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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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demokratische Stimmung, welche aus den starken Ausdrücken dieser Schrift zu
uns redet. Was ihr eigentlicher Inhalt sei, mag man nach folgenden Stellen
beurtheilen:

"Ich habe noch keinen einzigen Pfennig, zu geschweigen anderer gröberer
Münze, gesehn, worauf der Kipper und Wipper Namen, Wappen oder Ge¬
präge stände, noch viel weniger wird man als Umschrift den neuen Wachtel¬
gesang "Kippediwipp" darauf finden. Sondern man sieht darauf wol ein sonst
bekanntes Gepräge oder Bild, und wird der Kipper oder Wipper nicht mit
dem geringsten Buchstaben gedacht."

"Kann aber der Herr Magister die Sache noch nicht recht verstehn, so
frage er doch, wer die alten Kessel am theuersten eingekauft hat, damit die
Münzen befördert würden; wenn das geschieht, wird der Herr Magister in
Wahrheit erfahren, wer das kupferne und blecherne Geld geprägt hat. Denn
wahrlich, so mancher alte Kessel, worin so mancher guter Grütz- oder
Hirsebrei gemacht ist, auch so manche gute alte Pfanne, worin so viel gutes
Bier und so mancher schöne Trunk Breihahn gekocht wurde, ist ver¬
schmolzen und vermünzet worden; und dieses ist nicht von den gemeinen
Kippern, sondern von den Erzkippern geschehn. Denn die andern haben keine
Regalia zu münzen, und ob sie gleich als die Spür- und Jagdhunde solches
ausgespürt und aufgetrieben, so haben sie eS doch nur aus Besehl andern ab¬
gejagt und sind also nicht in so schwerer Verdammniß, als diejenigen (sie mögen
heißen wie sie wollen) so die Regalia vom Reich haben und dieselben zum
merklichen Schaden deutschen Landes mißbrauchen." --

"Keiner will in jetziger Zeit der Katze die Schelle anhängen oder wie
Johannes dem Herodes die Wahrheit sagen. Aber auf die armen Schelme,
die Kipper und Wipper, schimpft jedermann, während diese doch bei solchem
Wechselgeschäft nichts aus eigner Macht thun, sondern was sie thun, geschieht
alles mit Wissen, Willen und Beifall der Obrigkeit. Und leider bekommen sie
in jetziger Zeit viel Concurrenten. Denn sobald jemand einen Pfennig oder
Groschen bekommt, der ein wenig besser ist, als ein anderer, so will er sogleich
damit wuchern. Deshalb geht es auch so her, wie die Erfahrung zeigt, die
Aerzte verlassen ihre Kranken und denken viel mehr an den Wucher als an
Hippocrates und Galenus; die Juristen vergessen ihre Acten, hängen ihre
Praris an die Wand, nehmen die Wucherei zur Hand und lassen über Bar-
tholus und Baldus lesen, wer da will. Dasselbe thun auch andere Gelehrte,
studiren mehr Arithmetik als Rhetorik und Philosophie; die Kaufleute, Krämer
und andere Handelsleute treiben jetziger Zeit ihr größtes Gewerbe mit der
kurzen Waare, die mit dem Münzstempel bezeichnet ist." --

Aus diesem ist nun zu ersehen, daß zwar die "ungehangencn, diebischen,
eidvergessenen, ehrlosen" Kipper und Wipper nicht ganz zu entschuldigen, aber


demokratische Stimmung, welche aus den starken Ausdrücken dieser Schrift zu
uns redet. Was ihr eigentlicher Inhalt sei, mag man nach folgenden Stellen
beurtheilen:

„Ich habe noch keinen einzigen Pfennig, zu geschweigen anderer gröberer
Münze, gesehn, worauf der Kipper und Wipper Namen, Wappen oder Ge¬
präge stände, noch viel weniger wird man als Umschrift den neuen Wachtel¬
gesang „Kippediwipp" darauf finden. Sondern man sieht darauf wol ein sonst
bekanntes Gepräge oder Bild, und wird der Kipper oder Wipper nicht mit
dem geringsten Buchstaben gedacht."

„Kann aber der Herr Magister die Sache noch nicht recht verstehn, so
frage er doch, wer die alten Kessel am theuersten eingekauft hat, damit die
Münzen befördert würden; wenn das geschieht, wird der Herr Magister in
Wahrheit erfahren, wer das kupferne und blecherne Geld geprägt hat. Denn
wahrlich, so mancher alte Kessel, worin so mancher guter Grütz- oder
Hirsebrei gemacht ist, auch so manche gute alte Pfanne, worin so viel gutes
Bier und so mancher schöne Trunk Breihahn gekocht wurde, ist ver¬
schmolzen und vermünzet worden; und dieses ist nicht von den gemeinen
Kippern, sondern von den Erzkippern geschehn. Denn die andern haben keine
Regalia zu münzen, und ob sie gleich als die Spür- und Jagdhunde solches
ausgespürt und aufgetrieben, so haben sie eS doch nur aus Besehl andern ab¬
gejagt und sind also nicht in so schwerer Verdammniß, als diejenigen (sie mögen
heißen wie sie wollen) so die Regalia vom Reich haben und dieselben zum
merklichen Schaden deutschen Landes mißbrauchen." —

