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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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glaubt der Bursche, er darf meine Garde" lächerlich machen ?" ""Ew. Majestät,""
erwiederte jemand ""das Bild ist unzweifelhaft eine Burleske."" "Wie darf sich,"
rief der erzürnte König, "ein Maler unterstehen, eine Burleske auf Kosten
meiner Garde zu machen, der Mensch müßte für seine Unverschämtheit gepfählt
werden." -- Hogarth erwarb seinen Lebensunterhalt nicht sowol durch seine
Gemälde als durch die Kupferstiche, die er selbst davon machte. Es war da¬
mals gewöhnlich, auf letztere Unterschriften zu sammeln und das Original selbst
unter die Subscribenten zu verkofen, so behielt Hogarth von dem Marsche der
Garden 1i3 Exemplare übrig, er schenkte sie dem Findlingöhospitale, welches
das Bild gewann und noch als Schatz bewahrt. Hart war das Loos man¬
cher Maler, welche mit dem Zeitgeschmacke kämpften und keine Kupferstecher
waren. Wilson und Barry litten recht eigentlich Hunger und noch in neuerer
Zeit ist uns in dem Leben Haydons ein trauriges Bild eines vergeblich käm¬
pfenden Künstlers gegeben, wenn wir gleich gestehen müssen, daß wir seinen
Gemälden so wenig als denen der beiden erster" haben Geschmack abgewinnen
können. Ehe wir die Reihe der englischen Genremaler weiter verfolgen, wollen
wir als Darsteller historischer Gegenstände West erwähnen, den Lieblings¬
maler Georgs III. Beide Naturen -- ehrbar und beschränkt -- hatten in der
That mannigfache Berührungspunkte; die zahlreichen biblischen Gemälde, welche
West für seinen königlichen Patron malte, der durch den Auftrag dazu die
Religion ebenso zu fördern meinte als der Künstler durch die Ausführung,
sind lange vergessen, Erwähnung verdient nur "der Tod des General Wolfe".
Obwol hart und roh in der Farbe, ist es nicht ohne Verdienst der Komposition;
in jener Zeit einen solchen Gegenstand so einfach und ohne Affectation zu be¬
handeln, erforderte einen gewissen Muth, der stoische indische Krieger, welcher
schweigsam und bewegungslos das Sterben des jungen Helden überwacht, ist
von bedeutender Wirkung. Das Bild ist durch einen Stich verbreitet, der,
wie es oft bei englischen Bildern der Fall ist, eine zu vortheilhafte Idee von
dem Original gibt. Der Grund ist, daß die meisten sehr richtig gezeichnet
sind, während die eigentliche malerische Behandlung nur zu oft ganz verfehlt
ist. -- An Hogarth schließt sich in der englischen Genremalerei Wilkie, der
ihm in seiner besten Periode an scharfer Beobachtung der menschlichen Natur
kaum nachsteht und ihn in der Technik und im malerischen Vortrag übertrifft.
Auch er war ein durchaus nationaler Künstler, ja wir können bei ihm, was
wahrlich in der Kunst selten sein wird, den Übeln Einfluß einer Reise durch
Italien wahrnehmen. Wilkie war überhaupt am besten in seiner ersten Periode,
die Dorfpolitiker, der Zinstag, die Kartenspieler, der Empfehlungsbrief sind
Meisterstücke in ihrer Art, später fing er an flüchtig zu malen und machte voll¬
ständig Fiasko, als er in einer Übeln Stunde das Genre verließ und von den
einfachsten Scenen deö häuslichen Lebens plötzlich auf die Darstellung großer


glaubt der Bursche, er darf meine Garde« lächerlich machen ?" „„Ew. Majestät,""
erwiederte jemand „„das Bild ist unzweifelhaft eine Burleske."" „Wie darf sich,"
rief der erzürnte König, „ein Maler unterstehen, eine Burleske auf Kosten
meiner Garde zu machen, der Mensch müßte für seine Unverschämtheit gepfählt
werden." — Hogarth erwarb seinen Lebensunterhalt nicht sowol durch seine
Gemälde als durch die Kupferstiche, die er selbst davon machte. Es war da¬
mals gewöhnlich, auf letztere Unterschriften zu sammeln und das Original selbst
unter die Subscribenten zu verkofen, so behielt Hogarth von dem Marsche der
Garden 1i3 Exemplare übrig, er schenkte sie dem Findlingöhospitale, welches
das Bild gewann und noch als Schatz bewahrt. Hart war das Loos man¬
cher Maler, welche mit dem Zeitgeschmacke kämpften und keine Kupferstecher
waren. Wilson und Barry litten recht eigentlich Hunger und noch in neuerer
Zeit ist uns in dem Leben Haydons ein trauriges Bild eines vergeblich käm¬
pfenden Künstlers gegeben, wenn wir gleich gestehen müssen, daß wir seinen
Gemälden so wenig als denen der beiden erster» haben Geschmack abgewinnen
können. Ehe wir die Reihe der englischen Genremaler weiter verfolgen, wollen
wir als Darsteller historischer Gegenstände West erwähnen, den Lieblings¬
maler Georgs III. Beide Naturen — ehrbar und beschränkt — hatten in der
That mannigfache Berührungspunkte; die zahlreichen biblischen Gemälde, welche
West für seinen königlichen Patron malte, der durch den Auftrag dazu die
Religion ebenso zu fördern meinte als der Künstler durch die Ausführung,
sind lange vergessen, Erwähnung verdient nur „der Tod des General Wolfe".
Obwol hart und roh in der Farbe, ist es nicht ohne Verdienst der Komposition;
in jener Zeit einen solchen Gegenstand so einfach und ohne Affectation zu be¬
handeln, erforderte einen gewissen Muth, der stoische indische Krieger, welcher
schweigsam und bewegungslos das Sterben des jungen Helden überwacht, ist
von bedeutender Wirkung. Das Bild ist durch einen Stich verbreitet, der,
wie es oft bei englischen Bildern der Fall ist, eine zu vortheilhafte Idee von
dem Original gibt. Der Grund ist, daß die meisten sehr richtig gezeichnet
sind, während die eigentliche malerische Behandlung nur zu oft ganz verfehlt
ist. — An Hogarth schließt sich in der englischen Genremalerei Wilkie, der
ihm in seiner besten Periode an scharfer Beobachtung der menschlichen Natur
kaum nachsteht und ihn in der Technik und im malerischen Vortrag übertrifft.
Auch er war ein durchaus nationaler Künstler, ja wir können bei ihm, was
wahrlich in der Kunst selten sein wird, den Übeln Einfluß einer Reise durch
Italien wahrnehmen. Wilkie war überhaupt am besten in seiner ersten Periode,
die Dorfpolitiker, der Zinstag, die Kartenspieler, der Empfehlungsbrief sind
Meisterstücke in ihrer Art, später fing er an flüchtig zu malen und machte voll¬
ständig Fiasko, als er in einer Übeln Stunde das Genre verließ und von den
einfachsten Scenen deö häuslichen Lebens plötzlich auf die Darstellung großer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/493>, abgerufen am 12.12.2024.