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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Stock und bei einigermaßen drohendem Regen ein "Regendach", wie man
dort den Regenschirm nennt, und man hat die äußere Garderobe ver öst¬
reichischen Weltgeistlichen, von welcher bei dem öffentlichen Erscheinen in den
größeren Städten, unter dem Auge- des Bischofs, nicht abgewichen werden darf.
Es wurde mir in Bezug hierauf erzählt, daß vor kurzem ein Bischof einen seiner
Geistlichen etwas Heller gekleidet gefunden und deshalb sofort sehr streng ange¬
lassen hatte. Nur selten, aber nirgend in Tirol, sah ich Geistliche in grauen
Sommerröcke", obgleich die Hitze tropisch war, und bei dieser hier selbst vor¬
nehme Leute im Dampfwagen, beim Gehen u. f. w. ihre Röcke auszuziehen
Pflegen.

Einen weit größeren Unterschied fand ich in der Zahl der Weltgeistlichen
je nach Stadt und Stadt, Provinz und Provinz. Während man in Prag
sehr oft aus Priester stößt, sind sie in Wien verhältnißmäßig selten. Unter
den Provinzen, welche ich durchreist habe, zählt Tirol ohne Zweifel ver¬
hältnißmäßig die meiste", unter den Städten aber zeichnete sich hierin vor
allen Padua aus, wo man fast bei jedem Schritte aus einen Geistlichen
stößt.

Mit einige" katholischen Professoren aus Olmütz und Prag hatte ich eine
längere Unterredung über den GeHall und die ökonomische Lage der
Priester im Kaiserstaate. Beide waren darin einig, daß denselben aus der
Rvvotablösung ein bedeutender finanzieller Nachtheil, vielen ein höchst drücken¬
der erwachsen sei. Bekanntlich hat jene Ablösung durch ganz Oestreich in der
Weise stattgefunden, daß ein Drittel vom Staate und ein Drittel von den
früher Verpflichteten getragen wird, während daS letzte Drittel den Berechtig¬
ten genommen ist. Ist z. B. ein dem Pfarrer zu lieferndes Faß Bier,
dieses so beliebten Getränkes in den nördlichen Provinzen Oestreichs, zur Ab¬
lösung gekommen, so hat man seinen Werth nach einem sehr niedrigen Geld-
s"ezc festgestellt, und der Pfarrer vermag nun mit seinen ^ kaum Vs des früheren
Quantums sich zu verschaffen. Dies ist ein harter Schlag, aber vielleicht
"und eine zu dem Concordat mitwirkende Ursache gewesen, von welchem frei¬
lich der Hauptgewinn nicht dem gedrückten niederen Klerus, sondern den Bi¬
schöfen zugefallen ist. Ueber die niedere Besoldung der Weltpriester, welche
b"her oft zum Theil aus die Geschenke ihrer Eingepfarrten angewiesen sind,
hörte ich mehr als einmal klagen. Unsere norddeutschen evangelischen Geist¬
lichen sind, glaube ich, im Durchschnitt mindestens dreimal so hoch besoldet.
Wenn ich auch nicht gemeint bin, das durchschnittlich magere und etwas "geist¬
liche" (blasse) Aussehen der jungen, Weltgeistlichen stets auf die Rechnung
'hrer kargen Besoldung zu setzen und vielmehr glaube, daß der Grund hiervon
zumeist in den Nachwirkungen der klösterlich eingepferchten Studirzeit liege,
so fällt doch andrerseits der ärmliche Anzug vieler dieser Männer in hohem


Grenzboten IV. 1867. 33

Stock und bei einigermaßen drohendem Regen ein „Regendach", wie man
dort den Regenschirm nennt, und man hat die äußere Garderobe ver öst¬
reichischen Weltgeistlichen, von welcher bei dem öffentlichen Erscheinen in den
größeren Städten, unter dem Auge- des Bischofs, nicht abgewichen werden darf.
Es wurde mir in Bezug hierauf erzählt, daß vor kurzem ein Bischof einen seiner
Geistlichen etwas Heller gekleidet gefunden und deshalb sofort sehr streng ange¬
lassen hatte. Nur selten, aber nirgend in Tirol, sah ich Geistliche in grauen
Sommerröcke», obgleich die Hitze tropisch war, und bei dieser hier selbst vor¬
nehme Leute im Dampfwagen, beim Gehen u. f. w. ihre Röcke auszuziehen
Pflegen.

Einen weit größeren Unterschied fand ich in der Zahl der Weltgeistlichen
je nach Stadt und Stadt, Provinz und Provinz. Während man in Prag
sehr oft aus Priester stößt, sind sie in Wien verhältnißmäßig selten. Unter
den Provinzen, welche ich durchreist habe, zählt Tirol ohne Zweifel ver¬
hältnißmäßig die meiste», unter den Städten aber zeichnete sich hierin vor
allen Padua aus, wo man fast bei jedem Schritte aus einen Geistlichen
stößt.

