Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mürrisch gewesen war und mit verschiedenen Mitteln versucht hatte, einen Auf¬
schub zu bewirken. Wir fügten uns, da wir die Leute nicht von vornherein in
üble Stimmung versetzen durften, und kehrten in den Gasthof zurück, wo uns
der Wirth schon in der Thür mit dem erwarteten: "Na, hab ichs nicht ge¬
sagt!" empfing.

Der Sonntag wird für unglücklich gehalten, weil in'der darauf folgenden
Nacht der Prophet gestorben ist. Der Montag gilt für glücklich, der Dien¬
stag dagegen wieder für einen bösen Tag, indem die Ermordung mehrer berühm¬
ter Märtyrer des Islam an ihm erfolgte. Er heißt deshalb auch der Blut¬
tag, was indeß auch davon abgeleitet wird, daß man sich an ihm zur Ader zu
lassen pflegt. Der Donnerstag und der Freitag sind die besten Tage der Woche,
jener heißt "der gesegnete", dieser, bekanntlich der Betrag der Mohammedaner,
"der ausgezeichnete". Der Sonnabend ist der unglücklichste aller Tage, an
dem man sich nicht einmal die Nägel verschneiden oder sich rasuen, geschweige
denn eine Reise antreten soll. Ein uralter Aberglaube (uralt; denn er wird
bereits von Mohammed erwähnt und zwar gemißbilligi) ist der, welcher die letzte
Mittwoch im Monat Safar als einen überaus unglücklichen Tag ansteht. Viele
sollen auf keine Weise zu bewegen sein, an diesem Tage das Haus zu verlassen,
da man glaubt, daß an ihm die bösen Geister ganz besondere Gewalt über die
Menschen haben.

Der Glaube an Geister ist, wie bekannt, im Morgenlande sehr verbreitet.
Auch in Aegypten gibt eS in der Meinung nicht blos deS niedern Volkes,
sondern auch der Gelehrten zahllose Girr, gute und böse, männliche und weib¬
liche. Es ist indeß sehr schwierig, sich in dem, was darüber berichtet wird,
zurecht zu finden, und es scheinen sich verschiedene Meinungen hier zu kreuzen.
Die Girr sind vor Adam erschaffen, stehen aber auf der Stufenleiter der
Geschöpfe niedriger als das Menschengeschlecht. Die bösen Girr heißen bei
den ägyptischen Arabern Scheitan. Der Urvater beider Arten ist der aus Feuer
ohne Rauch geschaffene .Ibus. Einer ihrer Könige hat die Pyramiden erbaut.
Sie sind in der Regel menschlichen Augen unsichtbar. Nach Einigen sollen sie
unsterblich sein, nach Andern bis zur Auferstehung leben und dann sterben,
während Hassan glaubte, jede fallende Sternschnuppe bedeute den Tod eines
dieser Geister. Sie haben allerlei Gestalten, einige fliegen, andere sind Hunde,
noch andere Schlangen, wieder andere erfreuen sich menschlicher Formen. Die
Schlangen in der Wüste sind nach Hassan böse, die Hausschlangen gute Geister.
Letztere muß man ja nicht beschädigen; denn sie bringen der Familie, der sie
sich anschließen, Segen aller Art. In Alexandrien ist ein Derwisch, der sie
durch Beschwörungen zum Sprechen nöthigen kann; er hat sich durch Fasten
diese Macht erworben und ißt noch jetzt täglich nicht mehr als eine einzige
Dattel.


mürrisch gewesen war und mit verschiedenen Mitteln versucht hatte, einen Auf¬
schub zu bewirken. Wir fügten uns, da wir die Leute nicht von vornherein in
üble Stimmung versetzen durften, und kehrten in den Gasthof zurück, wo uns
der Wirth schon in der Thür mit dem erwarteten: „Na, hab ichs nicht ge¬
sagt!" empfing.

Der Sonntag wird für unglücklich gehalten, weil in'der darauf folgenden
Nacht der Prophet gestorben ist. Der Montag gilt für glücklich, der Dien¬
stag dagegen wieder für einen bösen Tag, indem die Ermordung mehrer berühm¬
ter Märtyrer des Islam an ihm erfolgte. Er heißt deshalb auch der Blut¬
tag, was indeß auch davon abgeleitet wird, daß man sich an ihm zur Ader zu
lassen pflegt. Der Donnerstag und der Freitag sind die besten Tage der Woche,
jener heißt „der gesegnete", dieser, bekanntlich der Betrag der Mohammedaner,
„der ausgezeichnete". Der Sonnabend ist der unglücklichste aller Tage, an
dem man sich nicht einmal die Nägel verschneiden oder sich rasuen, geschweige
denn eine Reise antreten soll. Ein uralter Aberglaube (uralt; denn er wird
bereits von Mohammed erwähnt und zwar gemißbilligi) ist der, welcher die letzte
Mittwoch im Monat Safar als einen überaus unglücklichen Tag ansteht. Viele
sollen auf keine Weise zu bewegen sein, an diesem Tage das Haus zu verlassen,
da man glaubt, daß an ihm die bösen Geister ganz besondere Gewalt über die
Menschen haben.

