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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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die Sekte zugleich politische Partei ist, theils von jenem auch anderwärts in
christlichen Kreisen beobachteten phantastischen Elemente her, dessen Vertreter
der Fürst des Ostens ist. Die neuesten Nachrichten aus China melden, daß
dieser mit seinem Versuch, sich offen die höchste Gewalt zu verschaffen, ge¬
scheitert und von Hung sin Thinen durch Hinrichtung beseitigt worden ist. Die
Bestätigung dieser Mittheilung wird abzuwarten sein. "Wenn eS den Tai-
pings gelingt," sagt MeadowS, "sich zu unbestrittnen Herren des Landes zu
machen, so zweifle ich nicht, daß Hungs religiöse Ansichten über die der
mystisch-fanatischen Partei den Sieg davon tragen werden." Er meint dann,
seine Lehre sei auch geeigneter, die Zustimmung der gebildeten Chinesen zu
.gewinnen, welche sich nach ihm gern mit dem Studium alter verehrter Bücher
Wie die Bibel beschäftigen, und um so mehr geneigt sein werden, die letztere
M studiren, als sie aus ihr den Hoang Schang Ti des chinesischen Alterthums
als. einen lebendigen Gott kennen lernen, welcher der Gott und Beschützer
der jetzt so mächtigen Fremden aus dem Westen ist, und als andererseits welt¬
liche Rücksichten dazu treten, indem die Führer der TaipingS die Absicht aus¬
gesprochen haben, wenn der Sieg gewonnen, als Textbuch bei den Prüfungen
sür den Staatsdienst an die Stelle der altchinesischen Literatur die Bibel
^eden zu lassen. ES wäre dies ein Triumph des Christenthums, wie ihn die
Weltgeschichte noch nicht ausweist. Die Zahl der Christen -- gegenwärtig
nach Maltebrun etwa 228, nach Balbi, der wol zu hoch greift, 260 Millionen^)
^ würde dadurch mehr als verdoppelt, sie würde die Hälfte der Menschheit
u"d. was werthvoller ist, sie würde den thatkräftigsten und civilisirtesten
Theil der Menschheit repräsentiren.

Es handelt sich dabei freilich noch um daS Wichtigste, um Ueberwindung jenes
phantastischen Elements und um Ueberwindung der Mandschus, die, wenn man
sich in die rechte Mitte zwischen den günstigen und ungünstigen neuesten Nach¬
richten über ihre Stellung zu der Revolution stellt, in ihrer Herrschaft zwar
erschüttert, aber noch lange nicht bis zum Aeußersten gebracht sind.¬

Die TaipingS haben gegenwärtig noch die große Mehrheit der Gebil
deten und Wohlhabenden 'gegen sich. Ihr Christenthum erweckt durch die
Zweite Sohnschaft Gottes,'durch die Auffassung des östlichen Fürsten als
Rösters und heiligen Geistes und durch das Herabsteigen Gottvaters in
dessen Leib das Lächeln und den Spott der Intelligenten, die in China
theoretisch Pcmtheisten sind, während sie sich Praktisch mehr oder weniger zu
Götzendienst der ungebildet"" Masse hinneigen. Die Reiche" ferner sind
wie überall politischen Umwälzungen schon an sich nicht geneigt. Außerdem



^ *) Außer ihnen nimmt man ö bis " Millionen Juden. 1ö0 Millionen Bel-nner des
^Siam, Zog Millionen Buddhisten und 3 bis ivv Millionen eigentliche Heioe" o".

die Sekte zugleich politische Partei ist, theils von jenem auch anderwärts in
christlichen Kreisen beobachteten phantastischen Elemente her, dessen Vertreter
der Fürst des Ostens ist. Die neuesten Nachrichten aus China melden, daß
dieser mit seinem Versuch, sich offen die höchste Gewalt zu verschaffen, ge¬
scheitert und von Hung sin Thinen durch Hinrichtung beseitigt worden ist. Die
Bestätigung dieser Mittheilung wird abzuwarten sein. „Wenn eS den Tai-
pings gelingt," sagt MeadowS, „sich zu unbestrittnen Herren des Landes zu
machen, so zweifle ich nicht, daß Hungs religiöse Ansichten über die der
mystisch-fanatischen Partei den Sieg davon tragen werden." Er meint dann,
seine Lehre sei auch geeigneter, die Zustimmung der gebildeten Chinesen zu
.gewinnen, welche sich nach ihm gern mit dem Studium alter verehrter Bücher
Wie die Bibel beschäftigen, und um so mehr geneigt sein werden, die letztere
M studiren, als sie aus ihr den Hoang Schang Ti des chinesischen Alterthums
als. einen lebendigen Gott kennen lernen, welcher der Gott und Beschützer
der jetzt so mächtigen Fremden aus dem Westen ist, und als andererseits welt¬
liche Rücksichten dazu treten, indem die Führer der TaipingS die Absicht aus¬
gesprochen haben, wenn der Sieg gewonnen, als Textbuch bei den Prüfungen
sür den Staatsdienst an die Stelle der altchinesischen Literatur die Bibel
^eden zu lassen. ES wäre dies ein Triumph des Christenthums, wie ihn die
Weltgeschichte noch nicht ausweist. Die Zahl der Christen — gegenwärtig
nach Maltebrun etwa 228, nach Balbi, der wol zu hoch greift, 260 Millionen^)
^ würde dadurch mehr als verdoppelt, sie würde die Hälfte der Menschheit
u»d. was werthvoller ist, sie würde den thatkräftigsten und civilisirtesten
Theil der Menschheit repräsentiren.

