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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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noch eine Ahnung übrig gelassen. Es war, um es Mit einem Worte zu sagen,
ein .förmliches Duell erforderlich zwischen dem Fußvolk und der Reiterei, jn
welchem das erstere siegreich blieb, wenn dieses von neuem Entwicklungsfähig¬
keit erhalten sollte. Weit es aber so stand, so ist es auch begreiflich, daß jedes
Heer, welches sich die Hilfe von Reitermassen verschaffen konnte, Ach .diese
wirklich verschaffte. Dadurch ward die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem
solchen Duell einmal komme, ungemein vermindert.

Grundbedingung, daß es zu einem solchen komme, war, daß sich in irgend
einer verlorenen Ecke Europas vorerst ein Fußvolk in kleinen Kämpfen bildete,
in welcher eine Reiterei z. B. wegen der Beschaffenheit des Terrains und dem
Mangel an Geld und anderen Reichthümern neben dem Fußvolk nickt wohl
erwachsen konnte; daß dieses Fußvolk nicht blos vereinzelte", durch Nitter-
heerbezirkc getrennten Städten, sondern einer territorial abgeschlossenen natio¬
nalen Einheit angehörte, daß nun dieses Fußvolk, bereits erstarkt, auf die
Bühne der Weltgeschichte trete, hier, vielleicht nur durch Glücksfälle begünstigt,
sich dem Ritterheere überlegen erweise, die Aufmerksamkeit der Welt unwider¬
stehlich auf sich lenke und nun in fernern Kämpfen auch erfülle, was es ver¬
sprochen.

Grade dies war der geschichtliche Verlauf, in welchem die Schweizer
dem Fußvolk seine.alte längst vergessene Würde wieder erkämpften. In den
Alpen, um den Vierwaldstättersee in den Gebirgsthälern, wo eine große Pferde¬
zucht nicht möglich war und wo eine Anzahl Bauerngemeinden, keinem Adel
unterworfen, sich die RcichSsreiheit bewahrt hatte, entstand dieses Fußvolk;
in dem Kampfe gegen das Haus Oestreich zog es zuerst die Aufmerksamkeit
seiner nächsten Nachbarn auf sich. Die schweizerischen Städte suchte" das
Bündniß mit den Bauern. Jn dieses brachten die Städter die höhere Intelli¬
genz mit, djie Landleute aber etwas, was noch mehr werth war, nämlich eine
glückliche Unbekanntschaft mit dem Europa beherrschenden VoMtheil, als könne
nur deha Reitersmann ein Krieger sein. Die Stadt.e ermuthigter sich an dem
Beispiel, welches die 'Landleute Hnen gaben, ihre Verbindung mit den Wald-
stäidten brachte sie auch dem LandVolke ihrer eignen Ge>bie,te näher, als e^ö ohne
dies wahrscheinlich >der Fall gewesen wäre. Man tauschte aus und theilte
einander mit, was man Gutes und Nützliches hatte. Die Eidgenossenschaft der
Städte und Handle"!" kam allmälig durch Erweiterung in einen territorialen
Zusammenhang, wie er anderen, bloßen Städtebündnissen nicht eigen war, und
in demselben erwuchs das schweizerische Fußvolk zu Einheit und Kraft. So
erwachsen fand es bereits Karl der Kühne vor, als ex den Streit mit den
Schweizern muthwillig suchte, lind im Erwachsen, so zu sage" in den Alegel-
'jahron, hatte es bereits bei Se. Jakob an Her Sirs frMr, Lvdwig der
'Elfte temv" und achten gelernt. Mit dem BUirgUNderkriege traten die Schweizer


Grenzboten IV. 18S7. 2L

noch eine Ahnung übrig gelassen. Es war, um es Mit einem Worte zu sagen,
ein .förmliches Duell erforderlich zwischen dem Fußvolk und der Reiterei, jn
welchem das erstere siegreich blieb, wenn dieses von neuem Entwicklungsfähig¬
keit erhalten sollte. Weit es aber so stand, so ist es auch begreiflich, daß jedes
Heer, welches sich die Hilfe von Reitermassen verschaffen konnte, Ach .diese
wirklich verschaffte. Dadurch ward die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem
solchen Duell einmal komme, ungemein vermindert.

Grundbedingung, daß es zu einem solchen komme, war, daß sich in irgend
einer verlorenen Ecke Europas vorerst ein Fußvolk in kleinen Kämpfen bildete,
in welcher eine Reiterei z. B. wegen der Beschaffenheit des Terrains und dem
Mangel an Geld und anderen Reichthümern neben dem Fußvolk nickt wohl
erwachsen konnte; daß dieses Fußvolk nicht blos vereinzelte«, durch Nitter-
heerbezirkc getrennten Städten, sondern einer territorial abgeschlossenen natio¬
nalen Einheit angehörte, daß nun dieses Fußvolk, bereits erstarkt, auf die
Bühne der Weltgeschichte trete, hier, vielleicht nur durch Glücksfälle begünstigt,
sich dem Ritterheere überlegen erweise, die Aufmerksamkeit der Welt unwider¬
stehlich auf sich lenke und nun in fernern Kämpfen auch erfülle, was es ver¬
sprochen.

Grade dies war der geschichtliche Verlauf, in welchem die Schweizer
dem Fußvolk seine.alte längst vergessene Würde wieder erkämpften. In den
Alpen, um den Vierwaldstättersee in den Gebirgsthälern, wo eine große Pferde¬
zucht nicht möglich war und wo eine Anzahl Bauerngemeinden, keinem Adel
unterworfen, sich die RcichSsreiheit bewahrt hatte, entstand dieses Fußvolk;
in dem Kampfe gegen das Haus Oestreich zog es zuerst die Aufmerksamkeit
seiner nächsten Nachbarn auf sich. Die schweizerischen Städte suchte» das
Bündniß mit den Bauern. Jn dieses brachten die Städter die höhere Intelli¬
genz mit, djie Landleute aber etwas, was noch mehr werth war, nämlich eine
glückliche Unbekanntschaft mit dem Europa beherrschenden VoMtheil, als könne
nur deha Reitersmann ein Krieger sein. Die Stadt.e ermuthigter sich an dem
Beispiel, welches die 'Landleute Hnen gaben, ihre Verbindung mit den Wald-
stäidten brachte sie auch dem LandVolke ihrer eignen Ge>bie,te näher, als e^ö ohne
dies wahrscheinlich >der Fall gewesen wäre. Man tauschte aus und theilte
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Zusammenhang, wie er anderen, bloßen Städtebündnissen nicht eigen war, und
in demselben erwuchs das schweizerische Fußvolk zu Einheit und Kraft. So
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Schweizern muthwillig suchte, lind im Erwachsen, so zu sage« in den Alegel-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/193>, abgerufen am 23.07.2024.