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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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züglich, die Terrains, namentlich die Berge, mit großer Festigkeit modellirt, das
Wasser klar und lebendig,-- vielleicht wäre eine für jene südliche Natur größere
Wärme zu wünschen. In Wasserpartien hat Lee eine große Fertigkeit, wir
erinnern uns selten so den Eindruck eines einsamen, klaren, kalten VergseeS
erhalten zu haben, wie in seinem Fischdiebe ans der pariser Ausstellung, aber
im Baumschlag ist er nicht gleich glücklich, die einzelnen Bäume heben sich mit
ihrem Blattwerk nicht scharf genug gegeneinander ab. Für Darstellung archi¬
tektonischer Gegenstände hat David Roberts Vorzügliches geleistet, seine Ansicht
des Innern der Stephanskirche ist bewundernswürdig. Die Historienmalerei
steht bei den Engländern noch auf einer sehr niedern Stufe, sie haben nichts,
was entfernt mit La Noche, Cornelius, Lessing, Gallait :c. zu vergleichen wäre,
die Commission, welche 18ii zur Beaufsichtigung der Ausschmückung des neuen
Parlamentsgebäudes eingesetzt ward, hat zwar einen starken Impuls gegeben,
aber doch die Kunst nicht zu schaffen vermocht; die Härte in der Farbe, die
Steifheit der Compostrion, welche in andern Zweigen der Malerei überwunden
sind, machen sich noch bei allen historischen Versuchen in hohem Grade geltend.
Es ist hier eine neue Schule zu erwähnen, welche mit der Prätension auftritt,
die Malerei der Zukunft zu sein, die Prärafaeliten. Einige junge Maler
nämlich glaubten, der Fehler unsrer Kunstentwicklung sei, daß sie sich von der
Naturwahrheit entfernt habe, und daß alles darauf ankomme, die Gegenstände
so genau wie möglich von der Natur auf die Leinwand zu copiren, sie mein¬
ten, der Ruhm der Gemälde des -ki. Jahrhunderts sei ihrer Steifheit zuzuschrei¬
ben und singen an in jenem Stile klägliche Gestalten zu malen. Aber welch
ein Unterschied ist zwischen jenen vorrafaelischen oder altdeutschen Bildern, die
sich als eine naturgemäße Stufe der Kunstentwicklung zeigen und jenem will¬
kürlichen und reflectirten Zurückversetzen auf einen längst überwundenen Stand¬
punkt. Dort bei großer Steifheit eine bewundernswürdige Kraft und Innigkeit
des Ausdrucks, hier leichtsinniges Aufgeben der künstlerischen Freiheit, welche
durch lange Lehrjahre Gemeingut der Kunst geworden, ohne jene Vorzüge des
Ausdrucks zu erreichen, Haschen nach Originalität und Affectation. Wir wollen
gern zugeben, daß diese Herrn in der Nachahmung lebloser Gegenstände das
Mögliche leisten, auf Mittels "Freilassung des Gefangnen" kann man z. B. die
Fäden eines Strumpfes zählen, aber einmal verstehen sie absolut nicht menschliches
Fleisch und Blut zu malen, ihre Gesichter sind krank, dunkel und ohne alle
Schattirung; die Haut ist kein schmiegsames seines Gewebe, sondern zähes
Leder, ebenso ist die Lust bleiern, sodann setzen sie sich auf das vollständigste
über alle Regeln der Composition hinweg und verachten die einfachsten Be>
dingungcn der Nebeneinanderstellung der Farben. Die Erscheinung der Prä¬
rafaeliten ist aber auch ein neuer Beweis für das Arion, daß die Kunst nicht
in bloßer Nachahmung der Natur besteht; wäre dies der Fall, so müßte un-


züglich, die Terrains, namentlich die Berge, mit großer Festigkeit modellirt, das
Wasser klar und lebendig,— vielleicht wäre eine für jene südliche Natur größere
Wärme zu wünschen. In Wasserpartien hat Lee eine große Fertigkeit, wir
erinnern uns selten so den Eindruck eines einsamen, klaren, kalten VergseeS
erhalten zu haben, wie in seinem Fischdiebe ans der pariser Ausstellung, aber
im Baumschlag ist er nicht gleich glücklich, die einzelnen Bäume heben sich mit
ihrem Blattwerk nicht scharf genug gegeneinander ab. Für Darstellung archi¬
tektonischer Gegenstände hat David Roberts Vorzügliches geleistet, seine Ansicht
des Innern der Stephanskirche ist bewundernswürdig. Die Historienmalerei
steht bei den Engländern noch auf einer sehr niedern Stufe, sie haben nichts,
was entfernt mit La Noche, Cornelius, Lessing, Gallait :c. zu vergleichen wäre,
die Commission, welche 18ii zur Beaufsichtigung der Ausschmückung des neuen
Parlamentsgebäudes eingesetzt ward, hat zwar einen starken Impuls gegeben,
aber doch die Kunst nicht zu schaffen vermocht; die Härte in der Farbe, die
Steifheit der Compostrion, welche in andern Zweigen der Malerei überwunden
sind, machen sich noch bei allen historischen Versuchen in hohem Grade geltend.
