Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.Im Scherz banden wir Hassan, als wir eines Abends auf dem Nil Vielleicht ein Ueberrest altägyptischen Glaubens ist es, wenn man jedem Grenzboten III.-1867. 59
Im Scherz banden wir Hassan, als wir eines Abends auf dem Nil Vielleicht ein Ueberrest altägyptischen Glaubens ist es, wenn man jedem Grenzboten III.-1867. 59
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Im Scherz banden wir Hassan, als wir eines Abends auf dem Nil
ankerten, auf, eine alte italienische Grammatik in Quart, die wir, der Himmel
weiß wozu, mitgenommen, sei ein Zauberbuch, womit wir den Teufel beschwö¬
ren könnte». Er bat uno inständig, dies ja nicht zu thun, und wenn er später
in unsrer Abwesenheit aufgeräumt hat, war die Stelle, wo das Buch lag, in
einem Umkreise von mehren Zollen nicht einmal abgestäubt. Er fürchtete sich
offenbar, dem entsetzlichen Buche sich auch nur zu nähern. Bei einer dieser
Gelegenheiten erfuhren wir denn auch, daß Hassan einen Scheitan gesehen. Er
hatte in Alerandrien bis spät in die Nacht auf die indische Post gewartet.
Endlich in Gedanken nach Hause gehend, war er an einer einsamen Stelle
einem großen grauen Manne begegnet, der ihm seinen.Stock vorgehalten, und
ihn mit feurigen Augen anblickend zu ihm: „Lejl tak Salve" (Guten Abend)
gesagt hatte. Hassan hatte den Gruß erwidert, als aber jener ihn mir immer
größer werdenden Augen gefragt: „Wo gehst du hin, Hassan?" habe er ge¬
merkt, wen er vor sich habe und sofort den Spruch, vor dem jeder Scheitan
entweicht: „Ruch men Henne! La illaha ni allah!" (Packe Dich! Es ist kein
Gott außer Allah) gesprochen, woraus der Spuk sich ohne Verzug seiner Wege
getrollt habe. Er hatte weder Schwanz, noch Hörner noch Pferdefuß gehabt,
ja, wie Hassan auf ausdrückliches Befragen hinzufügte, nicht einmal den ob¬
ligaten Schwefelgeruch hinterlassen, wird folglich wol kein rechter Teufel ge¬
wesen sein. Wenn Hassan einen Wirbelwind sah, der eine Sandhose zusam¬
mendrehte, so war es jedesmal ein Girr, der sich darin fortbewegte. Nach den
Berichten Anderer sollen die Girr in dem Gebirge Kaf wohnen, welches die
ganze Erde umgibt. In Kairo dagegen hörten wir, daß sie unmittelbar unter
den Menschen umherstreifen, daß sie vorzüglich gern in verlassnen oder verfall-
nen Häusern, in Backöfen, Brunnen, Bädern und selbst Abtritte» wohnen,
weshalb man, wenn man in einen solchen Raum tritt, den Eimer in einen
Brunnen hinabläßt, ein Feuer im Ösen anzündet, stets sagt: „Mit Erlaubniß,
ihr Gesegneten." Daß die altägyptischen Felsengräber und die Winkel der
Tempel von allerhand Gespenstern bewohnt sind, mögen noch manche Araber
glauben, die Beduinen, welche uns in die Königskammer der Cheopspyramide
führten, der Mann von Kenneh, der mit uns die innerste» Kammern des
Tempels von Denderah durchkroch, der alte Achmed Gurgar, welcher unser
Cicerone in den Grüften des Biban El Moluck war, wußten von dieser Vor^
Stellung nichts.
Vielleicht ein Ueberrest altägyptischen Glaubens ist es, wenn man jedem
Quartiere vo» Kairo einen Schutzgeist gibt, der in demselben in Gestalt einer
Schlange Hausen soll. Noch mehr erinnert an die heidnische Zeit die wieder¬
holt von Hassan und der Schiffsmannschaft gehörte Meinung, daß im Nil
ein Geist wohne, welcher Aegupten a»S einer Wüste zu einem fruchtbaren
Grenzboten III.-1867. 59
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