Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

aber zeign, die Taipings die Tendenz, kommunistische Einrichtungen einzu¬
führen, und daß die wohlhabende Classe davon nichts wissen will, ist begreiflich-
Dieselben Gründe jedoch, welche die höheren Stände zu Gegnern der Sekte
machen, führen ihr zahlreiche Anhänger aus den niedern zu. Der Unge¬
bildete will einen anthropomorphistisch gedachten Gott, will handgreifliche Be¬
weise seiner Theilnahme an der Sache, Zeichen und Wunder, und wie lockend
für den Proletarier die Institution der Gleichheit des Eigenthums oder doch
des AuSkommens für jedermann ist, haben wir bei europäischen Revolutionen
zur Genüge erfahren. Unter den arbeitenden Classen werden die Taipings
daher wie seither eine Menge freiwilliger Rekruten gewinnen, und da der
Krieg wesentlich ein Kampf physischer Kräfte ist, so liegt hierin eine starke
Hoffnung aus Erfolg. Diese Hoffnung wird erhöht, wenn man sieht, daß
ihnen das Maß von Intelligenz, welches der Krieg außer den physischen
Mitteln fordert, keineswegs mangelt. Ihre Führer besitzen nicht das fein-
geschliffne Wesen und die geschmeidige Artigkeit der Mandarinen, sie haben
aber den ganzen natürlichen Scharfsinn so wie die Kenntnisse, welche zur Be¬
gründung einer starken Negierung nöthig sind, und daß sie Armeen zu führen
verstehen, leidet nach dem Zuge gegen Peking, dieser chinesischen Anabasis,
keinen Zweifel. Ueberdies aber können sie bei weiteren Fortschritten auf
starken Beitritt derjenigen Classe der Gelehrten rechnen, welche aus solchen
Männern besteht, die sich den Studien widmeten, aber wegen zu großen
Zudrangs zu den Prüfungen von den Examinatoren zurückgewiesen wurden
und nun, wie oben gezeigt, arm lind ehrgeizig als Demagogen agiren.

Eine der mächtigsten Hoffnungen des Erfolgs für die Insurgenten liegt
ferner in ihrem Glauben und der Ueberzeugung, daß sie den Willen Gottes
ausführen und daß sie, so lange sie dies mit ganzer Seele und allen Kräften thun?
seines b'esonderu Schutzes genießen. Sie erinnern in dieser Beziehung lebhaft n"
die Mohammedaner so wie an die Puritaner, denen sie nach MeadowS, der viel
mit ihnen verkehrte, auch in ihrem steifen, stolzen Wesen und noch mehr >N
der Phraseologie gleichen, deren sie sich bedienen. Endlich bilden eine ni'et?t
unbedeutende Unterstützung der Taipingrevolutjon die vielen vereinzelten
Aufstände, an denen sie keinen directen Antheil haben, die vielmehr ovo
Triasbunde ausgehen, und welche sich seit dem Auftreten Hung Sir Tsi'neuf
außerordentlich gemehrt haben. Die wichtigsten dieser Aufstände scheine" die
drei gewesen zu sein, welche zu Amoy, Schangai und Kanton stattfanden-
Sie gingen lediglich von den geheimen Gesellschaften aus, welche die Wiede^
Herstellung der Mingdynastie bezwecken, und fallen in die Jahre l^'
und 183i. -

Eine Schaar dieser chinesischen Carbonari bemächtigte sich am 18- M">
48S3 der Hafenstadt Amoy und behauptete sie gegen die Kaiserlichen bis ZU"'


aber zeign, die Taipings die Tendenz, kommunistische Einrichtungen einzu¬
führen, und daß die wohlhabende Classe davon nichts wissen will, ist begreiflich-
Dieselben Gründe jedoch, welche die höheren Stände zu Gegnern der Sekte
machen, führen ihr zahlreiche Anhänger aus den niedern zu. Der Unge¬
bildete will einen anthropomorphistisch gedachten Gott, will handgreifliche Be¬
weise seiner Theilnahme an der Sache, Zeichen und Wunder, und wie lockend
für den Proletarier die Institution der Gleichheit des Eigenthums oder doch
des AuSkommens für jedermann ist, haben wir bei europäischen Revolutionen
zur Genüge erfahren. Unter den arbeitenden Classen werden die Taipings
daher wie seither eine Menge freiwilliger Rekruten gewinnen, und da der
Krieg wesentlich ein Kampf physischer Kräfte ist, so liegt hierin eine starke
Hoffnung aus Erfolg. Diese Hoffnung wird erhöht, wenn man sieht, daß
ihnen das Maß von Intelligenz, welches der Krieg außer den physischen
Mitteln fordert, keineswegs mangelt. Ihre Führer besitzen nicht das fein-
geschliffne Wesen und die geschmeidige Artigkeit der Mandarinen, sie haben
aber den ganzen natürlichen Scharfsinn so wie die Kenntnisse, welche zur Be¬
gründung einer starken Negierung nöthig sind, und daß sie Armeen zu führen
verstehen, leidet nach dem Zuge gegen Peking, dieser chinesischen Anabasis,
keinen Zweifel. Ueberdies aber können sie bei weiteren Fortschritten auf
starken Beitritt derjenigen Classe der Gelehrten rechnen, welche aus solchen
Männern besteht, die sich den Studien widmeten, aber wegen zu großen
Zudrangs zu den Prüfungen von den Examinatoren zurückgewiesen wurden
und nun, wie oben gezeigt, arm lind ehrgeizig als Demagogen agiren.

