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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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weniger sie alle treffe; sie sollten daher wieder an den Hos gehen und den
himmlischen Fürsten trösten, indem sie die Sache in diesem Lichte darstellen,
und wie die jüngern Brüder in einer Familie dem ältern Bruder, wenn er
von dem gemeinsamen Vater getadelt oder geschlagen wird, ihre Theilnahme
ausdrücken, so sei es jetzt auch ihre Pflicht, den himmlischen Fürsten zu be¬
ruhigen. Sie gehen nun an den Hof und werden hier zu einem Gastmahl
ungeladen, an dem auch der östliche Fürst Theil muntre. Vor und während
desselben hält der letztere noch eine lange Anrede an den himmlischen Fürsten.
Nachdem er noch einmal die durch ti!n obigen Vorgang hervorgebrachte Un¬
ruhe und Demüthigung im Geiste deS Fürsten beschwichtigt, wiederholt er
seine Rathschläge in Bezug auf den Thronerben und die Behandlung der
Frauen und berührt auch einige andere Gegenstände, unter andern, auch das
chinesische Neichsemblem, den alten kaiserlichen Drachen. Der himmlische
Fürst, sagt er, habe früher alle Drachen für Teufel gehalten; er aber sei der
Ansicht, daß mit dem Nationalemblem eine Ausnahme gemacht werden sollte.
Der himmlische Fürst erwidert, bei einer der Offenbarungen des himmlischen
"item Bruders (d. h. einer Verzückung des westlichen Fürsten) habe er ge¬
fragt, ob der Drache ein Teufel sei oder nicht, und habe die Antwort erhal¬
ln', er sei eS nicht; serner als er selbst in den Himmel versetzt worden (die
Vision) sah er daselbst einen goldenen Drachen, und endlich habe er vor einem
Jahre, als ihre Armee Hanyang passirte, geträumt, daß ein goldener Drache
gekommen sei, ihm zu huldigen. Aus allen diesen Gründen befiehlt er, daß
der Drache auch fernerhin das Emblem der souveränen Gewalt bleibe. Am
Schlüsse der Audienz erwähnt der himmlische Fürst des Versprechens, daS
der himmlische ältere Bruder Jesus im Lande Judäa gegeben, daß in künf¬
tigen Tagen der Tröster in die Welt kommen werde, und erklärt dann, daß
Rücksicht auf das, was der östliche Fürst gesagt und gethan habe, er dieser
Tröster sein müsse." --

Durch diesen Bericht sind drei Thatsachen beinahe unzweifelhaft festgestellt.
Ci" heimliches Emverstcindniß zwischen dem himmlische" und dem östlichen
Fürsten in Bezug auf das angebliche Niedersteigen Gottes in den letztern
düche deshalb nicht anzunehmen sein, weil ersterer sonst schwerlich in die Ver¬
öffentlichung eiuer Schilderung dieses Vorfalls gewilligt haben würde, bei
welchem er eine so klägliche NolK' spielt. Dagegen kann der Fürst des Ostens
hier wol nur als Betrüger und Heuchler angesehen werden. Endlich aber
war nach diesem Bericht die politische Gewalt noch nicht ganz so in die Hände
Bang sin Tsingö übergegangen, daß er offen hätte nach Gutdünken han¬
dln können; denn die Zwecke, die er im Auge hatte, haben nichts Verwerf-
'indes, sie sind "n Gegentheil lobenswerter Natur, und doch mußte er seine
Zuflucht zu der Autorität deö himmlischen Vaters nehmen, um sie durchsetzen


weniger sie alle treffe; sie sollten daher wieder an den Hos gehen und den
himmlischen Fürsten trösten, indem sie die Sache in diesem Lichte darstellen,
und wie die jüngern Brüder in einer Familie dem ältern Bruder, wenn er
von dem gemeinsamen Vater getadelt oder geschlagen wird, ihre Theilnahme
ausdrücken, so sei es jetzt auch ihre Pflicht, den himmlischen Fürsten zu be¬
ruhigen. Sie gehen nun an den Hof und werden hier zu einem Gastmahl
ungeladen, an dem auch der östliche Fürst Theil muntre. Vor und während
desselben hält der letztere noch eine lange Anrede an den himmlischen Fürsten.
Nachdem er noch einmal die durch ti!n obigen Vorgang hervorgebrachte Un¬
ruhe und Demüthigung im Geiste deS Fürsten beschwichtigt, wiederholt er
seine Rathschläge in Bezug auf den Thronerben und die Behandlung der
Frauen und berührt auch einige andere Gegenstände, unter andern, auch das
chinesische Neichsemblem, den alten kaiserlichen Drachen. Der himmlische
Fürst, sagt er, habe früher alle Drachen für Teufel gehalten; er aber sei der
Ansicht, daß mit dem Nationalemblem eine Ausnahme gemacht werden sollte.
Der himmlische Fürst erwidert, bei einer der Offenbarungen des himmlischen
"item Bruders (d. h. einer Verzückung des westlichen Fürsten) habe er ge¬
fragt, ob der Drache ein Teufel sei oder nicht, und habe die Antwort erhal¬
ln', er sei eS nicht; serner als er selbst in den Himmel versetzt worden (die
Vision) sah er daselbst einen goldenen Drachen, und endlich habe er vor einem
Jahre, als ihre Armee Hanyang passirte, geträumt, daß ein goldener Drache
gekommen sei, ihm zu huldigen. Aus allen diesen Gründen befiehlt er, daß
der Drache auch fernerhin das Emblem der souveränen Gewalt bleibe. Am
Schlüsse der Audienz erwähnt der himmlische Fürst des Versprechens, daS
der himmlische ältere Bruder Jesus im Lande Judäa gegeben, daß in künf¬
tigen Tagen der Tröster in die Welt kommen werde, und erklärt dann, daß
Rücksicht auf das, was der östliche Fürst gesagt und gethan habe, er dieser
Tröster sein müsse." —

