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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Rom pflegt um die Carnevalszeit etwa zehn Theater zu öffnen: Apollo
für Oper, Argenrina für Oper und Schauspiel, Valle für Oper, Lust-, Schau-
und Trauerspiel, magnetische Productionen, Zaubereien :c., Alibcrt und Cmi-
liani: Possen, Seiltänzerkünste, Feuerwerke, Capranica: Opera buffa und
Lustspiel, Nuovo: Volksbelustigungen, Metastasio: Affen. Das letztere Theater
wurde zu französischen Vorstellungen benutzt.

Außerdem gibts noch zwei stark besuchte Puppentheater; delle Muse daS
eine, Marionette das andere benannt, und in dem Amphitheater, dem so¬
genannten Mausoleo ti August", führt man Spectakelstücke auf, hin und
wieder auch Stiergefechte.

Das Theater Apollo, obschon allabendlich die römische Noblesse ver¬
einend, entfalte^ .wenig Glanz. Die Decke ist halb abgebröckelt, halb abge¬
kratzt, die Logen sind dürftig, blau und weiß bemalt und nur die Spiegel-
Pfeiler und Logencandclaber zeigen das Bestreben der Direction, die übrigen
Theater zu verdunkeln. Auf dem Vorhang sieht man olympische Spiele. Ueber
den 6 Rangen zu 31 Logen. entdeckt man noch zehn schräge Deckenlöcher,
durch welche schwindelfreie Liebhaber der Vogelperspective an dem unten Ge¬
botenen Theil nehmen können. Die im Apollothcarer gegebenen, meist ver-
dischen Opern unterbricht nach dem zweiten oder dritten Act regelmäßig ein
komisches Ballet, dem sich das sonst dem Nachtischschlummcr verfallene Inter¬
esse des Logenpublicums mit allen vorhandenen optischen Doppelröhren zu¬
wendet. Amalie Ferrari, eine sehr liebliche Erscheinung, hält eine halbe
Stunde lang die Aufmerksamkeit wach; man applaudirt, man ruft Bravi und
wirft ihr Blumen zu; dann kommen wieder die tragischen Schicksale der due
Foscari oder die Seufzer Violas zu Gehör und sogleich knüpft man, den
Rücken gegen die Bühne gewendet, die abgebrochene Logenunterhaltung von
"enen an oder fällt in die Nachtischsiesta zurück, eingewiegt von den längst
auswendig gelernten Melodien.

Alibert hat 6 Range zu 38 Logen, 6 Dcckenöffnungen im Geschmack der
schon erwähnten, 20 Parterrereihen zu 30 Sitzen. Metastasio ist mittelgroß,
hat aber auch 3 Range zu 20 Logen und 200 Parterresitze. Auch Valle ist
Mittelgroß und gleich Alibert sehr billig.

Carlo Felice in Genua, neu und prächtig von Außen, ist von Innen
fast ohne allen Schmuck und die K Range bilden kaum eine andere Abwechsl¬
ung, als die der Toiletten; der Vorhang ist überladen mit Figuren von
der unruhigsten Wirkung. Man zahlt, wie in den meisten norditalienischen
Theatern, ein Entree, um ins Haus zu kommen, und dann ein zweites für
den Platz. Das Parquet kostet 1 Franken 50 Centimes, das allgemeine
Entrve außerdem noch 2 Franken. Wenig billiger ist Cocomero in Florenz.

Venedig öffnet in der Saison etwa 6 Theater, La Fenice, Apollo,


Grenzboten IV. 4 8ö7. 32

Rom pflegt um die Carnevalszeit etwa zehn Theater zu öffnen: Apollo
für Oper, Argenrina für Oper und Schauspiel, Valle für Oper, Lust-, Schau-
und Trauerspiel, magnetische Productionen, Zaubereien :c., Alibcrt und Cmi-
liani: Possen, Seiltänzerkünste, Feuerwerke, Capranica: Opera buffa und
Lustspiel, Nuovo: Volksbelustigungen, Metastasio: Affen. Das letztere Theater
wurde zu französischen Vorstellungen benutzt.

Außerdem gibts noch zwei stark besuchte Puppentheater; delle Muse daS
eine, Marionette das andere benannt, und in dem Amphitheater, dem so¬
genannten Mausoleo ti August», führt man Spectakelstücke auf, hin und
wieder auch Stiergefechte.

Das Theater Apollo, obschon allabendlich die römische Noblesse ver¬
einend, entfalte^ .wenig Glanz. Die Decke ist halb abgebröckelt, halb abge¬
kratzt, die Logen sind dürftig, blau und weiß bemalt und nur die Spiegel-
Pfeiler und Logencandclaber zeigen das Bestreben der Direction, die übrigen
Theater zu verdunkeln. Auf dem Vorhang sieht man olympische Spiele. Ueber
den 6 Rangen zu 31 Logen. entdeckt man noch zehn schräge Deckenlöcher,
durch welche schwindelfreie Liebhaber der Vogelperspective an dem unten Ge¬
botenen Theil nehmen können. Die im Apollothcarer gegebenen, meist ver-
dischen Opern unterbricht nach dem zweiten oder dritten Act regelmäßig ein
komisches Ballet, dem sich das sonst dem Nachtischschlummcr verfallene Inter¬
esse des Logenpublicums mit allen vorhandenen optischen Doppelröhren zu¬
wendet. Amalie Ferrari, eine sehr liebliche Erscheinung, hält eine halbe
Stunde lang die Aufmerksamkeit wach; man applaudirt, man ruft Bravi und
wirft ihr Blumen zu; dann kommen wieder die tragischen Schicksale der due
Foscari oder die Seufzer Violas zu Gehör und sogleich knüpft man, den
Rücken gegen die Bühne gewendet, die abgebrochene Logenunterhaltung von
"enen an oder fällt in die Nachtischsiesta zurück, eingewiegt von den längst
auswendig gelernten Melodien.

