Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

S. Benedetto, Malibran, S. Gallo, Camproy. Im Apottotheater ist das Entröe
25 Kreuzer, und wer ins Parquet will, zahlt weitere 10 Kreuzer. Ein Par-
quettsitz in S. Benedetto kommt sammt Entrve auf 23 Kreuzer zu stehen.
S. Benedetto ist mittelgroß, hat 3 Range zu 30, der ganzen Höhe nach
gesonderten Logen, und die vielen blauseidenen Draperien bekunden daS glück¬
liche Streben nach Eleganz. Den Plafonds bildet ein riesiger Stern. Von
dünnem Glase ist der zierliche Kronleuchter, und der Vorhang führt ein stark
bewegtes, ritterliches Turnier vor, dessen unruhige Wirkung wiederum den
Zweck zu haben scheint, jede Sammlung zu ernstem Kunstgenusse fern zu
halten. Da ein eben erstochener und vom Pferde gestürzter Ritter der Mittel¬
punkt der Composition ist, so wird man auch selbst auf die hier häufig vor¬
geführten seichteren Lustspiele nicht vorbereitet. Es ist jedenfalls beachtens¬
wert!), daß dieser Geschmack für unruhige, zerstreuende, oft sogar abstoßende
Vorhangmalereien durch ganz Italien geht.

In S. Benedetto gab man meist französische Lustspiele in italienischer
Uebertragung, Apollo brachte Opern, darunter Verdis Nigoletta und Anders
vergessene "Falschmünzer"; nirgend Opern deutscher Meister.

Die Vorstellungen beginnen allenthalben spät. Um 8, 8V2, zum Theil
sogar und zwar namentlich in der spätwachen Lagunenstadt, um 9 Uhr, so daß
sich nach Mitternacht in der Umgebung der Theater Gondel an Gondel drängt.
Haben Madamigella Carlo Cremont oder Ester Lvllio durch den Silberklang
ihrer Stimmen die Bcgeistcrungsfähigen einmal besonders entzündet, oder ge¬
lang es der schwarzäugigen Rosa d'Or, von ihrem Claviersessel herab die Echt¬
heit ihrer Tonperlen mit vorzüglichem Glück zur Geltung zu bringen, so
folgen, als venezianisches Huldigungszeichen, unzählige geschmückte Gondeln
den heimkehrenden Künstlerinnen, und wenn die zugeworfenen Blumen das
Fahrzeug der Gefeierten nicht zum Sinken bringen, so ist die feste Bauart der
venezianischen Gondeln zum Theil Schuld daran.

Es liegt noch ein Theaterzettel vor uns, der besprochen sein will. Durch
hochgestellte Bekannte hat man in Rom Gelegenheit, sich in das Liebhaber¬
theater des Prinzen Cesarini Einlaß zu verschaffen. Der erwähnte Zettel führt uns
in die Bekanntschaft der aristokratischen Darsteller dieser seeaäemia liloclraw-
wÄtiea ein. Wir erfahren durch ihn, daß in Goldonis fünfactigem Lustspiel
11 eavaliers ü! LM-ito Signora Giulia Vianchi als Donna Florida austreten
wird, Eign. Vitaliani als Comte Roberto, Eign. Cassarotti als Don Flavio
und S. E. D. Gio: de' Princip! Chigi als Don Claudio. Wer das reizende
Arricia besuchte, weiß von dem absonderlichen Park der Chigis zu reden, wo
ein mit Ausdauer durchgeführtes System deS Nichtstörens die Natur heraus¬
fordert, eine moderne Art Urwald zu bilden. Der edle Prinz, ein etwas
hagerer Fünfziger, bekundet in seiner Erscheinung nicht den in seinem Park


S. Benedetto, Malibran, S. Gallo, Camproy. Im Apottotheater ist das Entröe
25 Kreuzer, und wer ins Parquet will, zahlt weitere 10 Kreuzer. Ein Par-
quettsitz in S. Benedetto kommt sammt Entrve auf 23 Kreuzer zu stehen.
S. Benedetto ist mittelgroß, hat 3 Range zu 30, der ganzen Höhe nach
gesonderten Logen, und die vielen blauseidenen Draperien bekunden daS glück¬
liche Streben nach Eleganz. Den Plafonds bildet ein riesiger Stern. Von
dünnem Glase ist der zierliche Kronleuchter, und der Vorhang führt ein stark
bewegtes, ritterliches Turnier vor, dessen unruhige Wirkung wiederum den
Zweck zu haben scheint, jede Sammlung zu ernstem Kunstgenusse fern zu
halten. Da ein eben erstochener und vom Pferde gestürzter Ritter der Mittel¬
punkt der Composition ist, so wird man auch selbst auf die hier häufig vor¬
geführten seichteren Lustspiele nicht vorbereitet. Es ist jedenfalls beachtens¬
wert!), daß dieser Geschmack für unruhige, zerstreuende, oft sogar abstoßende
Vorhangmalereien durch ganz Italien geht.

In S. Benedetto gab man meist französische Lustspiele in italienischer
Uebertragung, Apollo brachte Opern, darunter Verdis Nigoletta und Anders
vergessene „Falschmünzer"; nirgend Opern deutscher Meister.

