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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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in unserm Jahrhundert die Krautritter keine" herzlicheren Wunsch haben, als
Vernichtung der großen Städte. Nitterbündnisse stehen die Städte lagen sehr
nahe. Städtcbüiidnisse zunächst gegen die Unter ebenso nahe; da der Handel
' keine Grenzen alö die der Erde kennt, stiegen die Städtebündnisse zu den weit-
umfassendsten Interessen hinauf, welche denkbar sind. In ihren Bünden wur¬
den die Städte groß; wie schon früher die lombardischen, wuchsen seit dem
Ende des 13. Jahrhunderts die niederländischen, rheinischen, schwäbischen und
nordostdeutschen Städte in ihren Bündnissen heran.

An sich selbst hätten sie eine Kriegsmacht, die vorherrschend aus Fußvolk
bestand, aufbringen müssen. Indessen mit der Macht kam der Reichthum, mit
der Ausdehnung deö Verkehrs die Noihwendigkeit entfernter und lang¬
dauernder Kriegsfahrten, mit dem erlangten Einfluß die Möglichkeit der
Bündnisse auch mit Fürsten und Herren. Alles dies war der Heranbildung
einer reinen Kriegsmacht von Fußvolk, welche auf sich selbst stehen wollt' und
konnte, nicht günstig. Die Bündnisse mit Fürsten und Herren brachten Reiter-
massen als Verbündete; die Nothwendigkeit weiter und ferner Heerfahrten er¬
weckte die Neigung, Söldner für äußere Kriege in Dienst zu nehmen; in
einer Zeit, wo der Reiter vorherrschend allein für den Kriegsmann galt, bekam
man auch vorherrschend nur berittene Söldner. In einer solchen Zeit mußte
überall, wo die Reiterei, wenn auch nicht den größten, nur einen beträchtlichen
Theil des Heeres ausmachte, dieselbe das Fußvolk in den Hintergrund drängen.
Hierzukam, daß die Siädte, wenn auch ihre Bündnisse eine noch so weite Aus¬
dehnung halten, dennoch keine nationalen Staaten bildeten; sie waren einzeln
genommen integrirende Theile anderer Staaten und in den Bündnissen waren
Städte, die mit verschiedenen Staaten in Mannigfaltigen politischen Beziehungen,
zu ihnen in Abhängigkeitsverhältnissen standen. Mit der wachsenden Macht
gelangten die Städte über ihren Bann hinaus zu Gebieten und zu diesen
Gebieten stellten sie sich wie die Herren zu deu Beherrschten, wie der einzelne
Edelmann zu seinen Bauern, und ließen nicht selten ihr unterworfenes Land¬
volk von ritterlichen Söldnern bewachen und in Zaum halten. Ihr Reichthum
erlaubte ihnen dies.

Wenn aber das Fußvolk wieder zu Ehren kommen sollte, so war es durch¬
aus nothwendig, daß ein Heer, welches lediglich aus Fußvolk bestand,
einem Heere, dessen Kern mindestens die Ritterschaft bildete, entgegentrat,
daß dieses Fußvolk siegreich blieb und so deu Beweis lieferte, auch der Fnßkäm-
pfer könne ein Krieger sein. Nur auf diese Weise konnte das Fußvolk aus
dem Banne erlöst werden, in den eS ein seit Jahrhunderten genährtes Vor¬
urtheil gestürzt hatte, daß es nur gut sei, einen unnützen Troß zu bilden, nur
auf diese Weise konnte eS die alte Würde des griechischen oder römischen Fu߬
volkes sich zurückerkämpfen, von deren einstigen Bestehen die Ritterzeit kaum


in unserm Jahrhundert die Krautritter keine» herzlicheren Wunsch haben, als
Vernichtung der großen Städte. Nitterbündnisse stehen die Städte lagen sehr
nahe. Städtcbüiidnisse zunächst gegen die Unter ebenso nahe; da der Handel
' keine Grenzen alö die der Erde kennt, stiegen die Städtebündnisse zu den weit-
umfassendsten Interessen hinauf, welche denkbar sind. In ihren Bünden wur¬
den die Städte groß; wie schon früher die lombardischen, wuchsen seit dem
Ende des 13. Jahrhunderts die niederländischen, rheinischen, schwäbischen und
nordostdeutschen Städte in ihren Bündnissen heran.

An sich selbst hätten sie eine Kriegsmacht, die vorherrschend aus Fußvolk
bestand, aufbringen müssen. Indessen mit der Macht kam der Reichthum, mit
der Ausdehnung deö Verkehrs die Noihwendigkeit entfernter und lang¬
dauernder Kriegsfahrten, mit dem erlangten Einfluß die Möglichkeit der
Bündnisse auch mit Fürsten und Herren. Alles dies war der Heranbildung
einer reinen Kriegsmacht von Fußvolk, welche auf sich selbst stehen wollt' und
konnte, nicht günstig. Die Bündnisse mit Fürsten und Herren brachten Reiter-
massen als Verbündete; die Nothwendigkeit weiter und ferner Heerfahrten er¬
weckte die Neigung, Söldner für äußere Kriege in Dienst zu nehmen; in
einer Zeit, wo der Reiter vorherrschend allein für den Kriegsmann galt, bekam
man auch vorherrschend nur berittene Söldner. In einer solchen Zeit mußte
überall, wo die Reiterei, wenn auch nicht den größten, nur einen beträchtlichen
Theil des Heeres ausmachte, dieselbe das Fußvolk in den Hintergrund drängen.
Hierzukam, daß die Siädte, wenn auch ihre Bündnisse eine noch so weite Aus¬
dehnung halten, dennoch keine nationalen Staaten bildeten; sie waren einzeln
genommen integrirende Theile anderer Staaten und in den Bündnissen waren
Städte, die mit verschiedenen Staaten in Mannigfaltigen politischen Beziehungen,
zu ihnen in Abhängigkeitsverhältnissen standen. Mit der wachsenden Macht
gelangten die Städte über ihren Bann hinaus zu Gebieten und zu diesen
Gebieten stellten sie sich wie die Herren zu deu Beherrschten, wie der einzelne
Edelmann zu seinen Bauern, und ließen nicht selten ihr unterworfenes Land¬
volk von ritterlichen Söldnern bewachen und in Zaum halten. Ihr Reichthum
erlaubte ihnen dies.