Der Glaube an Geister ist, wie bekannt, im Morgenlande sehr verbreitet.
Auch in Aegypten gibt eS in der Meinung nicht blos deS niedern Volkes,
sondern auch der Gelehrten zahllose Girr, gute und böse, männliche und weib¬
liche. Es ist indeß sehr schwierig, sich in dem, was darüber berichtet wird,
zurecht zu finden, und es scheinen sich verschiedene Meinungen hier zu kreuzen.
Die Girr sind vor Adam erschaffen, stehen aber auf der Stufenleiter der
Geschöpfe niedriger als das Menschengeschlecht. Die bösen Girr heißen bei
den ägyptischen Arabern Scheitan. Der Urvater beider Arten ist der aus Feuer
ohne Rauch geschaffene .Ibus. Einer ihrer Könige hat die Pyramiden erbaut.
Sie sind in der Regel menschlichen Augen unsichtbar. Nach Einigen sollen sie
unsterblich sein, nach Andern bis zur Auferstehung leben und dann sterben,
während Hassan glaubte, jede fallende Sternschnuppe bedeute den Tod eines
dieser Geister. Sie haben allerlei Gestalten, einige fliegen, andere sind Hunde,
noch andere Schlangen, wieder andere erfreuen sich menschlicher Formen. Die
Schlangen in der Wüste sind nach Hassan böse, die Hausschlangen gute Geister.
Letztere muß man ja nicht beschädigen; denn sie bringen der Familie, der sie
sich anschließen, Segen aller Art. In Alexandrien ist ein Derwisch, der sie
durch Beschwörungen zum Sprechen nöthigen kann; er hat sich durch Fasten
diese Macht erworben und ißt noch jetzt täglich nicht mehr als eine einzige
Dattel.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104673"/>
            <p xml:id="ID_1243" prev="#ID_1242"> mürrisch gewesen war und mit verschiedenen Mitteln versucht hatte, einen Auf¬<lb/>
schub zu bewirken. Wir fügten uns, da wir die Leute nicht von vornherein in<lb/>
üble Stimmung versetzen durften, und kehrten in den Gasthof zurück, wo uns<lb/>
der Wirth schon in der Thür mit dem erwarteten: &#x201E;Na, hab ichs nicht ge¬<lb/>
sagt!" empfing.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1244"> Der Sonntag wird für unglücklich gehalten, weil in'der darauf folgenden<lb/>
Nacht der Prophet gestorben ist. Der Montag gilt für glücklich, der Dien¬<lb/>
stag dagegen wieder für einen bösen Tag, indem die Ermordung mehrer berühm¬<lb/>
ter Märtyrer des Islam an ihm erfolgte. Er heißt deshalb auch der Blut¬<lb/>
tag, was indeß auch davon abgeleitet wird, daß man sich an ihm zur Ader zu<lb/>
lassen pflegt. Der Donnerstag und der Freitag sind die besten Tage der Woche,<lb/>
jener heißt &#x201E;der gesegnete", dieser, bekanntlich der Betrag der Mohammedaner,<lb/>
&#x201E;der ausgezeichnete". Der Sonnabend ist der unglücklichste aller Tage, an<lb/>
dem man sich nicht einmal die Nägel verschneiden oder sich rasuen, geschweige<lb/>
denn eine Reise antreten soll. Ein uralter Aberglaube (uralt; denn er wird<lb/>
bereits von Mohammed erwähnt und zwar gemißbilligi) ist der, welcher die letzte<lb/>
Mittwoch im Monat Safar als einen überaus unglücklichen Tag ansteht. Viele<lb/>
sollen auf keine Weise zu bewegen sein, an diesem Tage das Haus zu verlassen,<lb/>
da man glaubt, daß an ihm die bösen Geister ganz besondere Gewalt über die<lb/>
Menschen haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1245"> Der Glaube an Geister ist, wie bekannt, im Morgenlande sehr verbreitet.<lb/>
Auch in Aegypten gibt eS in der Meinung nicht blos deS niedern Volkes,<lb/>
sondern auch der Gelehrten zahllose Girr, gute und böse, männliche und weib¬<lb/>
liche. Es ist indeß sehr schwierig, sich in dem, was darüber berichtet wird,<lb/>
zurecht zu finden, und es scheinen sich verschiedene Meinungen hier zu kreuzen.<lb/>
Die Girr sind vor Adam erschaffen, stehen aber auf der Stufenleiter der<lb/>
Geschöpfe niedriger als das Menschengeschlecht. Die bösen Girr heißen bei<lb/>
den ägyptischen Arabern Scheitan. Der Urvater beider Arten ist der aus Feuer<lb/>
