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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Was kann nun einend gebildeten und sei" empfindenden Mann wie
Macaulay bestimmt haben, ein so wunderliches Buch zu schreiben? Wäre eS
von einem großdeutschen Politiker, oder von einem Anhänger deS Stahlschen
Christenthums ausgegangen, so würde man sich nicht darüber wundern.
Schriften der Art eristiren schon in hinlänglicher Zahl, freilich nicht mit dem
gleichen Talent geschrieben. Aber Macaulay ist ein Anhänger der Aufklärung;
er macht uns Preußen gelegentlich Komplimente, die wir nur mit den tiefsten
Verbeugungen erwiedern können; er nimmt auch nicht Partei für Friedrichs
Gegner, er zeichnet Maria Theresia ganz in der Weise G. Sands. ES ist
also nicht politisches Interesse, was ihn bei seiner Farbenmischung bestimmt,
sondern lediglich artistisches. Die nähere Aufklärung finden wir im folgenden
Passus: "Und doch kam selbst die Begeisterung Deutschlands für Friedrich
kaum der Begeisterung Englands gleich. Der Geburtstag unseres Verbündeten
wurde mit ebenso großem Enthusiasmus gefeiert wie der unsers eigenen Sou¬
veräns, und in der Nacht waren die Straßen von London glänzend illuminirt.
Abbildungen deS Helden von Roßbach, mit seinem dreieckigen Hut und seinem
langen Zopf, waren in jedem Hause. Ein aufmerksamer Beobachter wird bis
heutigen Tages in den Gastzimmern altmodischer Wirthshäuser und in den
Mappen der Bilderhändler zwanzig Porträts von Friedrich für eins von
Georg II. finden. Die Schildermaler waren allerorten beschäftigt, Admiral
Vernon in den König von Preußen umzupinseln. Dieser Enthusiasmus war
stark unter frommen Leuten und besonders unter den Methodisten, welche
wußten, daß die Franzosen und Oestreicher Papisten waren, und annahmen,
daß Friedrich der Josua oder Gideon des Protestantismus sei. Einer von
Whitfields Zuhörern trug in sein uns theilweise erhaltenes Tagebuch an dem
Tage, an welchem vor dem Tabernakel die Danksagung für die Schlacht von
Leuthen verlesen wurde, folgenden höchst spaßhaften Passus ein: "Der Herr
erweckte den König von Preußen und seine Soldaten zum Gebet. Sie hielten
drei Fasttage, und verbrachten ungefähr eine Stunde mit Beten und Psalmen-
singen, ehe sie auf den Feind gingen. O, wie schön ist es, zu beten und zu
fechten!"

Dieser in der That höchst spaßhafte Passus hat ihn bestimmt, die ent¬
gegengesetzte Seite aufzusuchen. Er hat zunächst daS Verhältniß Friedrichs
zu Voltaire inS Auge gefaßt, wo diese beiden großen Geister ziemlich klein
erscheinen, sich gegenseitig betrügen, selbst verachten und doch nicht von einander
lassen können. Er hat an dies die schwülstigen poetischen Erpenmente Friedrichs
geknüpft, die Spielereien mit Nymphen, Najaden, Musen und Grazien in
Augenblicken, wo der Held von Pulverdampf geschwärzt sich auf einige
Minuten in sein Zelt zurückziehen durste. Diese poetische Spielerei hat
er zum Mittelpunkt seiner Darstellung gemacht.


Was kann nun einend gebildeten und sei» empfindenden Mann wie
Macaulay bestimmt haben, ein so wunderliches Buch zu schreiben? Wäre eS
von einem großdeutschen Politiker, oder von einem Anhänger deS Stahlschen
Christenthums ausgegangen, so würde man sich nicht darüber wundern.
Schriften der Art eristiren schon in hinlänglicher Zahl, freilich nicht mit dem
gleichen Talent geschrieben. Aber Macaulay ist ein Anhänger der Aufklärung;
er macht uns Preußen gelegentlich Komplimente, die wir nur mit den tiefsten
Verbeugungen erwiedern können; er nimmt auch nicht Partei für Friedrichs
Gegner, er zeichnet Maria Theresia ganz in der Weise G. Sands. ES ist
also nicht politisches Interesse, was ihn bei seiner Farbenmischung bestimmt,
sondern lediglich artistisches. Die nähere Aufklärung finden wir im folgenden
Passus: „Und doch kam selbst die Begeisterung Deutschlands für Friedrich
kaum der Begeisterung Englands gleich. Der Geburtstag unseres Verbündeten
wurde mit ebenso großem Enthusiasmus gefeiert wie der unsers eigenen Sou¬
veräns, und in der Nacht waren die Straßen von London glänzend illuminirt.
Abbildungen deS Helden von Roßbach, mit seinem dreieckigen Hut und seinem
langen Zopf, waren in jedem Hause. Ein aufmerksamer Beobachter wird bis
heutigen Tages in den Gastzimmern altmodischer Wirthshäuser und in den
Mappen der Bilderhändler zwanzig Porträts von Friedrich für eins von
Georg II. finden. Die Schildermaler waren allerorten beschäftigt, Admiral
Vernon in den König von Preußen umzupinseln. Dieser Enthusiasmus war
stark unter frommen Leuten und besonders unter den Methodisten, welche
wußten, daß die Franzosen und Oestreicher Papisten waren, und annahmen,
daß Friedrich der Josua oder Gideon des Protestantismus sei. Einer von
Whitfields Zuhörern trug in sein uns theilweise erhaltenes Tagebuch an dem
Tage, an welchem vor dem Tabernakel die Danksagung für die Schlacht von
Leuthen verlesen wurde, folgenden höchst spaßhaften Passus ein: „Der Herr
erweckte den König von Preußen und seine Soldaten zum Gebet. Sie hielten
drei Fasttage, und verbrachten ungefähr eine Stunde mit Beten und Psalmen-
singen, ehe sie auf den Feind gingen. O, wie schön ist es, zu beten und zu
fechten!"

Dieser in der That höchst spaßhafte Passus hat ihn bestimmt, die ent¬
gegengesetzte Seite aufzusuchen. Er hat zunächst daS Verhältniß Friedrichs
zu Voltaire inS Auge gefaßt, wo diese beiden großen Geister ziemlich klein
erscheinen, sich gegenseitig betrügen, selbst verachten und doch nicht von einander
lassen können. Er hat an dies die schwülstigen poetischen Erpenmente Friedrichs
geknüpft, die Spielereien mit Nymphen, Najaden, Musen und Grazien in
Augenblicken, wo der Held von Pulverdampf geschwärzt sich auf einige
Minuten in sein Zelt zurückziehen durste. Diese poetische Spielerei hat
er zum Mittelpunkt seiner Darstellung gemacht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/32>, abgerufen am 03.07.2024.