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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Dies wird um so klarer, als, wie sogleich erwähnt werden soll, auch in einer
andern sehr alten Moschee Kairos Spitzbogengewölbe vorkommen. Die Kuppel
über dem Wasserbecken im Centrum des Hofes so wie die Kanzel sind jüngeren
Datums, aus dem Jahre der Hedschra 696.

An das eine Minaret der Moschee knüpft sich eine hübsche Sage. Bei
demselben windet sich die Treppe außen um den Thurm. Der Chalif Achmed
Ihr e'Tulun war um die Zeit, in der er diese Moschee erbaute, oft sehr zer¬
streut und füllte dann seine Zeit stunden- und tagelang mit Nichtigkeiten aus.
Eines Tages traf ihn sein Wessir, wie er sich damit beschäftigte, ein Stück
Pergament zu einer schraubenförmigen Rolle zusammenzudrehen; ein düten-
drehcnder Chalif mißfiel dem Minister und er bemerkte, ob der Beherrscher der
Gläubigen nichts Klügeres zu thun wisse, als solche Kinderspiele zu treiben.
"Nichts weniger als Kinderspiel," erwiederte der Fürst, "ich überlegte vielmehr,
ob sich nicht ein Minaret von dieser Form bauen ließe. Ich könnte dann zu
Pferde hinaufgehen, und ich befehle, daß das Minaret meiner neuen Moschee
nach diesem System eingerichtet werbe."

Der Name des Orts, wo die Moschee steht, ist Kalat El Kebsch, die
Burg des Widders. Er dürfte von der widderhornfö.rmigen Gestalt jenes
Minarets herrühren, während der Dragoman des Freundes, mit dem wir die
Moschee besuchten, hier die Stätte sein ließ, wo Abraham statt seines Sohnes Jsaak
den ihm als Surrogat gesandten Widder schlachtete. Nach andern hat Noahs Arche
nach der Flut hier zuerst den Erdboden berührt. Vielleicht deuten diese Sagen
darauf, daß die Stelle, wo diese älteste Moschee Kairos steht, schon vor der
Erbauung derselben eine heilige war.

Die nächst älteste der Dschamien Kairos ist die in der Nähe des Bab
e'Nasr befindliche Moschee El Hakens, der im ersten Viertel des elften Jahr¬
hunderts regierte und die Sekte der Drusen stiftete, bei denen er mehr als
Mohammed, ja als eine Jncarnation Gottes selbst galt. Das Gebäude wurde
von den Franzosen in eine förmliche Citadelle verwandelt und ist jetzt Ruine.
Auch hier begegnet man Spitzbogengewölben, und da die Moschee im Jahre 1003
vollendet wurde, der Spitzbogen aber an abendländischen Bauten erst hundert
Jahre später Anwendung fand, so ist sie, wie schon erwähnt, ein zweiter Be¬
weis, daß jene Form von den Arabern stammt.

Die schönste aller Moscheen der Chalifcnstadt am Nil ist die, welche Sul¬
tan Hassans Namen führt. Sie liegt unmittelbar unter der Citadelle am
Numejliplatz, dessen Zierde sie ist. Die majestätisch hohen Wände, mit denen
sie die Gassen zur Seite überragt, die flachen Nischen in diesen Wände", welche
sechs bis sieben Fenster übereinander habe", die bis zum oberste" Räude rei¬
chende rieseiihaste Portalnische, über der sich ein prächtiges Tropfengewölbe
zusammenzieht, ihr anmuihiges Minaret verdiene" die Bewunderung jedes


Dies wird um so klarer, als, wie sogleich erwähnt werden soll, auch in einer
andern sehr alten Moschee Kairos Spitzbogengewölbe vorkommen. Die Kuppel
über dem Wasserbecken im Centrum des Hofes so wie die Kanzel sind jüngeren
Datums, aus dem Jahre der Hedschra 696.

An das eine Minaret der Moschee knüpft sich eine hübsche Sage. Bei
demselben windet sich die Treppe außen um den Thurm. Der Chalif Achmed
Ihr e'Tulun war um die Zeit, in der er diese Moschee erbaute, oft sehr zer¬
streut und füllte dann seine Zeit stunden- und tagelang mit Nichtigkeiten aus.
Eines Tages traf ihn sein Wessir, wie er sich damit beschäftigte, ein Stück
Pergament zu einer schraubenförmigen Rolle zusammenzudrehen; ein düten-
drehcnder Chalif mißfiel dem Minister und er bemerkte, ob der Beherrscher der
Gläubigen nichts Klügeres zu thun wisse, als solche Kinderspiele zu treiben.
„Nichts weniger als Kinderspiel," erwiederte der Fürst, „ich überlegte vielmehr,
ob sich nicht ein Minaret von dieser Form bauen ließe. Ich könnte dann zu
Pferde hinaufgehen, und ich befehle, daß das Minaret meiner neuen Moschee
nach diesem System eingerichtet werbe."

Der Name des Orts, wo die Moschee steht, ist Kalat El Kebsch, die
Burg des Widders. Er dürfte von der widderhornfö.rmigen Gestalt jenes
Minarets herrühren, während der Dragoman des Freundes, mit dem wir die
Moschee besuchten, hier die Stätte sein ließ, wo Abraham statt seines Sohnes Jsaak
den ihm als Surrogat gesandten Widder schlachtete. Nach andern hat Noahs Arche
nach der Flut hier zuerst den Erdboden berührt. Vielleicht deuten diese Sagen
darauf, daß die Stelle, wo diese älteste Moschee Kairos steht, schon vor der
Erbauung derselben eine heilige war.

Die nächst älteste der Dschamien Kairos ist die in der Nähe des Bab
e'Nasr befindliche Moschee El Hakens, der im ersten Viertel des elften Jahr¬
hunderts regierte und die Sekte der Drusen stiftete, bei denen er mehr als
Mohammed, ja als eine Jncarnation Gottes selbst galt. Das Gebäude wurde
von den Franzosen in eine förmliche Citadelle verwandelt und ist jetzt Ruine.
Auch hier begegnet man Spitzbogengewölben, und da die Moschee im Jahre 1003
vollendet wurde, der Spitzbogen aber an abendländischen Bauten erst hundert
Jahre später Anwendung fand, so ist sie, wie schon erwähnt, ein zweiter Be¬
weis, daß jene Form von den Arabern stammt.

Die schönste aller Moscheen der Chalifcnstadt am Nil ist die, welche Sul¬
tan Hassans Namen führt. Sie liegt unmittelbar unter der Citadelle am
Numejliplatz, dessen Zierde sie ist. Die majestätisch hohen Wände, mit denen
sie die Gassen zur Seite überragt, die flachen Nischen in diesen Wände», welche
sechs bis sieben Fenster übereinander habe», die bis zum oberste» Räude rei¬
chende rieseiihaste Portalnische, über der sich ein prächtiges Tropfengewölbe
zusammenzieht, ihr anmuihiges Minaret verdiene» die Bewunderung jedes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/434>, abgerufen am 12.12.2024.