ohne Rauch geschaffene .Ibus. Einer ihrer Könige hat die Pyramiden erbaut.<lb/>
Sie sind in der Regel menschlichen Augen unsichtbar. Nach Einigen sollen sie<lb/>
unsterblich sein, nach Andern bis zur Auferstehung leben und dann sterben,<lb/>
während Hassan glaubte, jede fallende Sternschnuppe bedeute den Tod eines<lb/>
dieser Geister. Sie haben allerlei Gestalten, einige fliegen, andere sind Hunde,<lb/>
noch andere Schlangen, wieder andere erfreuen sich menschlicher Formen. Die<lb/>
Schlangen in der Wüste sind nach Hassan böse, die Hausschlangen gute Geister.<lb/>
Letztere muß man ja nicht beschädigen; denn sie bringen der Familie, der sie<lb/>
sich anschließen, Segen aller Art. In Alexandrien ist ein Derwisch, der sie<lb/>
durch Beschwörungen zum Sprechen nöthigen kann; er hat sich durch Fasten<lb/>
diese Macht erworben und ißt noch jetzt täglich nicht mehr als eine einzige<lb/>
Dattel.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] mürrisch gewesen war und mit verschiedenen Mitteln versucht hatte, einen Auf¬ schub zu bewirken. Wir fügten uns, da wir die Leute nicht von vornherein in üble Stimmung versetzen durften, und kehrten in den Gasthof zurück, wo uns der Wirth schon in der Thür mit dem erwarteten: „Na, hab ichs nicht ge¬ sagt!" empfing. Der Sonntag wird für unglücklich gehalten, weil in'der darauf folgenden Nacht der Prophet gestorben ist. Der Montag gilt für glücklich, der Dien¬ stag dagegen wieder für einen bösen Tag, indem die Ermordung mehrer berühm¬ ter Märtyrer des Islam an ihm erfolgte. Er heißt deshalb auch der Blut¬ tag, was indeß auch davon abgeleitet wird, daß man sich an ihm zur Ader zu lassen pflegt. Der Donnerstag und der Freitag sind die besten Tage der Woche, jener heißt „der gesegnete", dieser, bekanntlich der Betrag der Mohammedaner, „der ausgezeichnete". Der Sonnabend ist der unglücklichste aller Tage, an dem man sich nicht einmal die Nägel verschneiden oder sich rasuen, geschweige denn eine Reise antreten soll. Ein uralter Aberglaube (uralt; denn er wird bereits von Mohammed erwähnt und zwar gemißbilligi) ist der, welcher die letzte Mittwoch im Monat Safar als einen überaus unglücklichen Tag ansteht. Viele sollen auf keine Weise zu bewegen sein, an diesem Tage das Haus zu verlassen, da man glaubt, daß an ihm die bösen Geister ganz besondere Gewalt über die Menschen haben. Der Glaube an Geister ist, wie bekannt, im Morgenlande sehr verbreitet. Auch in Aegypten gibt eS in der Meinung nicht blos deS niedern Volkes, sondern auch der Gelehrten zahllose Girr, gute und böse, männliche und weib¬ liche. Es ist indeß sehr schwierig, sich in dem, was darüber berichtet wird, zurecht zu finden, und es scheinen sich verschiedene Meinungen hier zu kreuzen. Die Girr sind vor Adam erschaffen, stehen aber auf der Stufenleiter der Geschöpfe niedriger als das Menschengeschlecht. Die bösen Girr heißen bei den ägyptischen Arabern Scheitan. Der Urvater beider Arten ist der aus Feuer ohne Rauch geschaffene .Ibus. Einer ihrer Könige hat die Pyramiden erbaut. Sie sind in der Regel menschlichen Augen unsichtbar. Nach Einigen sollen sie unsterblich sein, nach Andern bis zur Auferstehung leben und dann sterben, während Hassan glaubte, jede fallende Sternschnuppe bedeute den Tod eines dieser Geister. Sie haben allerlei Gestalten, einige fliegen, andere sind Hunde, noch andere Schlangen, wieder andere erfreuen sich menschlicher Formen. Die Schlangen in der Wüste sind nach Hassan böse, die Hausschlangen gute Geister. Letztere muß man ja nicht beschädigen; denn sie bringen der Familie, der sie sich anschließen, Segen aller Art. In Alexandrien ist ein Derwisch, der sie durch Beschwörungen zum Sprechen nöthigen kann; er hat sich durch Fasten diese Macht erworben und ißt noch jetzt täglich nicht mehr als eine einzige Dattel.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/472>, abgerufen am 25.08.2024.