Mit einige» katholischen Professoren aus Olmütz und Prag hatte ich eine
längere Unterredung über den GeHall und die ökonomische Lage der
Priester im Kaiserstaate. Beide waren darin einig, daß denselben aus der
Rvvotablösung ein bedeutender finanzieller Nachtheil, vielen ein höchst drücken¬
der erwachsen sei. Bekanntlich hat jene Ablösung durch ganz Oestreich in der
Weise stattgefunden, daß ein Drittel vom Staate und ein Drittel von den
früher Verpflichteten getragen wird, während daS letzte Drittel den Berechtig¬
ten genommen ist. Ist z. B. ein dem Pfarrer zu lieferndes Faß Bier,
dieses so beliebten Getränkes in den nördlichen Provinzen Oestreichs, zur Ab¬
lösung gekommen, so hat man seinen Werth nach einem sehr niedrigen Geld-
s"ezc festgestellt, und der Pfarrer vermag nun mit seinen ^ kaum Vs des früheren
Quantums sich zu verschaffen. Dies ist ein harter Schlag, aber vielleicht
"und eine zu dem Concordat mitwirkende Ursache gewesen, von welchem frei¬
lich der Hauptgewinn nicht dem gedrückten niederen Klerus, sondern den Bi¬
schöfen zugefallen ist. Ueber die niedere Besoldung der Weltpriester, welche
b"her oft zum Theil aus die Geschenke ihrer Eingepfarrten angewiesen sind,
hörte ich mehr als einmal klagen. Unsere norddeutschen evangelischen Geist¬
lichen sind, glaube ich, im Durchschnitt mindestens dreimal so hoch besoldet.
Wenn ich auch nicht gemeint bin, das durchschnittlich magere und etwas „geist¬
liche" (blasse) Aussehen der jungen, Weltgeistlichen stets auf die Rechnung
'hrer kargen Besoldung zu setzen und vielmehr glaube, daß der Grund hiervon
zumeist in den Nachwirkungen der klösterlich eingepferchten Studirzeit liege,
so fällt doch andrerseits der ärmliche Anzug vieler dieser Männer in hohem


Grenzboten IV. 1867. 33
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[0265] Stock und bei einigermaßen drohendem Regen ein „Regendach", wie man dort den Regenschirm nennt, und man hat die äußere Garderobe ver öst¬ reichischen Weltgeistlichen, von welcher bei dem öffentlichen Erscheinen in den größeren Städten, unter dem Auge- des Bischofs, nicht abgewichen werden darf. Es wurde mir in Bezug hierauf erzählt, daß vor kurzem ein Bischof einen seiner Geistlichen etwas Heller gekleidet gefunden und deshalb sofort sehr streng ange¬ lassen hatte. Nur selten, aber nirgend in Tirol, sah ich Geistliche in grauen Sommerröcke», obgleich die Hitze tropisch war, und bei dieser hier selbst vor¬ nehme Leute im Dampfwagen, beim Gehen u. f. w. ihre Röcke auszuziehen Pflegen. Einen weit größeren Unterschied fand ich in der Zahl der Weltgeistlichen je nach Stadt und Stadt, Provinz und Provinz. Während man in Prag sehr oft aus Priester stößt, sind sie in Wien verhältnißmäßig selten. Unter den Provinzen, welche ich durchreist habe, zählt Tirol ohne Zweifel ver¬ hältnißmäßig die meiste», unter den Städten aber zeichnete sich hierin vor allen Padua aus, wo man fast bei jedem Schritte aus einen Geistlichen stößt. Mit einige» katholischen Professoren aus Olmütz und Prag hatte ich eine längere Unterredung über den GeHall und die ökonomische Lage der Priester im Kaiserstaate. Beide waren darin einig, daß denselben aus der Rvvotablösung ein bedeutender finanzieller Nachtheil, vielen ein höchst drücken¬ der erwachsen sei. Bekanntlich hat jene Ablösung durch ganz Oestreich in der Weise stattgefunden, daß ein Drittel vom Staate und ein Drittel von den früher Verpflichteten getragen wird, während daS letzte Drittel den Berechtig¬ ten genommen ist. Ist z. B. ein dem Pfarrer zu lieferndes Faß Bier, dieses so beliebten Getränkes in den nördlichen Provinzen Oestreichs, zur Ab¬ lösung gekommen, so hat man seinen Werth nach einem sehr niedrigen Geld- s"ezc festgestellt, und der Pfarrer vermag nun mit seinen ^ kaum Vs des früheren Quantums sich zu verschaffen. Dies ist ein harter Schlag, aber vielleicht "und eine zu dem Concordat mitwirkende Ursache gewesen, von welchem frei¬ lich der Hauptgewinn nicht dem gedrückten niederen Klerus, sondern den Bi¬ schöfen zugefallen ist. Ueber die niedere Besoldung der Weltpriester, welche b"her oft zum Theil aus die Geschenke ihrer Eingepfarrten angewiesen sind, hörte ich mehr als einmal klagen. Unsere norddeutschen evangelischen Geist¬ lichen sind, glaube ich, im Durchschnitt mindestens dreimal so hoch besoldet. Wenn ich auch nicht gemeint bin, das durchschnittlich magere und etwas „geist¬ liche" (blasse) Aussehen der jungen, Weltgeistlichen stets auf die Rechnung 'hrer kargen Besoldung zu setzen und vielmehr glaube, daß der Grund hiervon zumeist in den Nachwirkungen der klösterlich eingepferchten Studirzeit liege, so fällt doch andrerseits der ärmliche Anzug vieler dieser Männer in hohem Grenzboten IV. 1867. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/265>, abgerufen am 23.07.2024.