Es ist hier eine neue Schule zu erwähnen, welche mit der Prätension auftritt,
die Malerei der Zukunft zu sein, die Prärafaeliten. Einige junge Maler
nämlich glaubten, der Fehler unsrer Kunstentwicklung sei, daß sie sich von der
Naturwahrheit entfernt habe, und daß alles darauf ankomme, die Gegenstände
so genau wie möglich von der Natur auf die Leinwand zu copiren, sie mein¬
ten, der Ruhm der Gemälde des -ki. Jahrhunderts sei ihrer Steifheit zuzuschrei¬
ben und singen an in jenem Stile klägliche Gestalten zu malen. Aber welch
ein Unterschied ist zwischen jenen vorrafaelischen oder altdeutschen Bildern, die
sich als eine naturgemäße Stufe der Kunstentwicklung zeigen und jenem will¬
kürlichen und reflectirten Zurückversetzen auf einen längst überwundenen Stand¬
punkt. Dort bei großer Steifheit eine bewundernswürdige Kraft und Innigkeit
des Ausdrucks, hier leichtsinniges Aufgeben der künstlerischen Freiheit, welche
durch lange Lehrjahre Gemeingut der Kunst geworden, ohne jene Vorzüge des
Ausdrucks zu erreichen, Haschen nach Originalität und Affectation. Wir wollen
gern zugeben, daß diese Herrn in der Nachahmung lebloser Gegenstände das
Mögliche leisten, auf Mittels „Freilassung des Gefangnen" kann man z. B. die
Fäden eines Strumpfes zählen, aber einmal verstehen sie absolut nicht menschliches
Fleisch und Blut zu malen, ihre Gesichter sind krank, dunkel und ohne alle
Schattirung; die Haut ist kein schmiegsames seines Gewebe, sondern zähes
Leder, ebenso ist die Lust bleiern, sodann setzen sie sich auf das vollständigste
über alle Regeln der Composition hinweg und verachten die einfachsten Be>
dingungcn der Nebeneinanderstellung der Farben. Die Erscheinung der Prä¬
rafaeliten ist aber auch ein neuer Beweis für das Arion, daß die Kunst nicht
in bloßer Nachahmung der Natur besteht; wäre dies der Fall, so müßte un-


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[0495] züglich, die Terrains, namentlich die Berge, mit großer Festigkeit modellirt, das Wasser klar und lebendig,— vielleicht wäre eine für jene südliche Natur größere Wärme zu wünschen. In Wasserpartien hat Lee eine große Fertigkeit, wir erinnern uns selten so den Eindruck eines einsamen, klaren, kalten VergseeS erhalten zu haben, wie in seinem Fischdiebe ans der pariser Ausstellung, aber im Baumschlag ist er nicht gleich glücklich, die einzelnen Bäume heben sich mit ihrem Blattwerk nicht scharf genug gegeneinander ab. Für Darstellung archi¬ tektonischer Gegenstände hat David Roberts Vorzügliches geleistet, seine Ansicht des Innern der Stephanskirche ist bewundernswürdig. Die Historienmalerei steht bei den Engländern noch auf einer sehr niedern Stufe, sie haben nichts, was entfernt mit La Noche, Cornelius, Lessing, Gallait :c. zu vergleichen wäre, die Commission, welche 18ii zur Beaufsichtigung der Ausschmückung des neuen Parlamentsgebäudes eingesetzt ward, hat zwar einen starken Impuls gegeben, aber doch die Kunst nicht zu schaffen vermocht; die Härte in der Farbe, die Steifheit der Compostrion, welche in andern Zweigen der Malerei überwunden sind, machen sich noch bei allen historischen Versuchen in hohem Grade geltend. Es ist hier eine neue Schule zu erwähnen, welche mit der Prätension auftritt, die Malerei der Zukunft zu sein, die Prärafaeliten. Einige junge Maler nämlich glaubten, der Fehler unsrer Kunstentwicklung sei, daß sie sich von der Naturwahrheit entfernt habe, und daß alles darauf ankomme, die Gegenstände so genau wie möglich von der Natur auf die Leinwand zu copiren, sie mein¬ ten, der Ruhm der Gemälde des -ki. Jahrhunderts sei ihrer Steifheit zuzuschrei¬ ben und singen an in jenem Stile klägliche Gestalten zu malen. Aber welch ein Unterschied ist zwischen jenen vorrafaelischen oder altdeutschen Bildern, die sich als eine naturgemäße Stufe der Kunstentwicklung zeigen und jenem will¬ kürlichen und reflectirten Zurückversetzen auf einen längst überwundenen Stand¬ punkt. Dort bei großer Steifheit eine bewundernswürdige Kraft und Innigkeit des Ausdrucks, hier leichtsinniges Aufgeben der künstlerischen Freiheit, welche durch lange Lehrjahre Gemeingut der Kunst geworden, ohne jene Vorzüge des Ausdrucks zu erreichen, Haschen nach Originalität und Affectation. Wir wollen gern zugeben, daß diese Herrn in der Nachahmung lebloser Gegenstände das Mögliche leisten, auf Mittels „Freilassung des Gefangnen" kann man z. B. die Fäden eines Strumpfes zählen, aber einmal verstehen sie absolut nicht menschliches Fleisch und Blut zu malen, ihre Gesichter sind krank, dunkel und ohne alle Schattirung; die Haut ist kein schmiegsames seines Gewebe, sondern zähes Leder, ebenso ist die Lust bleiern, sodann setzen sie sich auf das vollständigste über alle Regeln der Composition hinweg und verachten die einfachsten Be> dingungcn der Nebeneinanderstellung der Farben. Die Erscheinung der Prä¬ rafaeliten ist aber auch ein neuer Beweis für das Arion, daß die Kunst nicht in bloßer Nachahmung der Natur besteht; wäre dies der Fall, so müßte un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/495>, abgerufen am 22.07.2024.