ersatz bieten dafür, daß die
berühmtesten Galerien durch ihre Abwesenheit glänzten. Wie ganz anders
hätte sich Rubens repräsentirt, wenn auch die großen RubenSbilder des Mar¬
quis of Westminster und der ormpiZÄU 6s Milo aus der Sammlung deS
Sir Robert Peel von den Wänden der Ausstellung herabgeschaut hätten.
Nicht anders verhält es sich mit van Dyck, mit Tizian, mit Tintoretto und
namentlich auch mit Raphael und Claude Lorrain, welcher letztere wirklich
stiefmütterlich von dem Comite behandelt wurde und durchaus nicht so, wie
es die von ihm in England befindlichen Landschaften gestatten könnten, ver¬
treten war. ES wäre aber Unrecht, die ManchcsterauSstellung nach den Summen
dessen, was in ihr nicht geschaut werde" konnte, zu beurtheilen. Trotz ihrer
UnVollständigkeit gewährte ihr Besuch doch eine" ungemeinen Genuß, und ge¬
stattete die Anschauung ihrer Bilderschätze einen richtigen Schluß auf den
Kunstreichthum und die Kunstbildung Englands. Sie zeigte, daß die größere
Vorliebe sich dem siebzehnten Jahrhundert zuwendet, die spätere niederländische
Schule am glänzendsten in den englischen Privatgalerien vertreten ist. Sie
lehrt uns überdies, daß auch die Producte des KunsthcmdwerkeS, sowol jene
die in Metall, wie jene die in Thon, Glas, Holz und Elfenbein ausgeführt
sind, vorzugsweise nach England den Weg gesunden haben. Wäre die Aus-


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Noch mächtiger wäre allerdings der Eindruck geworden, wenn die Absicht des
Comites, ein vollständiges Bild der in England angesammelten Kunstschätze
in Manchester zu vereinigen, nicht so viele Hindernisse gefunden hätte.
Wenigstens was die alten Schulen anbelangt, so könnten die Räume der
Ausstellung noch zweimal mit Bildern gefüllt werden und zwar mit gleichbe¬
deutenden und gleichberühmten, ohne daß der Vorrath von Kunstwerken, den
englisches Geld und englische Kunstliebe, — denn auch an dieser fehlt eS nicht
— aufgespeichert hat, zu erschöpfen. Auf der diesjährigen ersten und viel¬
leicht auch letzten Ausstellung von Kunstschätzen war, um nur einige Beispiele
anzuführen, die weltbekannte Grvsvenorgaleric des Marquis of Westminster so
gut wie gar nicht vertetcn. Auch aus der Bridgcwatergalerie, aus den
Sammlungen des Herzogs von Devonshire, des Sir Robert Peel, des Lord
Ellesmere, deS Herzogs von Wellington u. a. fehlten alle Beiträge, die in
der Kunstgeographie so oft genannten Namen: Bowood, Bathhouse, Hamilton-
palace, Petworth, Chatsworth, Leighcourt, Blenheim u. f. w. wurden in dem
Ausstellungskataloge schmerzlich vermißt. Gerade dies bildete ja für Kunstfreunde
einen wesentlichen Reiz der Manchesterauöstellung, daß die meisten hier vor¬
handenen Kunstschätze bis dahin unzugänglich und unbekannt waren. Dieselbe
war vorzugsweise eine Ausstellung der im Besitze der Mittelklassen befindlichen
Kunstwerke und legte Zeugniß ab von der weiten Verbreitung des Sammel¬
eifers in England. Aber weder dieser noch der andere Umstand, daß sie viel¬
fach Neues und Unbekanntes brachte, konnte Ersatz bieten dafür, daß die
berühmtesten Galerien durch ihre Abwesenheit glänzten. Wie ganz anders
hätte sich Rubens repräsentirt, wenn auch die großen RubenSbilder des Mar¬
quis of Westminster und der ormpiZÄU 6s Milo aus der Sammlung deS
Sir Robert Peel von den Wänden der Ausstellung herabgeschaut hätten.
