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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Gegenden gejagt und gegessen. Es wird somit wol die Vorstellung von ihm
sich der von einem Thiere nähern.

Wir schließen mit der Bemerkung, daß auch die Kunst sich hieb- und
schußfest zu machen, in Aegypten noch bisweilen anzutreffen ist. Wir hatten,
vor der Zuckersiederei von Hermcnt gelandet, den Wunsch, die Ruinen des
dortigen Tempels bei Mondschein zu besuchen. Hassan bestrebte sich auf alle
Weise, uns den Plan auszureden. Bald sollten wir eine Stunde Wegs bis
dahin haben, bald sollte es Unrecht sein, den guten Wind, der nach Assuan
hinwehte, nicht zu benutzen. Endlich aber kam die Wahrheit an den Tag.
Hassan fürchtete sich vor Räubern. Es hieße, daß sich viel schlechtes Volk
hier herum treibe, vorzüglich ein gewisser Abdurrachman, ein verzweifelt böser
Bursch, mit dem Niemand anbinden könnte, da er -- ganz wie früher Ibra¬
him Pascha, setzte Hassan hinzu -- von keiner Kugel verletzt würde. Vier¬
hundert Arnauten hätten ihn einst veifolgt und unablässig nach ihm geschossen,
aber ohne ihm etwas anhaben zu können. Verhaftet und mit Ketten beladen,
wäre er aus dem Gefängniß gebrochen. Alles vermöge eines Zettelchens,
welches mit Zaubersprüchen beschrieben war und welches er auf sein Hemd
genäht hatte. Ebenso ein Schelm, erzählte Hassan zu mehrer Bekräftigung,
sollte einmal in Alerandrien erschossen werden, aber vergeblich feuerten erst
vier, dann vierzig Mann auf ihn. Da rieth ein alter Mann, der zusah, ihm
den rechten Aermel, seines Kaftan auszuschneiden und das dort befindliche Stück
Papier wegzuthun. Man that so und stehe da, jetzt streckte die erste Salve
den Delinquenten zu Boden. Wir meinten nun zwar, unsere Büchsflinten
und Revolver seien so eingerichtet, daß Abdurrachmans Zauberzcttelchen kaum
gegen sie schützen würden. Da ihn dies aber nicht beruhigte -- allerdings
nicht ganz mit Unrecht, indem seiner und der gesammten Schiffsmannschaft
für den Fall, daß uns ein Unglück zustieß, in Kairo die Bastonnade und nach
Befinden Schlimmeres wartete -- so verzichteten wir auf unsere Mondschein¬
tour. Später erfuhren wir, daß jener Abdurrachman schon zehn oder zwölf
Jahre vorher aufgehört hatte, gefährlich zu sein. Man hatte ihn gefangen,
vor eine Kanone gebunden und Abdurrachman und Talisman waren in alle
Lüfte zerflogen.




Korrespondenzen.
81".

-- Die Verwerfung des von der dänischen Regierung
den holsteinischen Ständen vorgelegten Vcrfassungscntwmss für das Herzogthum
hat den deutsch-dänischen Conflict in ein neues Stadium gebracht. Bekanntlich ist


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Gegenden gejagt und gegessen. Es wird somit wol die Vorstellung von ihm
sich der von einem Thiere nähern.

Wir schließen mit der Bemerkung, daß auch die Kunst sich hieb- und
schußfest zu machen, in Aegypten noch bisweilen anzutreffen ist. Wir hatten,
vor der Zuckersiederei von Hermcnt gelandet, den Wunsch, die Ruinen des
dortigen Tempels bei Mondschein zu besuchen. Hassan bestrebte sich auf alle
Weise, uns den Plan auszureden. Bald sollten wir eine Stunde Wegs bis
dahin haben, bald sollte es Unrecht sein, den guten Wind, der nach Assuan
hinwehte, nicht zu benutzen. Endlich aber kam die Wahrheit an den Tag.
Hassan fürchtete sich vor Räubern. Es hieße, daß sich viel schlechtes Volk
hier herum treibe, vorzüglich ein gewisser Abdurrachman, ein verzweifelt böser
Bursch, mit dem Niemand anbinden könnte, da er — ganz wie früher Ibra¬
him Pascha, setzte Hassan hinzu — von keiner Kugel verletzt würde. Vier¬
hundert Arnauten hätten ihn einst veifolgt und unablässig nach ihm geschossen,
aber ohne ihm etwas anhaben zu können. Verhaftet und mit Ketten beladen,
wäre er aus dem Gefängniß gebrochen. Alles vermöge eines Zettelchens,
welches mit Zaubersprüchen beschrieben war und welches er auf sein Hemd
genäht hatte. Ebenso ein Schelm, erzählte Hassan zu mehrer Bekräftigung,
sollte einmal in Alerandrien erschossen werden, aber vergeblich feuerten erst
vier, dann vierzig Mann auf ihn. Da rieth ein alter Mann, der zusah, ihm
den rechten Aermel, seines Kaftan auszuschneiden und das dort befindliche Stück
Papier wegzuthun. Man that so und stehe da, jetzt streckte die erste Salve
den Delinquenten zu Boden. Wir meinten nun zwar, unsere Büchsflinten
und Revolver seien so eingerichtet, daß Abdurrachmans Zauberzcttelchen kaum
gegen sie schützen würden. Da ihn dies aber nicht beruhigte — allerdings
nicht ganz mit Unrecht, indem seiner und der gesammten Schiffsmannschaft
für den Fall, daß uns ein Unglück zustieß, in Kairo die Bastonnade und nach
Befinden Schlimmeres wartete — so verzichteten wir auf unsere Mondschein¬
tour. Später erfuhren wir, daß jener Abdurrachman schon zehn oder zwölf
Jahre vorher aufgehört hatte, gefährlich zu sein. Man hatte ihn gefangen,
vor eine Kanone gebunden und Abdurrachman und Talisman waren in alle
Lüfte zerflogen.