Alibert hat 6 Range zu 38 Logen, 6 Dcckenöffnungen im Geschmack der
schon erwähnten, 20 Parterrereihen zu 30 Sitzen. Metastasio ist mittelgroß,
hat aber auch 3 Range zu 20 Logen und 200 Parterresitze. Auch Valle ist
Mittelgroß und gleich Alibert sehr billig.

Carlo Felice in Genua, neu und prächtig von Außen, ist von Innen
fast ohne allen Schmuck und die K Range bilden kaum eine andere Abwechsl¬
ung, als die der Toiletten; der Vorhang ist überladen mit Figuren von
der unruhigsten Wirkung. Man zahlt, wie in den meisten norditalienischen
Theatern, ein Entree, um ins Haus zu kommen, und dann ein zweites für
den Platz. Das Parquet kostet 1 Franken 50 Centimes, das allgemeine
Entrve außerdem noch 2 Franken. Wenig billiger ist Cocomero in Florenz.

Venedig öffnet in der Saison etwa 6 Theater, La Fenice, Apollo,


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[0257] Rom pflegt um die Carnevalszeit etwa zehn Theater zu öffnen: Apollo für Oper, Argenrina für Oper und Schauspiel, Valle für Oper, Lust-, Schau- und Trauerspiel, magnetische Productionen, Zaubereien :c., Alibcrt und Cmi- liani: Possen, Seiltänzerkünste, Feuerwerke, Capranica: Opera buffa und Lustspiel, Nuovo: Volksbelustigungen, Metastasio: Affen. Das letztere Theater wurde zu französischen Vorstellungen benutzt. Außerdem gibts noch zwei stark besuchte Puppentheater; delle Muse daS eine, Marionette das andere benannt, und in dem Amphitheater, dem so¬ genannten Mausoleo ti August», führt man Spectakelstücke auf, hin und wieder auch Stiergefechte. Das Theater Apollo, obschon allabendlich die römische Noblesse ver¬ einend, entfalte^ .wenig Glanz. Die Decke ist halb abgebröckelt, halb abge¬ kratzt, die Logen sind dürftig, blau und weiß bemalt und nur die Spiegel- Pfeiler und Logencandclaber zeigen das Bestreben der Direction, die übrigen Theater zu verdunkeln. Auf dem Vorhang sieht man olympische Spiele. Ueber den 6 Rangen zu 31 Logen. entdeckt man noch zehn schräge Deckenlöcher, durch welche schwindelfreie Liebhaber der Vogelperspective an dem unten Ge¬ botenen Theil nehmen können. Die im Apollothcarer gegebenen, meist ver- dischen Opern unterbricht nach dem zweiten oder dritten Act regelmäßig ein komisches Ballet, dem sich das sonst dem Nachtischschlummcr verfallene Inter¬ esse des Logenpublicums mit allen vorhandenen optischen Doppelröhren zu¬ wendet. Amalie Ferrari, eine sehr liebliche Erscheinung, hält eine halbe Stunde lang die Aufmerksamkeit wach; man applaudirt, man ruft Bravi und wirft ihr Blumen zu; dann kommen wieder die tragischen Schicksale der due Foscari oder die Seufzer Violas zu Gehör und sogleich knüpft man, den Rücken gegen die Bühne gewendet, die abgebrochene Logenunterhaltung von "enen an oder fällt in die Nachtischsiesta zurück, eingewiegt von den längst auswendig gelernten Melodien. Alibert hat 6 Range zu 38 Logen, 6 Dcckenöffnungen im Geschmack der schon erwähnten, 20 Parterrereihen zu 30 Sitzen. Metastasio ist mittelgroß, hat aber auch 3 Range zu 20 Logen und 200 Parterresitze. Auch Valle ist Mittelgroß und gleich Alibert sehr billig. Carlo Felice in Genua, neu und prächtig von Außen, ist von Innen fast ohne allen Schmuck und die K Range bilden kaum eine andere Abwechsl¬ ung, als die der Toiletten; der Vorhang ist überladen mit Figuren von der unruhigsten Wirkung. Man zahlt, wie in den meisten norditalienischen Theatern, ein Entree, um ins Haus zu kommen, und dann ein zweites für den Platz. Das Parquet kostet 1 Franken 50 Centimes, das allgemeine Entrve außerdem noch 2 Franken. Wenig billiger ist Cocomero in Florenz. Venedig öffnet in der Saison etwa 6 Theater, La Fenice, Apollo, Grenzboten IV. 4 8ö7. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/257>, abgerufen am 23.07.2024.