Die Vorstellungen beginnen allenthalben spät. Um 8, 8V2, zum Theil
sogar und zwar namentlich in der spätwachen Lagunenstadt, um 9 Uhr, so daß
sich nach Mitternacht in der Umgebung der Theater Gondel an Gondel drängt.
Haben Madamigella Carlo Cremont oder Ester Lvllio durch den Silberklang
ihrer Stimmen die Bcgeistcrungsfähigen einmal besonders entzündet, oder ge¬
lang es der schwarzäugigen Rosa d'Or, von ihrem Claviersessel herab die Echt¬
heit ihrer Tonperlen mit vorzüglichem Glück zur Geltung zu bringen, so
folgen, als venezianisches Huldigungszeichen, unzählige geschmückte Gondeln
den heimkehrenden Künstlerinnen, und wenn die zugeworfenen Blumen das
Fahrzeug der Gefeierten nicht zum Sinken bringen, so ist die feste Bauart der
venezianischen Gondeln zum Theil Schuld daran.

Es liegt noch ein Theaterzettel vor uns, der besprochen sein will. Durch
hochgestellte Bekannte hat man in Rom Gelegenheit, sich in das Liebhaber¬
theater des Prinzen Cesarini Einlaß zu verschaffen. Der erwähnte Zettel führt uns
in die Bekanntschaft der aristokratischen Darsteller dieser seeaäemia liloclraw-
wÄtiea ein. Wir erfahren durch ihn, daß in Goldonis fünfactigem Lustspiel
11 eavaliers ü! LM-ito Signora Giulia Vianchi als Donna Florida austreten
wird, Eign. Vitaliani als Comte Roberto, Eign. Cassarotti als Don Flavio
und S. E. D. Gio: de' Princip! Chigi als Don Claudio. Wer das reizende
Arricia besuchte, weiß von dem absonderlichen Park der Chigis zu reden, wo
ein mit Ausdauer durchgeführtes System deS Nichtstörens die Natur heraus¬
fordert, eine moderne Art Urwald zu bilden. Der edle Prinz, ein etwas
hagerer Fünfziger, bekundet in seiner Erscheinung nicht den in seinem Park


