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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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zer ungewöhnlich stark, die Arbeit selbst, das Behandeln edler Metalle im Feuer,
galt für besonders vornehm, die unverstandenen chemischen Processe, welche
durch die Alchymie mit einem Wust von phantastischen Bildern umgeben waren,
imponirten den Arbeitenden weit mehr, als unser Jahrhundert der rationellen
Fabrikthätigkeit begreift. Dazu kam das Verantwortliche deS Dienstes. Wenn
der Münzer die silbernen Probirgewichte aus der schönen Kapsel hervorholte,
und die kleinen Näpfchen der Eicheln auf die kunstvoll gearbeitete Probirwage
setzte, um das Probirkorn darin abzuwägen, so that er dies mit einem ent¬
schiedenen Bewußtsein von Ueberlegenheit über seine Mitbürger.*) Und wenn
er die Silberprobe in der "Capelle" vom Blei reinigte und das fließende Silber
zuerst mit zarten Regenbogenfarben überlaufen wurde, dann der bunte Ueber¬
zug zerriß und wie ein Blitz der helle Silberschein durch die geschmolzene
Masse fuhr, so erfüllte ihn dieser "Silberblick" mit einem ehrfurchtsvollen Er¬
staunen und er fühlte sich mitten in dem geheimnißvollen Schaffen der Natur¬
geister, die er fürchtete und durch die Kunst seines Handwerks, so weit dessen
Vorschrift reichte, doch beherrschen konnte. Es war demnach in der Ordnung,
daß die Münzer eine geschlossene Corporation bildeten mit Meistern, Gesellen
und Lehrlingen, und daß sie eifersüchtig auf ihre Privilegien hielten. Wer
des heiligen römischen Reiches Münze prägen wollte, mußte zuerst seine freie
eheliche Geburt erweisen, vier Jahre niedrige Dienste thun, in dieser Zeit,
nach altem Brauch, eine Narrenkappe tragen, sich sür Unrecht und Ungeschick
streichen und strafen lassen; dann erst wurde er zur Münzarbeit selbst zuge¬
lassen und als Münzgesell des Reiches in die Brüderschaft aufgenommen.

Aber diese strenge Ordnung, welche von Kaiser Maximilian II. noch im
Jahre 1571 den Münzgesellen bestätigt wurde, vermochte schon damals nicht
zu bewirken, daß in der Corporation ehrlich und fromm gearbeitet wurde.
Ebensowenig bewirkten dies die Controlbestimmungen, welche auf Reichstagen
und durch die Landesherrn gefaßt wurden. Dem Münzmeister sollte zur Auf¬
sicht bei jeder Münze ein Wardein zur Seite gestellt werden, welcher Feingehalt
und Gewicht der geschlagenen Münzen zu prüfen hatte. Die zehn Kreise deS
Reiches sollten jährliche Approbationstage halten, um ihre Münzen gegenseitig
zu vergleichen und die schlechten zu devalviren; jedem Kreise sollte ein Gene-
ralwardcin vorstehn; sür jeden Kreis ward eine bestimmte Anzahl von Münz¬
stätten festgesetzt, in welchen namentlich die kleinern Landesherrn ihr Geld
ausprägen sollten. Aber alle diese Bestimmungen wurden nur unvollkommen
ausgeführt.

ES gab zuverlässige Landesherrn und treue Münzbeamte auch damals im



*) Quellen für die folgende Darstellung waren, außer den Müuzedicten des Reiches und
einzelner Landesherrn, die fliegenden Blätter und Broschüren zunächst aus den Jahren
--Il, eine reiche Literatur.
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zer ungewöhnlich stark, die Arbeit selbst, das Behandeln edler Metalle im Feuer,
galt für besonders vornehm, die unverstandenen chemischen Processe, welche
durch die Alchymie mit einem Wust von phantastischen Bildern umgeben waren,
imponirten den Arbeitenden weit mehr, als unser Jahrhundert der rationellen
Fabrikthätigkeit begreift. Dazu kam das Verantwortliche deS Dienstes. Wenn
der Münzer die silbernen Probirgewichte aus der schönen Kapsel hervorholte,
und die kleinen Näpfchen der Eicheln auf die kunstvoll gearbeitete Probirwage
setzte, um das Probirkorn darin abzuwägen, so that er dies mit einem ent¬
schiedenen Bewußtsein von Ueberlegenheit über seine Mitbürger.*) Und wenn
er die Silberprobe in der „Capelle" vom Blei reinigte und das fließende Silber
zuerst mit zarten Regenbogenfarben überlaufen wurde, dann der bunte Ueber¬
zug zerriß und wie ein Blitz der helle Silberschein durch die geschmolzene
Masse fuhr, so erfüllte ihn dieser „Silberblick" mit einem ehrfurchtsvollen Er¬
staunen und er fühlte sich mitten in dem geheimnißvollen Schaffen der Natur¬
geister, die er fürchtete und durch die Kunst seines Handwerks, so weit dessen
Vorschrift reichte, doch beherrschen konnte. Es war demnach in der Ordnung,
daß die Münzer eine geschlossene Corporation bildeten mit Meistern, Gesellen
und Lehrlingen, und daß sie eifersüchtig auf ihre Privilegien hielten. Wer
des heiligen römischen Reiches Münze prägen wollte, mußte zuerst seine freie
eheliche Geburt erweisen, vier Jahre niedrige Dienste thun, in dieser Zeit,
nach altem Brauch, eine Narrenkappe tragen, sich sür Unrecht und Ungeschick
streichen und strafen lassen; dann erst wurde er zur Münzarbeit selbst zuge¬
lassen und als Münzgesell des Reiches in die Brüderschaft aufgenommen.

