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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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kein Verdienst einen Anspruch darauf erwarben; es ist leider sogar nicht zu
leugnen, daß sehr viele für Geld Bojaren geworden; zur Schande derjenigen,
die das Geld eingesteckt.

Schmückt aber erst ein Titel den Hausvater, so thut er was er kann, um
seine Familie empor zu bringen. Seine Söhne besuchen die Schule, oder haben
deutsche und französische Hauslehrer, oder gehen sogar nach Berlin und Paris,
um sich auszubilden, und eS sind uns viele junge Leute bekannt, bei denen
die Bemühungen ihrer Eltern schöne Früchte getragen. Wir wollen nicht be¬
haupten, daß oft Gelehrte aus ihnen werden. Häufig ohne alle Aufsicht in den
Vergnügungsstrudel einer großen Hauptstadt geworfen, nehmen die half
eKgmMros und Wintergarten natürlich viel Zeit in Anspruch; aber selten
wird einer so wenig Ehrgefühl haben, ganz unwissend nach Hause zurückzu¬
kehren -- sie bringen fast ohne Ausnahme mehr mit als äußeren Firniß. Ein
solcher in der Fremde erzogener junger Moldauer ist gewöhnlich eine sehr an¬
genehme Erscheinung; sein angebornes Talent für Sprachen, die in seiner
Natur liegende Bonhommie, die Leichtigkeit seiner Bewegungen, die ihm noch als
Rückerinnerung seiner in Feld und Wald zugebrachten Kinderjahre anhaftet
und die er in der pariser und berliner Gesellschaft verfeinert -- alles das er¬
wirbt ihm Svmpathien. Die im Lande aufwachsenden jungen Leute dieser
Elasse sind meist etwas steifer; man sieht und hört es ihnen an, daß sie
ihre Ideen nach denen ihrer gereisten Kameraden zu modeln streben; aber
in einem bleiben sie sich gleich, über den Stamm der Rumcmen geht ihnen
nichts! In vielen von diesen ist ein mächtiges Streben unverkennbar, und
dieses Streben, mag eS selbst bisweilen Irrwege gehen, ist nicht hoch genug
anzuschlagen; in ihm liegt der Kern vieles Schönen für die Zukunft. Sind
ihre Studien auch nicht sehr gründlich, die Geschichte ihres Baterlandes ist
ihnen bekannt, und es erwacht in ihnen ein instinctmäßiges Sehnen, es dem
übrigen Europa näher zu bringen. Mögen ihre politischen Ideen sich auch
theilweise in Träumereien verlieren, wenn nur Ideen da sind, die Erfahrung
thut das Ihrige dazu, um sie der Wirklichkeit näher zu bringen und sie mit
derselben zu verflechten. So lange dergleichen Träumereien nicht zu sinnlosem
Handeln verleiten, müssen wir sie achten, sie nähren die Vaterlandsliebe im
Wgendlichen Herzen und veredeln es. Laßt nur den Jüngling Verse machen
T' als Mann wird er Euch einst mit seiner Prosa nützen. Diese jungen
Leute gehören fast ohne Ausnahme der Unionspartei an.

Da nun das organische Statut den höchst merkwürdigen Grundsatz auf¬
stellt, daß ein jeder, der so glücklich gewesen ist, einen Posten zu erhalten,
denselben nach drei Jahren räumen muß, um einem anderen Platz zu machen/)



*) Es heißt freilich, der Beamte, der das öffentliche Vertrauen erworben, dürfe nicht
"ach Ablauf der drei Jahre entfernt werden; uns sind jedoch kaum el" paar Beispiele einer
Grenzboten. III. -I8S7. S

kein Verdienst einen Anspruch darauf erwarben; es ist leider sogar nicht zu
leugnen, daß sehr viele für Geld Bojaren geworden; zur Schande derjenigen,
die das Geld eingesteckt.

Schmückt aber erst ein Titel den Hausvater, so thut er was er kann, um
seine Familie empor zu bringen. Seine Söhne besuchen die Schule, oder haben
deutsche und französische Hauslehrer, oder gehen sogar nach Berlin und Paris,
um sich auszubilden, und eS sind uns viele junge Leute bekannt, bei denen
die Bemühungen ihrer Eltern schöne Früchte getragen. Wir wollen nicht be¬
haupten, daß oft Gelehrte aus ihnen werden. Häufig ohne alle Aufsicht in den
Vergnügungsstrudel einer großen Hauptstadt geworfen, nehmen die half
eKgmMros und Wintergarten natürlich viel Zeit in Anspruch; aber selten
wird einer so wenig Ehrgefühl haben, ganz unwissend nach Hause zurückzu¬
kehren — sie bringen fast ohne Ausnahme mehr mit als äußeren Firniß. Ein
solcher in der Fremde erzogener junger Moldauer ist gewöhnlich eine sehr an¬
genehme Erscheinung; sein angebornes Talent für Sprachen, die in seiner
Natur liegende Bonhommie, die Leichtigkeit seiner Bewegungen, die ihm noch als
Rückerinnerung seiner in Feld und Wald zugebrachten Kinderjahre anhaftet
und die er in der pariser und berliner Gesellschaft verfeinert — alles das er¬
wirbt ihm Svmpathien. Die im Lande aufwachsenden jungen Leute dieser
Elasse sind meist etwas steifer; man sieht und hört es ihnen an, daß sie
ihre Ideen nach denen ihrer gereisten Kameraden zu modeln streben; aber
in einem bleiben sie sich gleich, über den Stamm der Rumcmen geht ihnen
nichts! In vielen von diesen ist ein mächtiges Streben unverkennbar, und
dieses Streben, mag eS selbst bisweilen Irrwege gehen, ist nicht hoch genug
anzuschlagen; in ihm liegt der Kern vieles Schönen für die Zukunft. Sind
ihre Studien auch nicht sehr gründlich, die Geschichte ihres Baterlandes ist
ihnen bekannt, und es erwacht in ihnen ein instinctmäßiges Sehnen, es dem
übrigen Europa näher zu bringen. Mögen ihre politischen Ideen sich auch
theilweise in Träumereien verlieren, wenn nur Ideen da sind, die Erfahrung
thut das Ihrige dazu, um sie der Wirklichkeit näher zu bringen und sie mit
derselben zu verflechten. So lange dergleichen Träumereien nicht zu sinnlosem
Handeln verleiten, müssen wir sie achten, sie nähren die Vaterlandsliebe im
Wgendlichen Herzen und veredeln es. Laßt nur den Jüngling Verse machen
T' als Mann wird er Euch einst mit seiner Prosa nützen. Diese jungen
Leute gehören fast ohne Ausnahme der Unionspartei an.

