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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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klappt z. B. im Carlinotheater Neapels mit Ostentation seine grünt affetne
Muschel wie einen Pfauenschwanz auseinander und sorgt, daß der Zipfel
seines rothsammtenen Käppchens keinen Augenblick Zweifel über seine An¬
wesenheit aufkommen lasse.

Und zeigt sich in diesem Allen die Geringschätzung theatralischer Illusion,
künstlerischer Gesammtwirkung, bescheidener Unterordnung des bloßen Appa¬
rats, so tragt das Maschinerie- und DecorationSwesen nicht minder den
Stempel der Vernachlässigung, die Ausstattung der Räumlichkeiten aber läßt
die Nachtheile deö Nomadisirens dieser italienischen Schauspielertruppen fast
mehr noch erkennen. Niemand wendet etwas von Belang auf Eins oder das
Andere, weil niemand Ausgaben machen will, die seinem nachfolgenden Con-
currenten zu starken kommen.

Selbst das große S. Carlotheater, dessen Etat bis 18i8, bei etwa
73,000 Thlrn. königlichen Zuschusses, auf 370,000 Thlr. geschätzt wurde, über¬
trifft in seiner innern Ausstattung kaum das Hamburger Stadttheater. Um
einen ungefähren Ueberblick zu geben, wollen wir die innere Einrichtung eini¬
ger Theater Italiens kurz andeuten. San Carlo also in Neapel ist groß und
frei gebaut, hat 6 Range, die untern zu 32 Logen; daS Parguet zeichnet sich
durch messingbeschlagene Lehnen, Schemel und weiche Kissen aus. ES ist
-1817 durch Niccoliui erbaut worden, übrigens acustisch nicht gut gerathen und
läßt weder den Chor noch die Einzelstimmen zur Geltung kommen. Die Tän-
erinnen mit den berühmten grünen Höschen tummeln sich um so freier auf
der ungewöhnlich breiten Bühne. Der Vorhang bietet ein ziemlich einfaches
Tapetenmuster, zwei Frauen- und zwei Männerköpfe schmücken die untern
beiden Ecken.

S. Carlino in Neapel, das vielgenannte Volkstheater, auf nur etwa
it)0 Personen berechnet, hat zwei Range zu 13 Logen, 3 bis 6 Musikanten,
spielt täglich zweimal. Es läßt sich für 1 Parterresitz 18 Kreuzer bezahlen,
für 1 Kissen noch 2 Kreuzer extra, obschon der Weg dahin über eine Keller¬
treppe hinabführt. Eine Loge für 6 Personen gilt etwa 2 Gulden. Pulicinella
ist sei" tägliches Brot, "'Santi eurlosi e^nivaei psr una Struma somixlian/a
krg, ?u1leine1la ca um 8no srstello "Zi^rtors", so heißes auf den riesigen Pla-
caten. Die Sache ist übrigens längst nicht mehr naiv, das wirkliche Volk
geht nicht hinein, und man wird an die Leistungen des Carltheaters in Wie",
in etwas rauherer Schale, erinnert.

Fiorcntini in Neapel gibt Trauer-, Schau- und Lustspiele in guter Ab-
rundung. Die SadowSki zeichnet es aus. Es hat ö Range zu 18 Logen,
ist wie mit einer zierlichen Stickerei decorirt, freundlich genug, läßt sich
Parterre 40 Kreuzer und Kissen wiederum ertra bezahlen und ist, so weit die
Logen reichen, gewöhnlich im Voraus ausverkauft.


klappt z. B. im Carlinotheater Neapels mit Ostentation seine grünt affetne
Muschel wie einen Pfauenschwanz auseinander und sorgt, daß der Zipfel
seines rothsammtenen Käppchens keinen Augenblick Zweifel über seine An¬
wesenheit aufkommen lasse.

Und zeigt sich in diesem Allen die Geringschätzung theatralischer Illusion,
künstlerischer Gesammtwirkung, bescheidener Unterordnung des bloßen Appa¬
rats, so tragt das Maschinerie- und DecorationSwesen nicht minder den
Stempel der Vernachlässigung, die Ausstattung der Räumlichkeiten aber läßt
die Nachtheile deö Nomadisirens dieser italienischen Schauspielertruppen fast
mehr noch erkennen. Niemand wendet etwas von Belang auf Eins oder das
Andere, weil niemand Ausgaben machen will, die seinem nachfolgenden Con-
currenten zu starken kommen.

Selbst das große S. Carlotheater, dessen Etat bis 18i8, bei etwa
73,000 Thlrn. königlichen Zuschusses, auf 370,000 Thlr. geschätzt wurde, über¬
trifft in seiner innern Ausstattung kaum das Hamburger Stadttheater. Um
einen ungefähren Ueberblick zu geben, wollen wir die innere Einrichtung eini¬
ger Theater Italiens kurz andeuten. San Carlo also in Neapel ist groß und
frei gebaut, hat 6 Range, die untern zu 32 Logen; daS Parguet zeichnet sich
durch messingbeschlagene Lehnen, Schemel und weiche Kissen aus. ES ist
-1817 durch Niccoliui erbaut worden, übrigens acustisch nicht gut gerathen und
läßt weder den Chor noch die Einzelstimmen zur Geltung kommen. Die Tän-
erinnen mit den berühmten grünen Höschen tummeln sich um so freier auf
der ungewöhnlich breiten Bühne. Der Vorhang bietet ein ziemlich einfaches
Tapetenmuster, zwei Frauen- und zwei Männerköpfe schmücken die untern
beiden Ecken.

S. Carlino in Neapel, das vielgenannte Volkstheater, auf nur etwa
it)0 Personen berechnet, hat zwei Range zu 13 Logen, 3 bis 6 Musikanten,
spielt täglich zweimal. Es läßt sich für 1 Parterresitz 18 Kreuzer bezahlen,
für 1 Kissen noch 2 Kreuzer extra, obschon der Weg dahin über eine Keller¬
treppe hinabführt. Eine Loge für 6 Personen gilt etwa 2 Gulden. Pulicinella
ist sei» tägliches Brot, „'Santi eurlosi e^nivaei psr una Struma somixlian/a
krg, ?u1leine1la ca um 8no srstello «Zi^rtors", so heißes auf den riesigen Pla-
caten. Die Sache ist übrigens längst nicht mehr naiv, das wirkliche Volk
geht nicht hinein, und man wird an die Leistungen des Carltheaters in Wie",
in etwas rauherer Schale, erinnert.

Fiorcntini in Neapel gibt Trauer-, Schau- und Lustspiele in guter Ab-
rundung. Die SadowSki zeichnet es aus. Es hat ö Range zu 18 Logen,
ist wie mit einer zierlichen Stickerei decorirt, freundlich genug, läßt sich
Parterre 40 Kreuzer und Kissen wiederum ertra bezahlen und ist, so weit die
Logen reichen, gewöhnlich im Voraus ausverkauft.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/256>, abgerufen am 23.07.2024.