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104993"/>
          <p xml:id="ID_748" prev="#ID_747"> S. Benedetto, Malibran, S. Gallo, Camproy. Im Apottotheater ist das Entröe<lb/>
25 Kreuzer, und wer ins Parquet will, zahlt weitere 10 Kreuzer. Ein Par-<lb/>
quettsitz in S. Benedetto kommt sammt Entrve auf 23 Kreuzer zu stehen.<lb/>
S. Benedetto ist mittelgroß, hat 3 Range zu 30, der ganzen Höhe nach<lb/>
gesonderten Logen, und die vielen blauseidenen Draperien bekunden daS glück¬<lb/>
liche Streben nach Eleganz. Den Plafonds bildet ein riesiger Stern. Von<lb/>
dünnem Glase ist der zierliche Kronleuchter, und der Vorhang führt ein stark<lb/>
bewegtes, ritterliches Turnier vor, dessen unruhige Wirkung wiederum den<lb/>
Zweck zu haben scheint, jede Sammlung zu ernstem Kunstgenusse fern zu<lb/>
halten. Da ein eben erstochener und vom Pferde gestürzter Ritter der Mittel¬<lb/>
punkt der Composition ist, so wird man auch selbst auf die hier häufig vor¬<lb/>
geführten seichteren Lustspiele nicht vorbereitet. Es ist jedenfalls beachtens¬<lb/>
wert!), daß dieser Geschmack für unruhige, zerstreuende, oft sogar abstoßende<lb/>
Vorhangmalereien durch ganz Italien geht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_749"> In S. Benedetto gab man meist französische Lustspiele in italienischer<lb/>
Uebertragung, Apollo brachte Opern, darunter Verdis Nigoletta und Anders<lb/>
vergessene &#x201E;Falschmünzer"; nirgend Opern deutscher Meister.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_750"> Die Vorstellungen beginnen allenthalben spät. Um 8, 8V2, zum Theil<lb/>
sogar und zwar namentlich in der spätwachen Lagunenstadt, um 9 Uhr, so daß<lb/>
sich nach Mitternacht in der Umgebung der Theater Gondel an Gondel drängt.<lb/>
Haben Madamigella Carlo Cremont oder Ester Lvllio durch den Silberklang<lb/>
ihrer Stimmen die Bcgeistcrungsfähigen einmal besonders entzündet, oder ge¬<lb/>
lang es der schwarzäugigen Rosa d'Or, von ihrem Claviersessel herab die Echt¬<lb/>
heit ihrer Tonperlen mit vorzüglichem Glück zur Geltung zu bringen, so<lb/>
folgen, als venezianisches Huldigungszeichen, unzählige geschmückte Gondeln<lb/>
den heimkehrenden Künstlerinnen, und wenn die zugeworfenen Blumen das<lb/>
Fahrzeug der Gefeierten nicht zum Sinken bringen, so ist die feste Bauart der<lb/>
venezianischen Gondeln zum Theil Schuld daran.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_751" next="#ID_752"> Es liegt noch ein Theaterzettel vor uns, der besprochen sein will. Durch<lb/>
hochgestellte Bekannte hat man in Rom Gelegenheit, sich in das Liebhaber¬<lb/>
theater des Prinzen Cesarini Einlaß zu verschaffen. Der erwähnte Zettel führt uns<lb/>
in die Bekanntschaft der aristokratischen Darsteller dieser seeaäemia liloclraw-<lb/>
wÄtiea ein. Wir erfahren durch ihn, daß in Goldonis fünfactigem Lustspiel<lb/>
11 eavaliers ü! LM-ito Signora Giulia Vianchi als Donna Florida austreten<lb/>
wird, Eign. Vitaliani als Comte Roberto, Eign. Cassarotti als Don Flavio<lb/>
und S. E. D. Gio: de' Princip! Chigi als Don Claudio. Wer das reizende<lb/>
Arricia besuchte, weiß von dem absonderlichen Park der Chigis zu reden, wo<lb/>
ein mit Ausdauer durchgeführtes System deS Nichtstörens die Natur heraus¬<lb/>
fordert, eine moderne Art Urwald zu bilden. Der edle Prinz, ein etwas<lb/>
hagerer Fünfziger, bekundet in seiner Erscheinung nicht den in seinem Park</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0258] S. Benedetto, Malibran, S. Gallo, Camproy. Im Apottotheater ist das Entröe 25 Kreuzer, und wer ins Parquet will, zahlt weitere 10 Kreuzer. Ein Par- quettsitz in S. Benedetto kommt sammt Entrve auf 23 Kreuzer zu stehen. S. Benedetto ist mittelgroß, hat 3 Range zu 30, der ganzen Höhe nach gesonderten Logen, und die vielen blauseidenen Draperien bekunden daS glück¬ liche Streben nach Eleganz. Den Plafonds bildet ein riesiger Stern. Von dünnem Glase ist der zierliche Kronleuchter, und der Vorhang führt ein stark bewegtes, ritterliches Turnier vor, dessen unruhige Wirkung wiederum den Zweck zu haben scheint, jede Sammlung zu ernstem Kunstgenusse fern zu halten. Da ein eben erstochener und vom Pferde gestürzter Ritter der Mittel¬ punkt der Composition ist, so wird man auch selbst auf die hier häufig vor¬ geführten seichteren Lustspiele nicht vorbereitet. Es ist jedenfalls beachtens¬ wert!), daß dieser Geschmack für unruhige, zerstreuende, oft sogar abstoßende Vorhangmalereien durch ganz Italien geht. In S. Benedetto gab man meist französische Lustspiele in italienischer Uebertragung, Apollo brachte Opern, darunter Verdis Nigoletta und Anders vergessene „Falschmünzer"; nirgend Opern deutscher Meister. Die Vorstellungen beginnen allenthalben spät. Um 8, 8V2, zum Theil sogar und zwar namentlich in der spätwachen Lagunenstadt, um 9 Uhr, so daß sich nach Mitternacht in der Umgebung der Theater Gondel an Gondel drängt. Haben Madamigella Carlo Cremont oder Ester Lvllio durch den Silberklang ihrer Stimmen die Bcgeistcrungsfähigen einmal besonders entzündet, oder ge¬ lang es der schwarzäugigen Rosa d'Or, von ihrem Claviersessel herab die Echt¬ heit ihrer Tonperlen mit vorzüglichem Glück zur Geltung zu bringen, so folgen, als venezianisches Huldigungszeichen, unzählige geschmückte Gondeln den heimkehrenden Künstlerinnen, und wenn die zugeworfenen Blumen das Fahrzeug der Gefeierten nicht zum Sinken bringen, so ist die feste Bauart der venezianischen Gondeln zum Theil Schuld daran. Es liegt noch ein Theaterzettel vor uns, der besprochen sein will. Durch hochgestellte Bekannte hat man in Rom Gelegenheit, sich in das Liebhaber¬ theater des Prinzen Cesarini Einlaß zu verschaffen. Der erwähnte Zettel führt uns in die Bekanntschaft der aristokratischen Darsteller dieser seeaäemia liloclraw- wÄtiea ein. Wir erfahren durch ihn, daß in Goldonis fünfactigem Lustspiel 11 eavaliers ü! LM-ito Signora Giulia Vianchi als Donna Florida austreten wird, Eign. Vitaliani als Comte Roberto, Eign. Cassarotti als Don Flavio und S. E. D. Gio: de' Princip! Chigi als Don Claudio. Wer das reizende Arricia besuchte, weiß von dem absonderlichen Park der Chigis zu reden, wo ein mit Ausdauer durchgeführtes System deS Nichtstörens die Natur heraus¬ fordert, eine moderne Art Urwald zu bilden. Der edle Prinz, ein etwas hagerer Fünfziger, bekundet in seiner Erscheinung nicht den in seinem Park

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/258
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/258>, abgerufen am 23.07.2024.