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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Freundes der Baukunst und erklären es, wenn die Sage geht, der Sultan
habe dem Meister, der dieses edle Werk geschaffen, nach Bollendung des Baues
die Hände abhauen lassen, damit er kein zweites ebenso schönes errichte. Wes¬
halb der Tyrann ihm grade die Hände nahm, bleibt freilich unerklärt, da sich ein
Bau auch ohne Hände leiten läßt, indeß knüpft sich die gleiche Legende an
ein schönes Minaret zu Siut in Oberägypten und an eine Moschee in Kon¬
stantinopel, und bekanntlich läßt auch die deutsche Sage berühmte Baumeister
oder Bildner auf ähnliche Weise verhindert werden, sich selbst Concurrenz zu
machen.

Die Dschami Sultan Hassans ist um das Jahr 1360 erbaut und zeigt
im Innern einen Stil, der von dem aller ältern Moscheen wesentlich verschieden
ist. Man tritt hier ebenfalls in einen vierseitige" , oben offnen Hof, in den
das Minaret herabsieht. Aber es fehlen die Säulengänge. Statt deren hat
jede Wand eine große tiefe Spitzbogennische, oder ein Seitenschiff, eine Form,
die an die Kreuzesgestalt der christlichen Kirchen erinnert. Die nach Osten zu
befindliche Kolossalnische ist beträchtlich größer als die übrigen drei, sie hat
eine Spannung von mehr als siebzig Fuß und enthält die Kanzel und die
kleine Mekkanische. An den Wänden bemerkt man einige Koransprüche, in
der Mitte des offnen Hoff befindet sich unter einem sehr baufälligen Kuppel-
tempelchcn das Bassin für die Abwaschungen, von der Wölbung der Nischen
hängen zahlreiche Lampen und Laternen herab. Neben der Mekkanische führen
zwei Thüren nach dem Raume, wo das Grabmal des Erbauers ist. Ueber
demselben wölbt sich eine mächtige, jetzt leider den Einsturz drohende Holzkuppel.
Der Grabstein ist ohne alle Verzierung, durch daS Gitter blickend, das ihn
umgibt, gewahrt man auf ihm eine Abschrift des Korans und eine Almosen¬
büchse.

Die Steinblöcke, aus denen die Hassanmoschee besteht, sollen von einer Py¬
ramide stammen, die dabei vollständig aufging. ES wäre zu wünschen, daß
die Araber und Türken die Alterthümer, die sie abbrachen, überall so anmuthig
Verwendet hätten. In vielen Moscheen sind die Säulen sämmtlich geraubtes
Gut, und zwar stehen sie ohne Rücksicht auf gleiche Art und Form, Granit
und Marmor, jonischer, dorischer und korinthischer Stil durcheinander. Schlimmer
aber ist, daß Hunderte der schönsten Säulen und Bildsäulen zerschlagen worden
sind, um in die Kalköfen und Gruben zu wandern, wo man den Mörtel zur
Erbauung von Zuckersiedereien und andern Fabriken der Beis und Paschas
bereitete.

Unmittelbar über der Dschami Sultan Hassans, inmitten der NegierungS-
Paläste und Kasernen der Citadelle erhebt sich eine Moschee, an der die Gegen¬
wart versucht hat, zu zeigen, waS sie vermag. Sie fordert gleichsam zum
Vergleich mit jenem alten Bau heraus, aber wie vortheilhaft auch ihre Lage


Freundes der Baukunst und erklären es, wenn die Sage geht, der Sultan
habe dem Meister, der dieses edle Werk geschaffen, nach Bollendung des Baues
die Hände abhauen lassen, damit er kein zweites ebenso schönes errichte. Wes¬
halb der Tyrann ihm grade die Hände nahm, bleibt freilich unerklärt, da sich ein
Bau auch ohne Hände leiten läßt, indeß knüpft sich die gleiche Legende an
ein schönes Minaret zu Siut in Oberägypten und an eine Moschee in Kon¬
stantinopel, und bekanntlich läßt auch die deutsche Sage berühmte Baumeister
oder Bildner auf ähnliche Weise verhindert werden, sich selbst Concurrenz zu
machen.

Die Dschami Sultan Hassans ist um das Jahr 1360 erbaut und zeigt
im Innern einen Stil, der von dem aller ältern Moscheen wesentlich verschieden
ist. Man tritt hier ebenfalls in einen vierseitige» , oben offnen Hof, in den
das Minaret herabsieht. Aber es fehlen die Säulengänge. Statt deren hat
jede Wand eine große tiefe Spitzbogennische, oder ein Seitenschiff, eine Form,
die an die Kreuzesgestalt der christlichen Kirchen erinnert. Die nach Osten zu
befindliche Kolossalnische ist beträchtlich größer als die übrigen drei, sie hat
eine Spannung von mehr als siebzig Fuß und enthält die Kanzel und die
kleine Mekkanische. An den Wänden bemerkt man einige Koransprüche, in
der Mitte des offnen Hoff befindet sich unter einem sehr baufälligen Kuppel-
tempelchcn das Bassin für die Abwaschungen, von der Wölbung der Nischen
hängen zahlreiche Lampen und Laternen herab. Neben der Mekkanische führen
zwei Thüren nach dem Raume, wo das Grabmal des Erbauers ist. Ueber
demselben wölbt sich eine mächtige, jetzt leider den Einsturz drohende Holzkuppel.
Der Grabstein ist ohne alle Verzierung, durch daS Gitter blickend, das ihn
umgibt, gewahrt man auf ihm eine Abschrift des Korans und eine Almosen¬
büchse.

