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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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wenig gute Bilder geliefert worden sein, aber jetzt kann man keinen Zweifel mehr
über die Bedeutung hegen, welche es für die englische Malerei hatte, daß für
die künstlerischen Kräfte deS Landes ein Brennpunkt geschaffen ward und
Publicum und Künstler in eine nähere und leichtere Beziehung gebracht
wurden. erhielt die Gesellschaft der Akademie Corporationsrechte und
Sir Josua ward ihr erster Präsident. Ueber das Porträt kam er nicht hinaus,
die Ansätze, die er zu historischen Darstellungen machte, fielen sehr steif aus,
aber auch im Porträt scheint er seinem großen Nachfolger und Nebenbuhler
GaiuSborough weichen zu müssen, den wir nach allem, was wir von ihm ge¬
sehen, unbedenklich den großen Venetianern und Florentinern an die Seite
stellen dürfen. Der Triumph seiner Kunst dürfte das Bild von Mrs. Graham
sein, eins der herrlichsten Porträts, die uns je vorgekommen; in dem vollen¬
deten Liebreiz und Bewußtsein einer entfalteten Schönheit steht die junge Frau
in ganzer Figur da, den einen Arm auf einen Säulenschaft gelehnt, ihr blaues
Auge blickt unwillig, als wenn ihr ein Bewundrer zu dreist gehuldigt, der ge¬
schwellte kleine Mund verzieht sich im lieblichen Zorne, doch bleibt ihre ganze
Haltung ruhig und an dem Fächer, den die rechte Hand hält, ist keine Feder
zerknittert. Niemand wird das Bild anschauen können, ohne seinem gewinnen¬
den Zauber den schuldigen Tribut zu bezahlen. Nächst diesem sind vor allem
"der blaue Knabe" und "Mr. Meidum" zu nennen. Sir Josua Nepnoldö
hatte behauptet, daß daS Vorherrschen der lichtblauen Farbe auf einem Bilde
unvereinbar mit einer guten malerischen Wirkung sei, GainSborough unter¬
nahm es, ihn praktisch durch jene zwei Bilder zu widerlegen, wo er beide Ge¬
stalten im hellblauen Kleide malte. Indessen, wenn wir anerkennen müssen,
daß er daS Mögliche geleistet, so müssen wir seinem Gegner in so weit Ge¬
rechtigkeit widerfahren lassen, daß die Bilder gewiß noch bei weitem anziehender
sein müßten, wenn er einen dunklern Ton gewählt hätte, außerdem ist zwar die
Farbe lichtblau, aber der Maler hat auf beiden Bildern einen sehr feinen
Atlasstoff genommen, welcher unzählige Falten wirft, deren dunklere Tinten
die helle Grundfarbe unterbrechen. Der wahre Neiz aber liegt in den Köpfen
und der graziösen Behandlung der Figur; der kluge schelmische Ausdruck und
die schmiegsam wartende Stellung des Master Butball, der feine staatsmännische
Kopf deö Unterhändlers des Handelsvertrags mit Portugal sind von der
überraschendsten Wirkung, dazu haben sich GainsboroughS Bilder vollkommen
erhalten und zeigen die vollendetste Behandlung deS Fleisches, so z. B-
das Bild von Johnson, welches Lord Overstone besitzt, wo das untersetzte,
faltige und pockennarbige Gesicht des berühmten Doctors mit ebenso viel Wahr¬
heit als Feinheit ausgeführt ist. Weniger ausgezeichnet sind seine Landschaf¬
ten, welche uns die Ausstellung bietet, sie sind im breiten Stil gehalten, der
Baumschlag ist wenig klar, der Grund oft verwischt, aber die ganze Farben-


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wenig gute Bilder geliefert worden sein, aber jetzt kann man keinen Zweifel mehr
über die Bedeutung hegen, welche es für die englische Malerei hatte, daß für
die künstlerischen Kräfte deS Landes ein Brennpunkt geschaffen ward und
Publicum und Künstler in eine nähere und leichtere Beziehung gebracht
wurden. erhielt die Gesellschaft der Akademie Corporationsrechte und
Sir Josua ward ihr erster Präsident. Ueber das Porträt kam er nicht hinaus,
die Ansätze, die er zu historischen Darstellungen machte, fielen sehr steif aus,
aber auch im Porträt scheint er seinem großen Nachfolger und Nebenbuhler
GaiuSborough weichen zu müssen, den wir nach allem, was wir von ihm ge¬
sehen, unbedenklich den großen Venetianern und Florentinern an die Seite
stellen dürfen. Der Triumph seiner Kunst dürfte das Bild von Mrs. Graham
sein, eins der herrlichsten Porträts, die uns je vorgekommen; in dem vollen¬
deten Liebreiz und Bewußtsein einer entfalteten Schönheit steht die junge Frau
in ganzer Figur da, den einen Arm auf einen Säulenschaft gelehnt, ihr blaues
Auge blickt unwillig, als wenn ihr ein Bewundrer zu dreist gehuldigt, der ge¬
schwellte kleine Mund verzieht sich im lieblichen Zorne, doch bleibt ihre ganze
Haltung ruhig und an dem Fächer, den die rechte Hand hält, ist keine Feder
zerknittert. Niemand wird das Bild anschauen können, ohne seinem gewinnen¬
den Zauber den schuldigen Tribut zu bezahlen. Nächst diesem sind vor allem
„der blaue Knabe" und „Mr. Meidum" zu nennen. Sir Josua Nepnoldö
hatte behauptet, daß daS Vorherrschen der lichtblauen Farbe auf einem Bilde
unvereinbar mit einer guten malerischen Wirkung sei, GainSborough unter¬
nahm es, ihn praktisch durch jene zwei Bilder zu widerlegen, wo er beide Ge¬
stalten im hellblauen Kleide malte. Indessen, wenn wir anerkennen müssen,
daß er daS Mögliche geleistet, so müssen wir seinem Gegner in so weit Ge¬
rechtigkeit widerfahren lassen, daß die Bilder gewiß noch bei weitem anziehender
sein müßten, wenn er einen dunklern Ton gewählt hätte, außerdem ist zwar die
Farbe lichtblau, aber der Maler hat auf beiden Bildern einen sehr feinen
Atlasstoff genommen, welcher unzählige Falten wirft, deren dunklere Tinten
die helle Grundfarbe unterbrechen. Der wahre Neiz aber liegt in den Köpfen
und der graziösen Behandlung der Figur; der kluge schelmische Ausdruck und
die schmiegsam wartende Stellung des Master Butball, der feine staatsmännische
Kopf deö Unterhändlers des Handelsvertrags mit Portugal sind von der
überraschendsten Wirkung, dazu haben sich GainsboroughS Bilder vollkommen
erhalten und zeigen die vollendetste Behandlung deS Fleisches, so z. B-
das Bild von Johnson, welches Lord Overstone besitzt, wo das untersetzte,
faltige und pockennarbige Gesicht des berühmten Doctors mit ebenso viel Wahr¬
heit als Feinheit ausgeführt ist. Weniger ausgezeichnet sind seine Landschaf¬
ten, welche uns die Ausstellung bietet, sie sind im breiten Stil gehalten, der
Baumschlag ist wenig klar, der Grund oft verwischt, aber die ganze Farben-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/491>, abgerufen am 22.07.2024.