Nicht anders verhält es sich mit van Dyck, mit Tizian, mit Tintoretto und
namentlich auch mit Raphael und Claude Lorrain, welcher letztere wirklich
stiefmütterlich von dem Comite behandelt wurde und durchaus nicht so, wie
es die von ihm in England befindlichen Landschaften gestatten könnten, ver¬
treten war. ES wäre aber Unrecht, die ManchcsterauSstellung nach den Summen
dessen, was in ihr nicht geschaut werde» konnte, zu beurtheilen. Trotz ihrer
UnVollständigkeit gewährte ihr Besuch doch eine» ungemeinen Genuß, und ge¬
stattete die Anschauung ihrer Bilderschätze einen richtigen Schluß auf den
Kunstreichthum und die Kunstbildung Englands. Sie zeigte, daß die größere
Vorliebe sich dem siebzehnten Jahrhundert zuwendet, die spätere niederländische
Schule am glänzendsten in den englischen Privatgalerien vertreten ist. Sie
lehrt uns überdies, daß auch die Producte des KunsthcmdwerkeS, sowol jene
die in Metall, wie jene die in Thon, Glas, Holz und Elfenbein ausgeführt
sind, vorzugsweise nach England den Weg gesunden haben. Wäre die Aus-


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[0291] Noch mächtiger wäre allerdings der Eindruck geworden, wenn die Absicht des Comites, ein vollständiges Bild der in England angesammelten Kunstschätze in Manchester zu vereinigen, nicht so viele Hindernisse gefunden hätte. Wenigstens was die alten Schulen anbelangt, so könnten die Räume der Ausstellung noch zweimal mit Bildern gefüllt werden und zwar mit gleichbe¬ deutenden und gleichberühmten, ohne daß der Vorrath von Kunstwerken, den englisches Geld und englische Kunstliebe, — denn auch an dieser fehlt eS nicht — aufgespeichert hat, zu erschöpfen. Auf der diesjährigen ersten und viel¬ leicht auch letzten Ausstellung von Kunstschätzen war, um nur einige Beispiele anzuführen, die weltbekannte Grvsvenorgaleric des Marquis of Westminster so gut wie gar nicht vertetcn. Auch aus der Bridgcwatergalerie, aus den Sammlungen des Herzogs von Devonshire, des Sir Robert Peel, des Lord Ellesmere, deS Herzogs von Wellington u. a. fehlten alle Beiträge, die in der Kunstgeographie so oft genannten Namen: Bowood, Bathhouse, Hamilton- palace, Petworth, Chatsworth, Leighcourt, Blenheim u. f. w. wurden in dem Ausstellungskataloge schmerzlich vermißt. Gerade dies bildete ja für Kunstfreunde einen wesentlichen Reiz der Manchesterauöstellung, daß die meisten hier vor¬ handenen Kunstschätze bis dahin unzugänglich und unbekannt waren. Dieselbe war vorzugsweise eine Ausstellung der im Besitze der Mittelklassen befindlichen Kunstwerke und legte Zeugniß ab von der weiten Verbreitung des Sammel¬ eifers in England. Aber weder dieser noch der andere Umstand, daß sie viel¬ fach Neues und Unbekanntes brachte, konnte Ersatz bieten dafür, daß die berühmtesten Galerien durch ihre Abwesenheit glänzten. Wie ganz anders hätte sich Rubens repräsentirt, wenn auch die großen RubenSbilder des Mar¬ quis of Westminster und der ormpiZÄU 6s Milo aus der Sammlung deS Sir Robert Peel von den Wänden der Ausstellung herabgeschaut hätten. Nicht anders verhält es sich mit van Dyck, mit Tizian, mit Tintoretto und namentlich auch mit Raphael und Claude Lorrain, welcher letztere wirklich stiefmütterlich von dem Comite behandelt wurde und durchaus nicht so, wie es die von ihm in England befindlichen Landschaften gestatten könnten, ver¬ treten war. ES wäre aber Unrecht, die ManchcsterauSstellung nach den Summen dessen, was in ihr nicht geschaut werde» konnte, zu beurtheilen. Trotz ihrer UnVollständigkeit gewährte ihr Besuch doch eine» ungemeinen Genuß, und ge¬ stattete die Anschauung ihrer Bilderschätze einen richtigen Schluß auf den Kunstreichthum und die Kunstbildung Englands. Sie zeigte, daß die größere Vorliebe sich dem siebzehnten Jahrhundert zuwendet, die spätere niederländische Schule am glänzendsten in den englischen Privatgalerien vertreten ist. Sie lehrt uns überdies, daß auch die Producte des KunsthcmdwerkeS, sowol jene die in Metall, wie jene die in Thon, Glas, Holz und Elfenbein ausgeführt sind, vorzugsweise nach England den Weg gesunden haben. Wäre die Aus- 36*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/291>, abgerufen am 23.07.2024.