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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Das Bild, welches bis zu einer gewissen Grenze hin vollkommen richtig ist,
macht einen viel erfreulichem Eindruck, als der Roman von Luise Mühlbach,
der leider Gottes bei einem großen Theil unserer verschrobenen Schöngeister
Beifall gefunden hat. G. Sand will Friedrich persistiren, Luise Mühlbach
will ihn vergöttern; während aber die erstere eine Seite wenigstens von ihm
richtig zeichnet, ist in dem Bild der letztern alles unwahr und verzerrt; und
wenn so ein Ungeheuer, wie sie geschildert, wirklich eristirt hätte, so müßte
man mehr davor ein Kreuz schlagen, als vor einem Nero oder Heliogabal.
Frau Mühlbach hat es mit ihrer Zeichnung gewiß gut gemeint, aber daS ist
es eben, waS uns über die sittliche Grundlage unserer Zeit bedenklich macht,
was für wahnwitzige Ideale in den Köpfen unserer Poeten spuken. DaS echte
Bild Friedrichs lebt im Bewußtsein des gesunden Volks, von den Schrift¬
stellern haben ihn noch am besten die alten naiven geschildert. Ein echter
Geschichtschreiber, der das Bild künstlerisch abrundet, ist noch zu erwarten, und
dieser wird mit der Begeisterung für einen der größten Helden aller Zeiten die Kraft
jenes ironischen Blicks verbinden müssen, den Macaulay zwar gemißbraucht hat,
der aber an und für sich nothwendig ist, wenn die Farben nicht verwaschen aus¬
sehen sollen.

Fast in keinem seiner Werke zeigt sich Macaulay als ein so glänzender
Colorist. Alles lebt und blüht in dieser Schilderung. Mit einem feinen
Raffinement, oder vielmehr mit dem sichern Jnstinct eines an den Genius
grenzenden Talents, hat Macaulay alle die kleinen Züge aufgespürt, welche
die von ihm beabsichtigte Beleuchtung componiren. Wenn wir die eine schmut¬
zige Fabel aufnehmen, mit der er seine Blätter nicht hätte besudeln sollen,
so finden wir keinen einzigen Zug, der in einem classischen Bild des Königs
nicht seinen Platz funde, freilich an eine andere Stelle gerückt. Wem ist es
unbekannt, daß Friedrich schlechte Verse schrieb? daß er seine gelehrten und
geistreichen Hofnarren zugleich die Ueberlegenheit seiner Stellung und seines
Witzes fühlen ließ? was von ihm durchaus nicht gemüthlich war. Wem ist eS
unbekannt, daß in seinen Schlachten sehr viel Menschen umgekommen sind?
was man höchlich bedauern muß. Wer hat je daran gezweifelt, daß er mit
seinen Ansprüchen auf Schlesien vor einem gewöhnlichen Gerichtshof ganz ent¬
schieden zurückgewiesen sein würde? Wem ist es verborgen geblieben, daß die
Wissenschaft daS Mercantilsystem widerlegt hat? u. s. f. Wie gesagt, wir
erfahren aus dieser Abhandlung durchaus nichts Neues, und doch sind die
einzelnen Züge so geschickt componirt, daß wir unsern alten Fritz kaum
wiedererkennen, und daß wir einmal in die Adleraugen seines Porträts
blicken müssen, um uns zu erinnern, von wem die Rede ist. Und dabei
können wir uns nicht einmal ärgern; im Gegentheil werden wir so gut unter¬
halten, daß wir das Buch mit demselben Vergnügen lesen, wie -- Consuelo.


Das Bild, welches bis zu einer gewissen Grenze hin vollkommen richtig ist,
macht einen viel erfreulichem Eindruck, als der Roman von Luise Mühlbach,
der leider Gottes bei einem großen Theil unserer verschrobenen Schöngeister
Beifall gefunden hat. G. Sand will Friedrich persistiren, Luise Mühlbach
will ihn vergöttern; während aber die erstere eine Seite wenigstens von ihm
richtig zeichnet, ist in dem Bild der letztern alles unwahr und verzerrt; und
wenn so ein Ungeheuer, wie sie geschildert, wirklich eristirt hätte, so müßte
man mehr davor ein Kreuz schlagen, als vor einem Nero oder Heliogabal.
Frau Mühlbach hat es mit ihrer Zeichnung gewiß gut gemeint, aber daS ist
es eben, waS uns über die sittliche Grundlage unserer Zeit bedenklich macht,
was für wahnwitzige Ideale in den Köpfen unserer Poeten spuken. DaS echte
Bild Friedrichs lebt im Bewußtsein des gesunden Volks, von den Schrift¬
stellern haben ihn noch am besten die alten naiven geschildert. Ein echter
Geschichtschreiber, der das Bild künstlerisch abrundet, ist noch zu erwarten, und
dieser wird mit der Begeisterung für einen der größten Helden aller Zeiten die Kraft
jenes ironischen Blicks verbinden müssen, den Macaulay zwar gemißbraucht hat,
der aber an und für sich nothwendig ist, wenn die Farben nicht verwaschen aus¬
sehen sollen.

Fast in keinem seiner Werke zeigt sich Macaulay als ein so glänzender
Colorist. Alles lebt und blüht in dieser Schilderung. Mit einem feinen
Raffinement, oder vielmehr mit dem sichern Jnstinct eines an den Genius
grenzenden Talents, hat Macaulay alle die kleinen Züge aufgespürt, welche
die von ihm beabsichtigte Beleuchtung componiren. Wenn wir die eine schmut¬
zige Fabel aufnehmen, mit der er seine Blätter nicht hätte besudeln sollen,
so finden wir keinen einzigen Zug, der in einem classischen Bild des Königs
nicht seinen Platz funde, freilich an eine andere Stelle gerückt. Wem ist es
unbekannt, daß Friedrich schlechte Verse schrieb? daß er seine gelehrten und
geistreichen Hofnarren zugleich die Ueberlegenheit seiner Stellung und seines
Witzes fühlen ließ? was von ihm durchaus nicht gemüthlich war. Wem ist eS
unbekannt, daß in seinen Schlachten sehr viel Menschen umgekommen sind?
was man höchlich bedauern muß. Wer hat je daran gezweifelt, daß er mit
seinen Ansprüchen auf Schlesien vor einem gewöhnlichen Gerichtshof ganz ent¬
schieden zurückgewiesen sein würde? Wem ist es verborgen geblieben, daß die
Wissenschaft daS Mercantilsystem widerlegt hat? u. s. f. Wie gesagt, wir
erfahren aus dieser Abhandlung durchaus nichts Neues, und doch sind die
einzelnen Züge so geschickt componirt, daß wir unsern alten Fritz kaum
wiedererkennen, und daß wir einmal in die Adleraugen seines Porträts
blicken müssen, um uns zu erinnern, von wem die Rede ist. Und dabei
können wir uns nicht einmal ärgern; im Gegentheil werden wir so gut unter¬
halten, daß wir das Buch mit demselben Vergnügen lesen, wie — Consuelo.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/31>, abgerufen am 01.07.2024.