Wenn aber das Fußvolk wieder zu Ehren kommen sollte, so war es durch¬
aus nothwendig, daß ein Heer, welches lediglich aus Fußvolk bestand,
einem Heere, dessen Kern mindestens die Ritterschaft bildete, entgegentrat,
daß dieses Fußvolk siegreich blieb und so deu Beweis lieferte, auch der Fnßkäm-
pfer könne ein Krieger sein. Nur auf diese Weise konnte das Fußvolk aus
dem Banne erlöst werden, in den eS ein seit Jahrhunderten genährtes Vor¬
urtheil gestürzt hatte, daß es nur gut sei, einen unnützen Troß zu bilden, nur
auf diese Weise konnte eS die alte Würde des griechischen oder römischen Fu߬
volkes sich zurückerkämpfen, von deren einstigen Bestehen die Ritterzeit kaum


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[0192] in unserm Jahrhundert die Krautritter keine» herzlicheren Wunsch haben, als Vernichtung der großen Städte. Nitterbündnisse stehen die Städte lagen sehr nahe. Städtcbüiidnisse zunächst gegen die Unter ebenso nahe; da der Handel ' keine Grenzen alö die der Erde kennt, stiegen die Städtebündnisse zu den weit- umfassendsten Interessen hinauf, welche denkbar sind. In ihren Bünden wur¬ den die Städte groß; wie schon früher die lombardischen, wuchsen seit dem Ende des 13. Jahrhunderts die niederländischen, rheinischen, schwäbischen und nordostdeutschen Städte in ihren Bündnissen heran. An sich selbst hätten sie eine Kriegsmacht, die vorherrschend aus Fußvolk bestand, aufbringen müssen. Indessen mit der Macht kam der Reichthum, mit der Ausdehnung deö Verkehrs die Noihwendigkeit entfernter und lang¬ dauernder Kriegsfahrten, mit dem erlangten Einfluß die Möglichkeit der Bündnisse auch mit Fürsten und Herren. Alles dies war der Heranbildung einer reinen Kriegsmacht von Fußvolk, welche auf sich selbst stehen wollt' und konnte, nicht günstig. Die Bündnisse mit Fürsten und Herren brachten Reiter- massen als Verbündete; die Nothwendigkeit weiter und ferner Heerfahrten er¬ weckte die Neigung, Söldner für äußere Kriege in Dienst zu nehmen; in einer Zeit, wo der Reiter vorherrschend allein für den Kriegsmann galt, bekam man auch vorherrschend nur berittene Söldner. In einer solchen Zeit mußte überall, wo die Reiterei, wenn auch nicht den größten, nur einen beträchtlichen Theil des Heeres ausmachte, dieselbe das Fußvolk in den Hintergrund drängen. Hierzukam, daß die Siädte, wenn auch ihre Bündnisse eine noch so weite Aus¬ dehnung halten, dennoch keine nationalen Staaten bildeten; sie waren einzeln genommen integrirende Theile anderer Staaten und in den Bündnissen waren Städte, die mit verschiedenen Staaten in Mannigfaltigen politischen Beziehungen, zu ihnen in Abhängigkeitsverhältnissen standen. Mit der wachsenden Macht gelangten die Städte über ihren Bann hinaus zu Gebieten und zu diesen Gebieten stellten sie sich wie die Herren zu deu Beherrschten, wie der einzelne Edelmann zu seinen Bauern, und ließen nicht selten ihr unterworfenes Land¬ volk von ritterlichen Söldnern bewachen und in Zaum halten. Ihr Reichthum erlaubte ihnen dies. Wenn aber das Fußvolk wieder zu Ehren kommen sollte, so war es durch¬ aus nothwendig, daß ein Heer, welches lediglich aus Fußvolk bestand, einem Heere, dessen Kern mindestens die Ritterschaft bildete, entgegentrat, daß dieses Fußvolk siegreich blieb und so deu Beweis lieferte, auch der Fnßkäm- pfer könne ein Krieger sein. Nur auf diese Weise konnte das Fußvolk aus dem Banne erlöst werden, in den eS ein seit Jahrhunderten genährtes Vor¬ urtheil gestürzt hatte, daß es nur gut sei, einen unnützen Troß zu bilden, nur auf diese Weise konnte eS die alte Würde des griechischen oder römischen Fu߬ volkes sich zurückerkämpfen, von deren einstigen Bestehen die Ritterzeit kaum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/192>, abgerufen am 23.07.2024.