Eine der mächtigsten Hoffnungen des Erfolgs für die Insurgenten liegt
ferner in ihrem Glauben und der Ueberzeugung, daß sie den Willen Gottes
ausführen und daß sie, so lange sie dies mit ganzer Seele und allen Kräften thun?
seines b'esonderu Schutzes genießen. Sie erinnern in dieser Beziehung lebhaft n»
die Mohammedaner so wie an die Puritaner, denen sie nach MeadowS, der viel
mit ihnen verkehrte, auch in ihrem steifen, stolzen Wesen und noch mehr >N
der Phraseologie gleichen, deren sie sich bedienen. Endlich bilden eine ni'et?t
unbedeutende Unterstützung der Taipingrevolutjon die vielen vereinzelten
Aufstände, an denen sie keinen directen Antheil haben, die vielmehr ovo
Triasbunde ausgehen, und welche sich seit dem Auftreten Hung Sir Tsi'neuf
außerordentlich gemehrt haben. Die wichtigsten dieser Aufstände scheine» die
drei gewesen zu sein, welche zu Amoy, Schangai und Kanton stattfanden-
Sie gingen lediglich von den geheimen Gesellschaften aus, welche die Wiede^
Herstellung der Mingdynastie bezwecken, und fallen in die Jahre l^'
und 183i. -

Eine Schaar dieser chinesischen Carbonari bemächtigte sich am 18- M">
48S3 der Hafenstadt Amoy und behauptete sie gegen die Kaiserlichen bis ZU»'