Aber diese strenge Ordnung, welche von Kaiser Maximilian II. noch im
Jahre 1571 den Münzgesellen bestätigt wurde, vermochte schon damals nicht
zu bewirken, daß in der Corporation ehrlich und fromm gearbeitet wurde.
Ebensowenig bewirkten dies die Controlbestimmungen, welche auf Reichstagen
und durch die Landesherrn gefaßt wurden. Dem Münzmeister sollte zur Auf¬
sicht bei jeder Münze ein Wardein zur Seite gestellt werden, welcher Feingehalt
und Gewicht der geschlagenen Münzen zu prüfen hatte. Die zehn Kreise deS
Reiches sollten jährliche Approbationstage halten, um ihre Münzen gegenseitig
zu vergleichen und die schlechten zu devalviren; jedem Kreise sollte ein Gene-
ralwardcin vorstehn; sür jeden Kreis ward eine bestimmte Anzahl von Münz¬
stätten festgesetzt, in welchen namentlich die kleinern Landesherrn ihr Geld
ausprägen sollten. Aber alle diese Bestimmungen wurden nur unvollkommen
ausgeführt.

ES gab zuverlässige Landesherrn und treue Münzbeamte auch damals im



*) Quellen für die folgende Darstellung waren, außer den Müuzedicten des Reiches und
einzelner Landesherrn, die fliegenden Blätter und Broschüren zunächst aus den Jahren
—Il, eine reiche Literatur.
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[0291] zer ungewöhnlich stark, die Arbeit selbst, das Behandeln edler Metalle im Feuer, galt für besonders vornehm, die unverstandenen chemischen Processe, welche durch die Alchymie mit einem Wust von phantastischen Bildern umgeben waren, imponirten den Arbeitenden weit mehr, als unser Jahrhundert der rationellen Fabrikthätigkeit begreift. Dazu kam das Verantwortliche deS Dienstes. Wenn der Münzer die silbernen Probirgewichte aus der schönen Kapsel hervorholte, und die kleinen Näpfchen der Eicheln auf die kunstvoll gearbeitete Probirwage setzte, um das Probirkorn darin abzuwägen, so that er dies mit einem ent¬ schiedenen Bewußtsein von Ueberlegenheit über seine Mitbürger.*) Und wenn er die Silberprobe in der „Capelle" vom Blei reinigte und das fließende Silber zuerst mit zarten Regenbogenfarben überlaufen wurde, dann der bunte Ueber¬ zug zerriß und wie ein Blitz der helle Silberschein durch die geschmolzene Masse fuhr, so erfüllte ihn dieser „Silberblick" mit einem ehrfurchtsvollen Er¬ staunen und er fühlte sich mitten in dem geheimnißvollen Schaffen der Natur¬ geister, die er fürchtete und durch die Kunst seines Handwerks, so weit dessen Vorschrift reichte, doch beherrschen konnte. Es war demnach in der Ordnung, daß die Münzer eine geschlossene Corporation bildeten mit Meistern, Gesellen und Lehrlingen, und daß sie eifersüchtig auf ihre Privilegien hielten. Wer des heiligen römischen Reiches Münze prägen wollte, mußte zuerst seine freie eheliche Geburt erweisen, vier Jahre niedrige Dienste thun, in dieser Zeit, nach altem Brauch, eine Narrenkappe tragen, sich sür Unrecht und Ungeschick streichen und strafen lassen; dann erst wurde er zur Münzarbeit selbst zuge¬ lassen und als Münzgesell des Reiches in die Brüderschaft aufgenommen. Aber diese strenge Ordnung, welche von Kaiser Maximilian II. noch im Jahre 1571 den Münzgesellen bestätigt wurde, vermochte schon damals nicht zu bewirken, daß in der Corporation ehrlich und fromm gearbeitet wurde. Ebensowenig bewirkten dies die Controlbestimmungen, welche auf Reichstagen und durch die Landesherrn gefaßt wurden. Dem Münzmeister sollte zur Auf¬ sicht bei jeder Münze ein Wardein zur Seite gestellt werden, welcher Feingehalt und Gewicht der geschlagenen Münzen zu prüfen hatte. Die zehn Kreise deS Reiches sollten jährliche Approbationstage halten, um ihre Münzen gegenseitig zu vergleichen und die schlechten zu devalviren; jedem Kreise sollte ein Gene- ralwardcin vorstehn; sür jeden Kreis ward eine bestimmte Anzahl von Münz¬ stätten festgesetzt, in welchen namentlich die kleinern Landesherrn ihr Geld ausprägen sollten. Aber alle diese Bestimmungen wurden nur unvollkommen ausgeführt. ES gab zuverlässige Landesherrn und treue Münzbeamte auch damals im *) Quellen für die folgende Darstellung waren, außer den Müuzedicten des Reiches und einzelner Landesherrn, die fliegenden Blätter und Broschüren zunächst aus den Jahren —Il, eine reiche Literatur. 36*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/291>, abgerufen am 12.12.2024.