Es handelt sich dabei freilich noch um daS Wichtigste, um Ueberwindung jenes
phantastischen Elements und um Ueberwindung der Mandschus, die, wenn man
sich in die rechte Mitte zwischen den günstigen und ungünstigen neuesten Nach¬
richten über ihre Stellung zu der Revolution stellt, in ihrer Herrschaft zwar
erschüttert, aber noch lange nicht bis zum Aeußersten gebracht sind.¬

Die TaipingS haben gegenwärtig noch die große Mehrheit der Gebil
deten und Wohlhabenden 'gegen sich. Ihr Christenthum erweckt durch die
Zweite Sohnschaft Gottes,'durch die Auffassung des östlichen Fürsten als
Rösters und heiligen Geistes und durch das Herabsteigen Gottvaters in
dessen Leib das Lächeln und den Spott der Intelligenten, die in China
theoretisch Pcmtheisten sind, während sie sich Praktisch mehr oder weniger zu
Götzendienst der ungebildet«» Masse hinneigen. Die Reiche» ferner sind
wie überall politischen Umwälzungen schon an sich nicht geneigt. Außerdem



^ *) Außer ihnen nimmt man ö bis « Millionen Juden. 1ö0 Millionen Bel-nner des
^Siam, Zog Millionen Buddhisten und 3 bis ivv Millionen eigentliche Heioe» o».
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[0279] die Sekte zugleich politische Partei ist, theils von jenem auch anderwärts in christlichen Kreisen beobachteten phantastischen Elemente her, dessen Vertreter der Fürst des Ostens ist. Die neuesten Nachrichten aus China melden, daß dieser mit seinem Versuch, sich offen die höchste Gewalt zu verschaffen, ge¬ scheitert und von Hung sin Thinen durch Hinrichtung beseitigt worden ist. Die Bestätigung dieser Mittheilung wird abzuwarten sein. „Wenn eS den Tai- pings gelingt," sagt MeadowS, „sich zu unbestrittnen Herren des Landes zu machen, so zweifle ich nicht, daß Hungs religiöse Ansichten über die der mystisch-fanatischen Partei den Sieg davon tragen werden." Er meint dann, seine Lehre sei auch geeigneter, die Zustimmung der gebildeten Chinesen zu .gewinnen, welche sich nach ihm gern mit dem Studium alter verehrter Bücher Wie die Bibel beschäftigen, und um so mehr geneigt sein werden, die letztere M studiren, als sie aus ihr den Hoang Schang Ti des chinesischen Alterthums als. einen lebendigen Gott kennen lernen, welcher der Gott und Beschützer der jetzt so mächtigen Fremden aus dem Westen ist, und als andererseits welt¬ liche Rücksichten dazu treten, indem die Führer der TaipingS die Absicht aus¬ gesprochen haben, wenn der Sieg gewonnen, als Textbuch bei den Prüfungen sür den Staatsdienst an die Stelle der altchinesischen Literatur die Bibel ^eden zu lassen. ES wäre dies ein Triumph des Christenthums, wie ihn die Weltgeschichte noch nicht ausweist. Die Zahl der Christen — gegenwärtig nach Maltebrun etwa 228, nach Balbi, der wol zu hoch greift, 260 Millionen^) ^ würde dadurch mehr als verdoppelt, sie würde die Hälfte der Menschheit u»d. was werthvoller ist, sie würde den thatkräftigsten und civilisirtesten Theil der Menschheit repräsentiren. Es handelt sich dabei freilich noch um daS Wichtigste, um Ueberwindung jenes phantastischen Elements und um Ueberwindung der Mandschus, die, wenn man sich in die rechte Mitte zwischen den günstigen und ungünstigen neuesten Nach¬ richten über ihre Stellung zu der Revolution stellt, in ihrer Herrschaft zwar erschüttert, aber noch lange nicht bis zum Aeußersten gebracht sind.¬ Die TaipingS haben gegenwärtig noch die große Mehrheit der Gebil deten und Wohlhabenden 'gegen sich. Ihr Christenthum erweckt durch die Zweite Sohnschaft Gottes,'durch die Auffassung des östlichen Fürsten als Rösters und heiligen Geistes und durch das Herabsteigen Gottvaters in dessen Leib das Lächeln und den Spott der Intelligenten, die in China theoretisch Pcmtheisten sind, während sie sich Praktisch mehr oder weniger zu Götzendienst der ungebildet«» Masse hinneigen. Die Reiche» ferner sind wie überall politischen Umwälzungen schon an sich nicht geneigt. Außerdem ^ *) Außer ihnen nimmt man ö bis « Millionen Juden. 1ö0 Millionen Bel-nner des ^Siam, Zog Millionen Buddhisten und 3 bis ivv Millionen eigentliche Heioe» o».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/279>, abgerufen am 23.07.2024.