Da nun das organische Statut den höchst merkwürdigen Grundsatz auf¬
stellt, daß ein jeder, der so glücklich gewesen ist, einen Posten zu erhalten,
denselben nach drei Jahren räumen muß, um einem anderen Platz zu machen/)



*) Es heißt freilich, der Beamte, der das öffentliche Vertrauen erworben, dürfe nicht
«ach Ablauf der drei Jahre entfernt werden; uns sind jedoch kaum el» paar Beispiele einer
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[0041] kein Verdienst einen Anspruch darauf erwarben; es ist leider sogar nicht zu leugnen, daß sehr viele für Geld Bojaren geworden; zur Schande derjenigen, die das Geld eingesteckt. Schmückt aber erst ein Titel den Hausvater, so thut er was er kann, um seine Familie empor zu bringen. Seine Söhne besuchen die Schule, oder haben deutsche und französische Hauslehrer, oder gehen sogar nach Berlin und Paris, um sich auszubilden, und eS sind uns viele junge Leute bekannt, bei denen die Bemühungen ihrer Eltern schöne Früchte getragen. Wir wollen nicht be¬ haupten, daß oft Gelehrte aus ihnen werden. Häufig ohne alle Aufsicht in den Vergnügungsstrudel einer großen Hauptstadt geworfen, nehmen die half eKgmMros und Wintergarten natürlich viel Zeit in Anspruch; aber selten wird einer so wenig Ehrgefühl haben, ganz unwissend nach Hause zurückzu¬ kehren — sie bringen fast ohne Ausnahme mehr mit als äußeren Firniß. Ein solcher in der Fremde erzogener junger Moldauer ist gewöhnlich eine sehr an¬ genehme Erscheinung; sein angebornes Talent für Sprachen, die in seiner Natur liegende Bonhommie, die Leichtigkeit seiner Bewegungen, die ihm noch als Rückerinnerung seiner in Feld und Wald zugebrachten Kinderjahre anhaftet und die er in der pariser und berliner Gesellschaft verfeinert — alles das er¬ wirbt ihm Svmpathien. Die im Lande aufwachsenden jungen Leute dieser Elasse sind meist etwas steifer; man sieht und hört es ihnen an, daß sie ihre Ideen nach denen ihrer gereisten Kameraden zu modeln streben; aber in einem bleiben sie sich gleich, über den Stamm der Rumcmen geht ihnen nichts! In vielen von diesen ist ein mächtiges Streben unverkennbar, und dieses Streben, mag eS selbst bisweilen Irrwege gehen, ist nicht hoch genug anzuschlagen; in ihm liegt der Kern vieles Schönen für die Zukunft. Sind ihre Studien auch nicht sehr gründlich, die Geschichte ihres Baterlandes ist ihnen bekannt, und es erwacht in ihnen ein instinctmäßiges Sehnen, es dem übrigen Europa näher zu bringen. Mögen ihre politischen Ideen sich auch theilweise in Träumereien verlieren, wenn nur Ideen da sind, die Erfahrung thut das Ihrige dazu, um sie der Wirklichkeit näher zu bringen und sie mit derselben zu verflechten. So lange dergleichen Träumereien nicht zu sinnlosem Handeln verleiten, müssen wir sie achten, sie nähren die Vaterlandsliebe im Wgendlichen Herzen und veredeln es. Laßt nur den Jüngling Verse machen T' als Mann wird er Euch einst mit seiner Prosa nützen. Diese jungen Leute gehören fast ohne Ausnahme der Unionspartei an. Da nun das organische Statut den höchst merkwürdigen Grundsatz auf¬ stellt, daß ein jeder, der so glücklich gewesen ist, einen Posten zu erhalten, denselben nach drei Jahren räumen muß, um einem anderen Platz zu machen/) *) Es heißt freilich, der Beamte, der das öffentliche Vertrauen erworben, dürfe nicht «ach Ablauf der drei Jahre entfernt werden; uns sind jedoch kaum el» paar Beispiele einer Grenzboten. III. -I8S7. S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/41>, abgerufen am 28.09.2024.