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105015"/>
            <p xml:id="ID_812" prev="#ID_811"> aber zeign, die Taipings die Tendenz, kommunistische Einrichtungen einzu¬<lb/>
führen, und daß die wohlhabende Classe davon nichts wissen will, ist begreiflich-<lb/>
Dieselben Gründe jedoch, welche die höheren Stände zu Gegnern der Sekte<lb/>
machen, führen ihr zahlreiche Anhänger aus den niedern zu. Der Unge¬<lb/>
bildete will einen anthropomorphistisch gedachten Gott, will handgreifliche Be¬<lb/>
weise seiner Theilnahme an der Sache, Zeichen und Wunder, und wie lockend<lb/>
für den Proletarier die Institution der Gleichheit des Eigenthums oder doch<lb/>
des AuSkommens für jedermann ist, haben wir bei europäischen Revolutionen<lb/>
zur Genüge erfahren. Unter den arbeitenden Classen werden die Taipings<lb/>
daher wie seither eine Menge freiwilliger Rekruten gewinnen, und da der<lb/>
Krieg wesentlich ein Kampf physischer Kräfte ist, so liegt hierin eine starke<lb/>
Hoffnung aus Erfolg. Diese Hoffnung wird erhöht, wenn man sieht, daß<lb/>
ihnen das Maß von Intelligenz, welches der Krieg außer den physischen<lb/>
Mitteln fordert, keineswegs mangelt. Ihre Führer besitzen nicht das fein-<lb/>
geschliffne Wesen und die geschmeidige Artigkeit der Mandarinen, sie haben<lb/>
aber den ganzen natürlichen Scharfsinn so wie die Kenntnisse, welche zur Be¬<lb/>
gründung einer starken Negierung nöthig sind, und daß sie Armeen zu führen<lb/>
verstehen, leidet nach dem Zuge gegen Peking, dieser chinesischen Anabasis,<lb/>
keinen Zweifel. Ueberdies aber können sie bei weiteren Fortschritten auf<lb/>
starken Beitritt derjenigen Classe der Gelehrten rechnen, welche aus solchen<lb/>
Männern besteht, die sich den Studien widmeten, aber wegen zu großen<lb/>
Zudrangs zu den Prüfungen von den Examinatoren zurückgewiesen wurden<lb/>
und nun, wie oben gezeigt, arm lind ehrgeizig als Demagogen agiren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_813"> Eine der mächtigsten Hoffnungen des Erfolgs für die Insurgenten liegt<lb/>
ferner in ihrem Glauben und der Ueberzeugung, daß sie den Willen Gottes<lb/>
ausführen und daß sie, so lange sie dies mit ganzer Seele und allen Kräften thun?<lb/>
seines b'esonderu Schutzes genießen. Sie erinnern in dieser Beziehung lebhaft n»<lb/>
die Mohammedaner so wie an die Puritaner, denen sie nach MeadowS, der viel<lb/>
mit ihnen verkehrte, auch in ihrem steifen, stolzen Wesen und noch mehr &gt;N<lb/>
der Phraseologie gleichen, deren sie sich bedienen. Endlich bilden eine ni'et?t<lb/>
unbedeutende Unterstützung der Taipingrevolutjon die vielen vereinzelten<lb/>
Aufstände, an denen sie keinen directen Antheil haben, die vielmehr ovo<lb/>
Triasbunde ausgehen, und welche sich seit dem Auftreten Hung Sir Tsi'neuf<lb/>
außerordentlich gemehrt haben. Die wichtigsten dieser Aufstände scheine» die<lb/>
drei gewesen zu sein, welche zu Amoy, Schangai und Kanton stattfanden-<lb/>
Sie gingen lediglich von den geheimen Gesellschaften aus, welche die Wiede^<lb/>
Herstellung der Mingdynastie bezwecken, und fallen in die Jahre l^'<lb/>
und 183i. -</p><lb/>
            <p xml:id="ID_814" next="#ID_815"> Eine Schaar dieser chinesischen Carbonari bemächtigte sich am 18- M"&gt;<lb/>
48S3 der Hafenstadt Amoy und behauptete sie gegen die Kaiserlichen bis ZU»'</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0280] aber zeign, die Taipings die Tendenz, kommunistische Einrichtungen einzu¬ führen, und daß die wohlhabende Classe davon nichts wissen will, ist begreiflich- Dieselben Gründe jedoch, welche die höheren Stände zu Gegnern der Sekte machen, führen ihr zahlreiche Anhänger aus den niedern zu. Der Unge¬ bildete will einen anthropomorphistisch gedachten Gott, will handgreifliche Be¬ weise seiner Theilnahme an der Sache, Zeichen und Wunder, und wie lockend für den Proletarier die Institution der Gleichheit des Eigenthums oder doch des AuSkommens für jedermann ist, haben wir bei europäischen Revolutionen zur Genüge erfahren. Unter den arbeitenden Classen werden die Taipings daher wie seither eine Menge freiwilliger Rekruten gewinnen, und da der Krieg wesentlich ein Kampf physischer Kräfte ist, so liegt hierin eine starke Hoffnung aus Erfolg. Diese Hoffnung wird erhöht, wenn man sieht, daß ihnen das Maß von Intelligenz, welches der Krieg außer den physischen Mitteln fordert, keineswegs mangelt. Ihre Führer besitzen nicht das fein- geschliffne Wesen und die geschmeidige Artigkeit der Mandarinen, sie haben aber den ganzen natürlichen Scharfsinn so wie die Kenntnisse, welche zur Be¬ gründung einer starken Negierung nöthig sind, und daß sie Armeen zu führen verstehen, leidet nach dem Zuge gegen Peking, dieser chinesischen Anabasis, keinen Zweifel. Ueberdies aber können sie bei weiteren Fortschritten auf starken Beitritt derjenigen Classe der Gelehrten rechnen, welche aus solchen Männern besteht, die sich den Studien widmeten, aber wegen zu großen Zudrangs zu den Prüfungen von den Examinatoren zurückgewiesen wurden und nun, wie oben gezeigt, arm lind ehrgeizig als Demagogen agiren. Eine der mächtigsten Hoffnungen des Erfolgs für die Insurgenten liegt ferner in ihrem Glauben und der Ueberzeugung, daß sie den Willen Gottes ausführen und daß sie, so lange sie dies mit ganzer Seele und allen Kräften thun? seines b'esonderu Schutzes genießen. Sie erinnern in dieser Beziehung lebhaft n» die Mohammedaner so wie an die Puritaner, denen sie nach MeadowS, der viel mit ihnen verkehrte, auch in ihrem steifen, stolzen Wesen und noch mehr >N der Phraseologie gleichen, deren sie sich bedienen. Endlich bilden eine ni'et?t unbedeutende Unterstützung der Taipingrevolutjon die vielen vereinzelten Aufstände, an denen sie keinen directen Antheil haben, die vielmehr ovo Triasbunde ausgehen, und welche sich seit dem Auftreten Hung Sir Tsi'neuf außerordentlich gemehrt haben. Die wichtigsten dieser Aufstände scheine» die drei gewesen zu sein, welche zu Amoy, Schangai und Kanton stattfanden- Sie gingen lediglich von den geheimen Gesellschaften aus, welche die Wiede^ Herstellung der Mingdynastie bezwecken, und fallen in die Jahre l^' und 183i. - Eine Schaar dieser chinesischen Carbonari bemächtigte sich am 18- M"> 48S3 der Hafenstadt Amoy und behauptete sie gegen die Kaiserlichen bis ZU»'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/280
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/280>, abgerufen am 23.07.2024.