Korrespondenzen.
81».

— Die Verwerfung des von der dänischen Regierung
den holsteinischen Ständen vorgelegten Vcrfassungscntwmss für das Herzogthum
hat den deutsch-dänischen Conflict in ein neues Stadium gebracht. Bekanntlich ist


S9*
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[0475] Gegenden gejagt und gegessen. Es wird somit wol die Vorstellung von ihm sich der von einem Thiere nähern. Wir schließen mit der Bemerkung, daß auch die Kunst sich hieb- und schußfest zu machen, in Aegypten noch bisweilen anzutreffen ist. Wir hatten, vor der Zuckersiederei von Hermcnt gelandet, den Wunsch, die Ruinen des dortigen Tempels bei Mondschein zu besuchen. Hassan bestrebte sich auf alle Weise, uns den Plan auszureden. Bald sollten wir eine Stunde Wegs bis dahin haben, bald sollte es Unrecht sein, den guten Wind, der nach Assuan hinwehte, nicht zu benutzen. Endlich aber kam die Wahrheit an den Tag. Hassan fürchtete sich vor Räubern. Es hieße, daß sich viel schlechtes Volk hier herum treibe, vorzüglich ein gewisser Abdurrachman, ein verzweifelt böser Bursch, mit dem Niemand anbinden könnte, da er — ganz wie früher Ibra¬ him Pascha, setzte Hassan hinzu — von keiner Kugel verletzt würde. Vier¬ hundert Arnauten hätten ihn einst veifolgt und unablässig nach ihm geschossen, aber ohne ihm etwas anhaben zu können. Verhaftet und mit Ketten beladen, wäre er aus dem Gefängniß gebrochen. Alles vermöge eines Zettelchens, welches mit Zaubersprüchen beschrieben war und welches er auf sein Hemd genäht hatte. Ebenso ein Schelm, erzählte Hassan zu mehrer Bekräftigung, sollte einmal in Alerandrien erschossen werden, aber vergeblich feuerten erst vier, dann vierzig Mann auf ihn. Da rieth ein alter Mann, der zusah, ihm den rechten Aermel, seines Kaftan auszuschneiden und das dort befindliche Stück Papier wegzuthun. Man that so und stehe da, jetzt streckte die erste Salve den Delinquenten zu Boden. Wir meinten nun zwar, unsere Büchsflinten und Revolver seien so eingerichtet, daß Abdurrachmans Zauberzcttelchen kaum gegen sie schützen würden. Da ihn dies aber nicht beruhigte — allerdings nicht ganz mit Unrecht, indem seiner und der gesammten Schiffsmannschaft für den Fall, daß uns ein Unglück zustieß, in Kairo die Bastonnade und nach Befinden Schlimmeres wartete — so verzichteten wir auf unsere Mondschein¬ tour. Später erfuhren wir, daß jener Abdurrachman schon zehn oder zwölf Jahre vorher aufgehört hatte, gefährlich zu sein. Man hatte ihn gefangen, vor eine Kanone gebunden und Abdurrachman und Talisman waren in alle Lüfte zerflogen. Korrespondenzen. 81». — Die Verwerfung des von der dänischen Regierung den holsteinischen Ständen vorgelegten Vcrfassungscntwmss für das Herzogthum hat den deutsch-dänischen Conflict in ein neues Stadium gebracht. Bekanntlich ist S9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/475>, abgerufen am 25.08.2024.