Die Steinblöcke, aus denen die Hassanmoschee besteht, sollen von einer Py¬
ramide stammen, die dabei vollständig aufging. ES wäre zu wünschen, daß
die Araber und Türken die Alterthümer, die sie abbrachen, überall so anmuthig
Verwendet hätten. In vielen Moscheen sind die Säulen sämmtlich geraubtes
Gut, und zwar stehen sie ohne Rücksicht auf gleiche Art und Form, Granit
und Marmor, jonischer, dorischer und korinthischer Stil durcheinander. Schlimmer
aber ist, daß Hunderte der schönsten Säulen und Bildsäulen zerschlagen worden
sind, um in die Kalköfen und Gruben zu wandern, wo man den Mörtel zur
Erbauung von Zuckersiedereien und andern Fabriken der Beis und Paschas
bereitete.

Unmittelbar über der Dschami Sultan Hassans, inmitten der NegierungS-
Paläste und Kasernen der Citadelle erhebt sich eine Moschee, an der die Gegen¬
wart versucht hat, zu zeigen, waS sie vermag. Sie fordert gleichsam zum
Vergleich mit jenem alten Bau heraus, aber wie vortheilhaft auch ihre Lage


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[0435] Freundes der Baukunst und erklären es, wenn die Sage geht, der Sultan habe dem Meister, der dieses edle Werk geschaffen, nach Bollendung des Baues die Hände abhauen lassen, damit er kein zweites ebenso schönes errichte. Wes¬ halb der Tyrann ihm grade die Hände nahm, bleibt freilich unerklärt, da sich ein Bau auch ohne Hände leiten läßt, indeß knüpft sich die gleiche Legende an ein schönes Minaret zu Siut in Oberägypten und an eine Moschee in Kon¬ stantinopel, und bekanntlich läßt auch die deutsche Sage berühmte Baumeister oder Bildner auf ähnliche Weise verhindert werden, sich selbst Concurrenz zu machen. Die Dschami Sultan Hassans ist um das Jahr 1360 erbaut und zeigt im Innern einen Stil, der von dem aller ältern Moscheen wesentlich verschieden ist. Man tritt hier ebenfalls in einen vierseitige» , oben offnen Hof, in den das Minaret herabsieht. Aber es fehlen die Säulengänge. Statt deren hat jede Wand eine große tiefe Spitzbogennische, oder ein Seitenschiff, eine Form, die an die Kreuzesgestalt der christlichen Kirchen erinnert. Die nach Osten zu befindliche Kolossalnische ist beträchtlich größer als die übrigen drei, sie hat eine Spannung von mehr als siebzig Fuß und enthält die Kanzel und die kleine Mekkanische. An den Wänden bemerkt man einige Koransprüche, in der Mitte des offnen Hoff befindet sich unter einem sehr baufälligen Kuppel- tempelchcn das Bassin für die Abwaschungen, von der Wölbung der Nischen hängen zahlreiche Lampen und Laternen herab. Neben der Mekkanische führen zwei Thüren nach dem Raume, wo das Grabmal des Erbauers ist. Ueber demselben wölbt sich eine mächtige, jetzt leider den Einsturz drohende Holzkuppel. Der Grabstein ist ohne alle Verzierung, durch daS Gitter blickend, das ihn umgibt, gewahrt man auf ihm eine Abschrift des Korans und eine Almosen¬ büchse. Die Steinblöcke, aus denen die Hassanmoschee besteht, sollen von einer Py¬ ramide stammen, die dabei vollständig aufging. ES wäre zu wünschen, daß die Araber und Türken die Alterthümer, die sie abbrachen, überall so anmuthig Verwendet hätten. In vielen Moscheen sind die Säulen sämmtlich geraubtes Gut, und zwar stehen sie ohne Rücksicht auf gleiche Art und Form, Granit und Marmor, jonischer, dorischer und korinthischer Stil durcheinander. Schlimmer aber ist, daß Hunderte der schönsten Säulen und Bildsäulen zerschlagen worden sind, um in die Kalköfen und Gruben zu wandern, wo man den Mörtel zur Erbauung von Zuckersiedereien und andern Fabriken der Beis und Paschas bereitete. Unmittelbar über der Dschami Sultan Hassans, inmitten der NegierungS- Paläste und Kasernen der Citadelle erhebt sich eine Moschee, an der die Gegen¬ wart versucht hat, zu zeigen, waS sie vermag. Sie fordert gleichsam zum Vergleich mit jenem alten Bau heraus, aber wie vortheilhaft auch ihre Lage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/435>, abgerufen am 12.12.2024.