„Keiner will in jetziger Zeit der Katze die Schelle anhängen oder wie
Johannes dem Herodes die Wahrheit sagen. Aber auf die armen Schelme,
die Kipper und Wipper, schimpft jedermann, während diese doch bei solchem
Wechselgeschäft nichts aus eigner Macht thun, sondern was sie thun, geschieht
alles mit Wissen, Willen und Beifall der Obrigkeit. Und leider bekommen sie
in jetziger Zeit viel Concurrenten. Denn sobald jemand einen Pfennig oder
Groschen bekommt, der ein wenig besser ist, als ein anderer, so will er sogleich
damit wuchern. Deshalb geht es auch so her, wie die Erfahrung zeigt, die
Aerzte verlassen ihre Kranken und denken viel mehr an den Wucher als an
Hippocrates und Galenus; die Juristen vergessen ihre Acten, hängen ihre
Praris an die Wand, nehmen die Wucherei zur Hand und lassen über Bar-
tholus und Baldus lesen, wer da will. Dasselbe thun auch andere Gelehrte,
studiren mehr Arithmetik als Rhetorik und Philosophie; die Kaufleute, Krämer
und andere Handelsleute treiben jetziger Zeit ihr größtes Gewerbe mit der
kurzen Waare, die mit dem Münzstempel bezeichnet ist." —

Aus diesem ist nun zu ersehen, daß zwar die „ungehangencn, diebischen,
eidvergessenen, ehrlosen" Kipper und Wipper nicht ganz zu entschuldigen, aber


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[0302] demokratische Stimmung, welche aus den starken Ausdrücken dieser Schrift zu uns redet. Was ihr eigentlicher Inhalt sei, mag man nach folgenden Stellen beurtheilen: „Ich habe noch keinen einzigen Pfennig, zu geschweigen anderer gröberer Münze, gesehn, worauf der Kipper und Wipper Namen, Wappen oder Ge¬ präge stände, noch viel weniger wird man als Umschrift den neuen Wachtel¬ gesang „Kippediwipp" darauf finden. Sondern man sieht darauf wol ein sonst bekanntes Gepräge oder Bild, und wird der Kipper oder Wipper nicht mit dem geringsten Buchstaben gedacht." „Kann aber der Herr Magister die Sache noch nicht recht verstehn, so frage er doch, wer die alten Kessel am theuersten eingekauft hat, damit die Münzen befördert würden; wenn das geschieht, wird der Herr Magister in Wahrheit erfahren, wer das kupferne und blecherne Geld geprägt hat. Denn wahrlich, so mancher alte Kessel, worin so mancher guter Grütz- oder Hirsebrei gemacht ist, auch so manche gute alte Pfanne, worin so viel gutes Bier und so mancher schöne Trunk Breihahn gekocht wurde, ist ver¬ schmolzen und vermünzet worden; und dieses ist nicht von den gemeinen Kippern, sondern von den Erzkippern geschehn. Denn die andern haben keine Regalia zu münzen, und ob sie gleich als die Spür- und Jagdhunde solches ausgespürt und aufgetrieben, so haben sie eS doch nur aus Besehl andern ab¬ gejagt und sind also nicht in so schwerer Verdammniß, als diejenigen (sie mögen heißen wie sie wollen) so die Regalia vom Reich haben und dieselben zum merklichen Schaden deutschen Landes mißbrauchen." — „Keiner will in jetziger Zeit der Katze die Schelle anhängen oder wie Johannes dem Herodes die Wahrheit sagen. Aber auf die armen Schelme, die Kipper und Wipper, schimpft jedermann, während diese doch bei solchem Wechselgeschäft nichts aus eigner Macht thun, sondern was sie thun, geschieht alles mit Wissen, Willen und Beifall der Obrigkeit. Und leider bekommen sie in jetziger Zeit viel Concurrenten. Denn sobald jemand einen Pfennig oder Groschen bekommt, der ein wenig besser ist, als ein anderer, so will er sogleich damit wuchern. Deshalb geht es auch so her, wie die Erfahrung zeigt, die Aerzte verlassen ihre Kranken und denken viel mehr an den Wucher als an Hippocrates und Galenus; die Juristen vergessen ihre Acten, hängen ihre Praris an die Wand, nehmen die Wucherei zur Hand und lassen über Bar- tholus und Baldus lesen, wer da will. Dasselbe thun auch andere Gelehrte, studiren mehr Arithmetik als Rhetorik und Philosophie; die Kaufleute, Krämer und andere Handelsleute treiben jetziger Zeit ihr größtes Gewerbe mit der kurzen Waare, die mit dem Münzstempel bezeichnet ist." — Aus diesem ist nun zu ersehen, daß zwar die „ungehangencn, diebischen, eidvergessenen, ehrlosen" Kipper und Wipper nicht ganz zu entschuldigen, aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/302>, abgerufen am 05.12.2024.