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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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gestaunt und auf Händen getragen zu sein, mehr als es Mozart und Beet¬
hoven je zu Theil geworden. Wird der geniale Künstler sich veranlaßt fühlen,
noch einmal als Triumphator durch die Welt zu ziehen? Wird er den Kampf,
den er jetzt kämpft, ruhig fortsetzen? Wird er vielleicht aus demselben als
Sieger hervorgehen? Die Zukunft wird es uns lehren, jene Zukunft, deren
Name jetzt so seltsam mißbraucht wird, indem man von ihr verlangt, was man
wünscht, und ihr entgegentritt in dem, was sie als Gegenwart ausgesprochen.

Ueber die Einzelnheiten des Festes können wir uns nach allem Gesagten
kurz fassen. Die Ouvertüre von Beethoven, deren Allegro überstürzt wurde, und
die Cantate von Bach, machten keinen, des Sängers Fluch keinen nachhal¬
tigen Eindruck. Die laue Aufführung des Messias hatte durch Frau Milde
aus Weimar, die sowol hier als am dritten Tag in der Arie aus Fidelio ein
trefflich ausgebildetes Organ und eine recht innige Auffassung an den Tag legte,
einige große Lichtmomente, während Herr Dalla Aste. Bassist aus Darmstadt,
wegen plötzlicher Heiserkeit seine Arien ausließ und in den Quartetten vieles
verdarb. Herr Schneider hatte weniger Gelegenheit als bei den letzten Festen
in Düsseldorf sein schönes gediegenes Talent geltend zu machen. Eine, wie eS
schien, recht musikalische Dilettantin aus Amsterdam, sprach nicht an, da ihre
Stimme allzuviel zu wünschen übrig ließ. Das kleine Werkchen von Berlioz,
welches noch zur Aufführung kam, ging ziemlich spurlos vorüber, wogegen die
schubertsche Symphonie enthusiastischen Beifall hervorrief. Ueber Liszts Fest¬
klänge haben wir schon oben berichtet. Am dritten Tag machten, außer Frau
Milde, Herr Schneider in einer Arie von Gluck und Herr Göbbels, (ein junger
Tenor von Aachen, der zu seiner weiteren Ausbildung die rheinische Musikschule
besucht) in einer Cantate von Cherubini Furore. Herr Singer blieb in der
Ausführung des beethovenschen Violinconcertes hinter den Erwartungen zurück,
die man von ihm hegte, wo hingegen daS ausgezeichnete Clavierspiel des
Herrn von Bülow nicht so wirkte, wie es wirken kann, weil das lisztschc Con¬
cert, welches er vortrug, allzusehr "der Zukunft" angehört. Die Ouvertüre zu
Tannhäuser, die mit ungeheurer Bravour gespielt wurde, machte, wie immer,
große Wirkung.

So war denn das diesjährige Fest, trotzdem manch Schönes geboten
wurde, im Allgemeinen viel dürftiger, als wir es hier gewohnt sind. Auch
etwas Parteienkampf zeigte sich hin und wieder und machte die Luft zuweilen
etwas schwül. An ausgezeichneten deutschen Musikern fehlte es nicht, von
fremden Tonkünstlern hingegen war wider Erwarten wenig zu sehen, von Paris
war, glücklicherweise, nicht einmal Berlioz zugegen. Die Betheiligung des
Publicums bei Proben und Concerten war ungemein stark und gab die besten
Hoffnungen für das Weiterblühen und Gedeihen der schönen Feste. Bis zum
nächsten Jahre wird nun wol der längst angekündigte Neubau deö Gürzenich


gestaunt und auf Händen getragen zu sein, mehr als es Mozart und Beet¬
hoven je zu Theil geworden. Wird der geniale Künstler sich veranlaßt fühlen,
noch einmal als Triumphator durch die Welt zu ziehen? Wird er den Kampf,
den er jetzt kämpft, ruhig fortsetzen? Wird er vielleicht aus demselben als
Sieger hervorgehen? Die Zukunft wird es uns lehren, jene Zukunft, deren
Name jetzt so seltsam mißbraucht wird, indem man von ihr verlangt, was man
wünscht, und ihr entgegentritt in dem, was sie als Gegenwart ausgesprochen.

Ueber die Einzelnheiten des Festes können wir uns nach allem Gesagten
kurz fassen. Die Ouvertüre von Beethoven, deren Allegro überstürzt wurde, und
die Cantate von Bach, machten keinen, des Sängers Fluch keinen nachhal¬
tigen Eindruck. Die laue Aufführung des Messias hatte durch Frau Milde
aus Weimar, die sowol hier als am dritten Tag in der Arie aus Fidelio ein
trefflich ausgebildetes Organ und eine recht innige Auffassung an den Tag legte,
einige große Lichtmomente, während Herr Dalla Aste. Bassist aus Darmstadt,
wegen plötzlicher Heiserkeit seine Arien ausließ und in den Quartetten vieles
verdarb. Herr Schneider hatte weniger Gelegenheit als bei den letzten Festen
in Düsseldorf sein schönes gediegenes Talent geltend zu machen. Eine, wie eS
schien, recht musikalische Dilettantin aus Amsterdam, sprach nicht an, da ihre
Stimme allzuviel zu wünschen übrig ließ. Das kleine Werkchen von Berlioz,
welches noch zur Aufführung kam, ging ziemlich spurlos vorüber, wogegen die
schubertsche Symphonie enthusiastischen Beifall hervorrief. Ueber Liszts Fest¬
klänge haben wir schon oben berichtet. Am dritten Tag machten, außer Frau
Milde, Herr Schneider in einer Arie von Gluck und Herr Göbbels, (ein junger
Tenor von Aachen, der zu seiner weiteren Ausbildung die rheinische Musikschule
besucht) in einer Cantate von Cherubini Furore. Herr Singer blieb in der
Ausführung des beethovenschen Violinconcertes hinter den Erwartungen zurück,
die man von ihm hegte, wo hingegen daS ausgezeichnete Clavierspiel des
Herrn von Bülow nicht so wirkte, wie es wirken kann, weil das lisztschc Con¬
cert, welches er vortrug, allzusehr „der Zukunft" angehört. Die Ouvertüre zu
Tannhäuser, die mit ungeheurer Bravour gespielt wurde, machte, wie immer,
große Wirkung.

So war denn das diesjährige Fest, trotzdem manch Schönes geboten
wurde, im Allgemeinen viel dürftiger, als wir es hier gewohnt sind. Auch
etwas Parteienkampf zeigte sich hin und wieder und machte die Luft zuweilen
etwas schwül. An ausgezeichneten deutschen Musikern fehlte es nicht, von
fremden Tonkünstlern hingegen war wider Erwarten wenig zu sehen, von Paris
war, glücklicherweise, nicht einmal Berlioz zugegen. Die Betheiligung des
Publicums bei Proben und Concerten war ungemein stark und gab die besten
Hoffnungen für das Weiterblühen und Gedeihen der schönen Feste. Bis zum
nächsten Jahre wird nun wol der längst angekündigte Neubau deö Gürzenich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/67>, abgerufen am 01.07.2024.