Durch diesen Bericht sind drei Thatsachen beinahe unzweifelhaft festgestellt.
Ci» heimliches Emverstcindniß zwischen dem himmlische» und dem östlichen
Fürsten in Bezug auf das angebliche Niedersteigen Gottes in den letztern
düche deshalb nicht anzunehmen sein, weil ersterer sonst schwerlich in die Ver¬
öffentlichung eiuer Schilderung dieses Vorfalls gewilligt haben würde, bei
welchem er eine so klägliche NolK' spielt. Dagegen kann der Fürst des Ostens
hier wol nur als Betrüger und Heuchler angesehen werden. Endlich aber
war nach diesem Bericht die politische Gewalt noch nicht ganz so in die Hände
Bang sin Tsingö übergegangen, daß er offen hätte nach Gutdünken han¬
dln können; denn die Zwecke, die er im Auge hatte, haben nichts Verwerf-
'indes, sie sind »n Gegentheil lobenswerter Natur, und doch mußte er seine
Zuflucht zu der Autorität deö himmlischen Vaters nehmen, um sie durchsetzen


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[0277] weniger sie alle treffe; sie sollten daher wieder an den Hos gehen und den himmlischen Fürsten trösten, indem sie die Sache in diesem Lichte darstellen, und wie die jüngern Brüder in einer Familie dem ältern Bruder, wenn er von dem gemeinsamen Vater getadelt oder geschlagen wird, ihre Theilnahme ausdrücken, so sei es jetzt auch ihre Pflicht, den himmlischen Fürsten zu be¬ ruhigen. Sie gehen nun an den Hof und werden hier zu einem Gastmahl ungeladen, an dem auch der östliche Fürst Theil muntre. Vor und während desselben hält der letztere noch eine lange Anrede an den himmlischen Fürsten. Nachdem er noch einmal die durch ti!n obigen Vorgang hervorgebrachte Un¬ ruhe und Demüthigung im Geiste deS Fürsten beschwichtigt, wiederholt er seine Rathschläge in Bezug auf den Thronerben und die Behandlung der Frauen und berührt auch einige andere Gegenstände, unter andern, auch das chinesische Neichsemblem, den alten kaiserlichen Drachen. Der himmlische Fürst, sagt er, habe früher alle Drachen für Teufel gehalten; er aber sei der Ansicht, daß mit dem Nationalemblem eine Ausnahme gemacht werden sollte. Der himmlische Fürst erwidert, bei einer der Offenbarungen des himmlischen "item Bruders (d. h. einer Verzückung des westlichen Fürsten) habe er ge¬ fragt, ob der Drache ein Teufel sei oder nicht, und habe die Antwort erhal¬ ln', er sei eS nicht; serner als er selbst in den Himmel versetzt worden (die Vision) sah er daselbst einen goldenen Drachen, und endlich habe er vor einem Jahre, als ihre Armee Hanyang passirte, geträumt, daß ein goldener Drache gekommen sei, ihm zu huldigen. Aus allen diesen Gründen befiehlt er, daß der Drache auch fernerhin das Emblem der souveränen Gewalt bleibe. Am Schlüsse der Audienz erwähnt der himmlische Fürst des Versprechens, daS der himmlische ältere Bruder Jesus im Lande Judäa gegeben, daß in künf¬ tigen Tagen der Tröster in die Welt kommen werde, und erklärt dann, daß Rücksicht auf das, was der östliche Fürst gesagt und gethan habe, er dieser Tröster sein müsse." — Durch diesen Bericht sind drei Thatsachen beinahe unzweifelhaft festgestellt. Ci» heimliches Emverstcindniß zwischen dem himmlische» und dem östlichen Fürsten in Bezug auf das angebliche Niedersteigen Gottes in den letztern düche deshalb nicht anzunehmen sein, weil ersterer sonst schwerlich in die Ver¬ öffentlichung eiuer Schilderung dieses Vorfalls gewilligt haben würde, bei welchem er eine so klägliche NolK' spielt. Dagegen kann der Fürst des Ostens hier wol nur als Betrüger und Heuchler angesehen werden. Endlich aber war nach diesem Bericht die politische Gewalt noch nicht ganz so in die Hände Bang sin Tsingö übergegangen, daß er offen hätte nach Gutdünken han¬ dln können; denn die Zwecke, die er im Auge hatte, haben nichts Verwerf- 'indes, sie sind »n Gegentheil lobenswerter Natur, und doch mußte er seine Zuflucht zu der Autorität deö himmlischen Vaters nehmen, um sie durchsetzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/277>, abgerufen am 23.07.2024.